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Fans vor Rückkehr ins Stadion: Die Frage nach dem Wie und Wann – auch beim 1. FC Köln

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Seit Mitte März darben die Fußballfans in ganz Deutschland, seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie dürfen die Anhänger nicht mehr zur Unterstützung ihrer Teams ins Stadion. Doch die leeren Ränge, vor denen die Bundesliga ihre Spielzeit zu Ende gespielt hatte, könnten bald ein Ende haben. Auch wenn die Entscheidung über Zuschauer in den Stadien auf lokaler Ebene gefällt wird, kommen aus dem Kanzleramt positive Signale für einen Saisonauftakt mit zumindest teilweise gefüllten Tribünen. “Wenn ein gutes Hygienekonzept vorliegt und Abstand gewährleistet ist, können Veranstaltungen stattfinden – auch mit einer größeren Zahl an Zuschauern“, sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) der „Bild am Sonntag“, fügte allerdings hinzu: “Zu großes Gedränge muss noch vermieden werden. Die Stadien werden also nicht ausverkauft sein können und das muss gut organisiert und kontrolliert werden.”

Bereits in der Vorwoche hatte die DFL ihren Verein einen Leitfaden an die Hand gegeben, um „sie mit Blick auf den Wunsch nach Wiederzulassung von Besuchern in den Stadien bei der Erarbeitung standort-individueller Konzepte zu unterstützen“, wie es in der Pressemitteilung von Donnerstag heißt. Der Leitfaden diene als Orientierung für die Grundstruktur der zu erstellenden Konzepte und beinhalte zahlreiche zu berücksichtigende Aspekte. Unter anderem weist die DFL in ihrem Papier die Vereine daraufhin, mögliche Lösungen für eine Rückkehr von Zuschauern bei den Bundesliga-Spielen im Dialog mit den eigenen Fans zu entwickeln. Im Sinne klarer und transparenter Kommunikation werde den Clubs empfohlen, Interessensvertreter der jeweiligen Fanszenen frühzeitig in die Konzepterstellung einzubeziehen. Es sei nämlich anzunehmen, dass einzelne Maßnahmen der örtlich zu erstellenden Konzepte die gewachsene Fan- und Unterstützungskultur vor Herausforderungen stellen.

FC begrüßt Leitfaden der DFL

„Das Verständnis über die Notwendigkeit dieser Maßnahmen, kann zu einer notwendigen Selbstregulation führen, die zum Erfolg des Gesamtkonzeptes und damit der Wiederzulassung von Stadionbesuchern beiträgt. Es liegt in der Verantwortung der Clubs nach Wegen zu suchen, wie Fans und Zuschauer Teil der Lösung werden können und mit ihrer Kreativität dazu beitragen, die organisatorischen Probleme vor Ort lösen zu helfen und sie (kommunikativ) mitzutragen“, heißt es in dem Leitfaden, an dem sich die Bundesliga-Vereine orientieren sollen.

“Es ist für uns alle ein sehnlicher Wunsch, wieder vor möglichst vielen Fans Fußball spielen zu können.”

Eine „gute Grundlage“ sei das DFL-Papier, sagte FC-Finanzgeschäftsführer und DFL-Präsidiumsmitglied Alexander Wehrle der „Kölnischen Rundschau“. „Mit dem nun vorliegenden Leitfaden der DFL werden wir uns intensiv auseinandersetzen. Schließlich ist es für uns alle ein sehnlicher Wunsch, wieder vor möglichst vielen Fans Fußball spielen zu können. Allerdings hat die Beachtung und genaue Einhaltung aller Corona-bedingter Vorsichtsmaßnahmen stets allerhöchste Priorität. Gemeinsam mit den zuständigen Behörden und dem Gesundheitsamt werden wir die Empfehlungen der DFL aus dem Leitfaden Punkt für Punkt auf unsere Rahmenbedingungen runterbrechen.“

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Die ersten Plänen des 1. FC Köln, die im Bezug auf eine Fanrückkehr ins Müngersdorfer Stadion öffentlich wurden, hatten allerdings für ordentlich Wirbel gesorgt. Der Verein hatte in einem Infoschreiben an die Dauerkarteninhaber*innen die Möglichkeiten für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass auch in der kommenden Saison Einschränkungen des Stadionbesuches existieren, vorgestellt. Verschiedene Kompensationsmöglichkeiten bietet der FC seinen Fans an: Neben einer anteiligen Erstattung für die Partien, die wegen der Auflagen aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht im Stadion gesehen werden dürfen, können Dauerkarteninhaber*innen auch ihr Saisonticket pausieren lassen. Für einen kompletten Verzicht auf die berechtigten Ansprüche gab es derweil einen besonderen Bonus, der viele Fans verärgerte: Es werden „alle Dauerkarteninhaber, die auf eine Erstattung verzichten, zuerst berücksichtigt“, falls das Müngersdorfer Stadion wenigstens zu gewissen Teilen wieder bei Heimspielen des 1. FC Köln gefüllt werden darf. (effzeh.com kommentierte)

