Heute immer noch königlich am SCHWÄBEn? Verzeiht das Wortspiel zum Einstieg, aber der 1. FC Köln holt beim 1:0 (0:0) in Leverkusen einen eminent wichtigen Erfolg im Rennen um den Europapokal. Erstmals gewinnen die “Geißböcke” in dieser Saison ein Auswärtsspiel zu Null und feiern den ersten Sieg in der Vorstadt seit 2015, als Dominic Maroh einen Doppelpack am Autobahnkreuz schnürte. Diesmal hießen die Helden anders: Marvin Schwäbe unterstrich im Duell der rheinischen Rivalen mit zahlreichen Paraden erneut seinen Status als Nummer eins. Der zweite Garant für den Kölner Sieg war „Joker-König“ Kingsley Schindler, der kurz nach seiner Einwechslung traf und somit das Tor des Tages erzielte.
Taktische Kniffe für das Nachbarschaftsduell?
Zunächst überraschte FC-Coach Steffen Baumgart mit der Aufstellung: Der erkrankte Mark Uth wurde durch Sebastian Andersson ersetzt, somit schickten die “Geißböcke” neben Anthony Modeste einen zweiten Stoßstürmer auf das Feld. Eine Variante, die das Trainerteam zwar in der Hinrunde bereits öfter ausgepackt hatte, doch zumeist bei Gegnern nutzte, gegen die man im Vorfeld vermehrten eigenen Ballbesitz erwarten durfte. Diesmal traf der FC mit Bayer Leverkusen allerdings auf ein Top-Team der Liga – gegen diese agierte das Baumgart-Team größtenteils mit einem klaren Stürmer sowie einer hängenden Spitze. Neben einer mutigen Doppelspitze wurde Salih Özcan nominell als rechter Flügelspieler in der Mittelfeld-Raute aufgeboten, obwohl seine Stärken deutlich im Zentrum des Mittelfelds liegen.
Die vom übertragenden Sender DAZN in der Halbzeit eingeblendete realtaktische Aufstellung verriet schließlich, was bereits mit bloßem Auge zu erkennen war: Özcan verdichtete primär das Zentrum und der rechte Flügel blieb hauptsächlich die Aufgabe von Rechtsverteidiger Benno Schmitz. Während dieser taktische Kniff in den ersten 25 Minuten des Spiels griff und die Leverkusener im Aufbau durch starkes Kölner Pressing, das enge Zentrum und zwei anlaufende Stürmer immer wieder zu Fehlern gezwungen wurden, zeigte sich anschließend die Gefahr dieser Spielweise. Denn als sich nach 25 Minuten Florian Wirtz schwer am Knie verletzte, das Spiel dadurch länger unterbrochen und das ehemalige Kölner Talent schließlich ausgewechselt wurde, ging kein Riss durch das Spiel der Werkself.
Ganz im Gegenteil: Die „Geißböcke“ schafften es nicht mehr, ihr aggressives Spiel durchzuziehen. Dadurch verlagerte sich das Spiel mehr und mehr in die Hälfte der Kölner, die ungewohnte Mittelfeld-Formation der Leverkusener sorgte für sichtbare Abstimmungsprobleme zwischen dem etatmäßigen Sechser Ellyes Skhiri und Özcan. Immer häufiger rückte letzterer nun in das Zentrum, ließ sich im Aufbau zwischen die Innenverteidiger fallen, doch vor allem gegen den Ball verlor das Mittelfeld den Zugriff, ließ Bayer kombinieren. Zuvorderst Skhiri schien mit der Rollenverteilung zu fremdeln und zeigte eine seiner schwächeren Leistungen im Trikot des 1. FC Köln.
Matchwinner I: Marvin Schwäbe
Der FC konnte schließlich zur Pause glücklich sein, das Unentschieden gehalten zu haben. Bedanken konnten sich die Kölner bei einem ihrer Matchwinner: Marvin Schwäbe hatte in der 18. Minute herausragend gegen den frei vor dem Tor auftauchenden Paulinho pariert und Diaby nach einem katastrophalen Rückpass von Skhiri weit genug nach außen gedrängt, sodass dieser nicht mehr kontrolliert abschließen konnte (35.). „Unsere Leistung heute war gar nicht so schlecht, es war viel Pech dabei und uns hat die Effektivität gefehlt“, fasste Leverkusens-Keeper Lukas Hradecky das Spiel zusammen und trifft damit den Nagel auf den Kopf, denn auch in der zweiten Halbzeit war Leverkusen spielbestimmend.