Fans und Gremien fühlen sich nicht ausreichend eingebunden

Der Verein nutze die tiefe emotionale Verbindung seiner Fans zu ihm aus, sogar von Erpressung war die Rede. Die Enttäuschung über die Verknüpfung eines Verzichts auf eine Rückerstattung mit einem künftigen Stadionbesuch war bei vielen groß. „Wir haben diese Ansätze mit allen Gremien – auch dem Mitgliederrat – abgestimmt. Wir sind der Überzeugung, dass wir für alle eine faire Lösung gefunden haben. Es war uns wichtig, dass jeder eine Wahl hat. Wir haben drei Möglichkeiten vorgegeben. Jeder kann für sich persönlich entscheiden, welche Variante für ihn am besten ist“, erklärte Wehrle dem „Express“.

“Wir hätten es auch wie andere Bundesliga-Vereine machen können, die gar keine Dauerkarten verkaufen, sondern nur Tageskarten zum Vollpreis. Finanziell wäre das lukrativer gewesen, aber ich halte es nicht für die fairere Lösung“, rechtfertigte sich der FC-Finanzboss – wohl wissend, dass diese Variante nicht die offensichtlich im Sommer dringend benötige Liquidität in die klammen Kassen spülen würde. Auch FC-Präsident Werner Wolf widersprach der Kritik an der angedachten Abwicklung: „Aus unserer Sicht haben wir ganz vernünftige und ausgewogene Ideen präsentiert, und wir haben uns das auch nicht alleine ausgedacht. Wir haben mit Fans zusammengesessen und mit dem Mitgliederrat diskutiert und einen großen Personenkreis einbezogen. Am Ende des Tages war es für alle eine passable und gute Lösung“, sagte der einstige Bitburger-Manager im „Express“-Interview.

Auf der nächsten Seite: Welche Forderungen die Südkurve an den Verein hat.

Doch gerade die vom Verein in den Vordergrund geschobene Einbindung der eigenen Fans und Gremien ist ein Knackpunkt, an dem sich intern erneut Ärger entzündet. Nach effzeh.com-Information wurde beispielsweise der AG Fankultur, die auch angeblich vom Verein in die Entscheidungsfindung eingebunden worden sei, das letztlich gewählte Ergebnis lediglich in einer Telefonkonferenz vorgestellt – heftiger Widerspruch der teilnehmenden Fanvertreter inklusive. Von einer „Friss oder stirb“-Mentalität ist im Umgang die Rede, insbesondere die öffentliche Unterstellung, die AG Fankultur hätte der Regelung zugestimmt, stieß intern sauer auf.

Dass sich die Mitglieder dieses Dialogforums „immer dann opportunistisch aus der Verantwortung ziehen wollen, wenn ihnen ein eisiger Fan-Wind entgegen zu schlagen droht“, wie es in einem Meinungsstück auf „geissblog.koeln“ heißt, kann mangels Mitwirkung und Zustimmung der AG Fankultur getrost ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Eine Entschuldigung für die öffentliche Erwähnung soll intern seitens des Vereins bereits erfolgt sein.

Die Südkurve äußert klare Erwartungen an den Verein

Dass die FC-Regelung bei den Fans nicht kritiklos geblieben ist, zeigt schon die knappe Stellungnahme des „Südkurve 1. FC Köln“ e. V., der von Beginn an Teil der AG Fankultur ist, kurz nach Veröffentlichung der aktuellen Lösung: „Wir wissen um die finanziell angespannte Situation des Vereins und glauben, dass es generell viele FC-Fans gibt, die grundsätzlich bereit sind ihrem Verein zu helfen. Eine Benachteiligung von Dauerkarteninhabern, die seit Jahren in Vorleistung gehen, kann in diesem Zusammenhang aber nicht die Lösung von Problemen sein und wird in einigen Fällen sogar das Gegenteil auslösen. Unabhängig der von uns kritisch betrachteten Unterteilung der Dauerkarteninhaber je nach Spendenbereitschaft, empfinden wir die Art und Weise der Kommunikation zu diesem Thema äußerst fragwürdig“, heißt es dort.

“Wir fordern die Verantwortlichen des 1. FC Köln daher dazu auf, eine bessere und eindeutig kommunizierte Lösung für alle Dauerkarteninhaber zu finden.”