“Das üben wir im Training, dass wir auf den zweiten Pfosten gehen und durchlaufen.”
Zwar waren die ersten Minuten der zweiten Halbzeit sehr zerfahren, doch nach dem Kölner Führungstreffer (67.) fand die “Werkself” ihre Spielweise vom Ende der ersten Hälfte zurück, erspielte sich Chancen und vergab sie, zum Teil, kläglich. Vor allem Winter-Neuzugang Sardar Azmoun stach bei den vergebenen Chancen hervor, traf dreimal den Ball nicht oder nicht kontrolliert (70., 74., 79.). Aber auch Schwäbe hatte hier immer wieder seine Hände oder Füße im Spiel und hielt unter anderem gegen Demirbay (74.) und konnte sich sonst auf seine grätschenden Verteidiger verlassen (77. Kilian; 89. Hector). Letztendlich freuen sich die Domstädter über den ersten Zu-Null-Erfolg auf gegnerischem Platz in dieser Saison. Auch spielerisch war erneut Verlass auf den Kölner Schlussmann, der präzise Pässe spielt, den Ball mit links und rechts spielen kann, unter Anlauf-Druck gelassen bleibt und sogar seine Flugbälle auf die Außenbahnen zielsicher ankommen lässt: Ein Anblick, den man in Köln lange nicht gewohnt war.
Matchwinner II: Kingsley Schindler
Ab der 64. Minute war auf jener Außenbahn auch wieder ein gelernter Flügelspieler anspielbereit, als Kingsley Schindler den glücklosen Skhiri ersetzte und somit der Mittelfeld-Raute wieder die gewohnte Ausrichtung verlieh. Bei seinem goldenen Treffer zeigte er dann auch die Qualitäten, die einen Außenbahn-Spieler auszeichnen. „Das üben wir im Training, dass wir auf den zweiten Pfosten gehen und durchlaufen“, sagte der zweite Kölner Sieggarant nach dem Spiel und freute sich dementsprechend. „Kann man mitnehmen“, erwiderte er trocken, angesprochen auf sein erstes Bundesliga-Tor, seinen ersten Treffer für den FC und den Fakt, Matchwinner im rheinischen Nachbarschaftsduell zu sein.
Dass Schindler in dieser Saison wahrlich der Joker-König ist, bewies er schon zum Ende der Hinrunde, als er als Einwechselspieler wichtige Vorlagen in den Partien gegen Stuttgart und Wolfsburg lieferte.
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Willkommen zurück: Euphorie
Auch wenn der Sieg letztendlich aufgrund des Chancenplus der “Werkself” glücklich erscheint, ist er für die Domstädter und dessen Anhänger wohl der entscheidende Durchatmer vor dem anstehenden Bundesliga-Schlussspurt. Nachdem das Baumgart-Team zuletzt gegen Greuther Fürth nicht über ein Unentschieden hinauskam und die Serie von schweren Spielen (Hoffenheim, Leverkusen, Dortmund) mit einer Niederlage gegen die TSG gestartet hatte, ist man mit diesem Sieg endgültig befreit von allen Abstiegssorgen, die alle Pessimisten im Kölner Fanlager plagten, und kann nun die europäischen Plätze in Angriff nehmen.
„Wir wollen in den letzten Spielen weiter alles geben und so viele Punkte holen wie möglich, und dann oben angreifen“
Die Euphorie im Kölner Anhang ist auf jeden Fall zurück: Die Fans im Stadion sangen vom Europapokal, die Mannschaft wurde von den Anhängern bei der Ankunft am Geißbockheim mit Pyrotechnik und Jubelchören empfangen und auch die Spieler scheinen das Ziel Europapokal nicht aus den Augen zu verlieren, wie Salih Özcan nach der Partie verriet: „Wir wollen in den letzten Spielen weiter alles geben und so viele Punkte holen wie möglich, und dann oben angreifen“, so das Kölner Eigengewächs. Mit Marvin Schwäbe als sicherem Rückhalt und Kingsley Schindler als Edeljoker scheinen die Kölner auf jeden Fall zwei Puzzleteile für einen möglichen Europacup-Coup an der richtigen Stelle zu haben.