„Wir fordern die Verantwortlichen des 1. FC Köln daher dazu auf, eine bessere und eindeutig kommunizierte Lösung für alle Dauerkarteninhaber zu finden. Außerdem erwarten wir, dass alle Dauerkartenbesitzer, die in diesem Jahr ihre Karte vorerst nicht nutzen möchten, ohne weiteres zum Dauerkartenpreis auf ihre Karte zugreifen können, sofern es in der laufenden Saison wieder zu einer Vollauslastung ohne Einschränkungen kommen sollte. Gegenüber denjenigen, die dem 1. FC Köln seit vielen Jahren in guten wie in schlechten Zeiten die Treue gehalten und in der letzten Saison sogar Geisterspiele ertragen haben, sind diese Forderungen unserer Meinung nach nicht zu viel verlangt.“

Auch der Mitgliederrat, der vom Verein ebenso für seine Lösung vereinnahmt wurde, hat sich inzwischen dazu geäußert. In einer Antwortmail, die auch effzeh.com vorliegt, heißt es zur derzeitige Lösung: „Der Mitgliederrat hat beratend seine Meinung eingebracht und konkrete Vorschläge unterbreitet, u.a. die Möglichkeit, die Dauerkarte für ein Jahr aussetzen zu können. Auch haben wir darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, den gesamten geplanten Prozess transparent und verständlich zu kommunizieren“, so die Stellungnahme gegenüber den Mitgliedern, die sich an das Gremium gewendet hatten. Das sei leider nicht optimal gelaufen.

Werder Bremen findet eine faire Lösung

Dennoch stehe der Mitgliederrat, der zu Fragen des Tickets keine formelle Zustimmung gegeben hatte, da dies nicht vorgesehen sei, hinter dem gefundenen Prozedere: „Einige finden die Lösung nicht gut, dass Dauerkarteninhaber bevorzugt werden und bei einem Teil-Zugang diejenigen Dauerkarteninhaber bevorzugt werden, die ihren Dauerkartenbetrag nicht zurückgefordert haben. Hier sind wir aber der Meinung, dass dieses Konzept zumindest vertretbar ist, weil Dauerkarteninhaber im Normalfall ja auch Vorrang vor Tageskartenkäufern haben, eben weil sie mit der Dauerkarte zu jedem Spiel kommen können. Hinzu kommt, dass sie dem Verein den Geldbetrag für die Dauerkarte vorab für die ganze Saison zur Verfügung stellen.“

Dass es auch andere Wege gibt, das Dilemma zwischen Dauerkarteninhaber*innen und eingeschränktem Zuschaueraufkommen in den Stadien aufzulösen, zeigt beispielsweise Werder Bremen. Die Ligakonkurrenz aus dem hohen Norden gibt nicht nur die Mehrwertsteuersenkung für das erste Halbjahr der Saison an die Fans weiter, sondern hat auch darüber hinaus ein faires Verfahren gewählt: „Es ist nach wie vor davon auszugehen, dass in dieser Saison auch Spiele stattfinden werden, in denen das (…) WESERSTADION nicht voll ausgelastet werden darf. In diesem Fall wird der SV Werder die Anzahl der Besucher*innen eines Heimspiels durch eine Verlosung unter allen Dauerkarten-Inhaber*innen ermitteln. Es wird versucht, den ausgelosten Dauerkarten-Inhaber*innen ein Ticket in der gleichen Preisklasse anzubieten“, heißt es auf der Werder-Homepage: „Um möglichst vielen Dauerkarten-Inhaber*innen die Chance auf den Besuch eines Heimspiels zu ermöglichen, werden Dauerkarten-Inhaber*innen, denen im vorangegangenen Heimspiel keine Plätze zugelost werden konnten, für das darauffolgende Heimspiel bevorzugt.“

Dass auch nicht zwingend das letzte Wort gesprochen sein muss, wenn eine Lösung öffentlich in die Kritik gerät, zeigt derweil Darmstadt 98: Die „Lilien“ hatten zunächst ein ähnliches Prozedere gewählt wie der 1. FC Köln, ruderten dann allerdings nach Gegenwind aus der eigenen Fanszene wieder zurück. „Zu wenig beachtet wurde bei dieser Entscheidung der Aspekt, dass dies als Aufforderung verstanden werden kann, vorab zahlen zu müssen, um überhaupt eine kleine Chance auf einen von wenigen Plätzen zu haben. Dieser Eindruck soll seitens des SVD nicht erweckt werden“, erklärte der Verein nach der Kritik aus den eigenen Reihen und passte das Verfahren spürbar an.

Darmstadt 98 rudert nach Kritik zurück

Alle Dauerkarteninhaber*innen werden, gleich welche Option sie für ihre Dauerkarte wählen, im gleichen Lostopf landen, falls das Stadion am Böllenfalltor nur teilweise gefüllt werden darf. „Darmstadt 98 ist überaus dankbar für die ihm entgegengebrachte Solidarität, die seine Fans in der abgelaufenen Saison gezeigt haben. Fußball ist ein Volkssport, zu dem alle Fans – unabhängig von ihrem sozialem Hintergrund – Zugang erlangen sollten. Uns alle eint die Hoffnung, die aktuelle Krisensituation weiter gemeinsam so gut wie möglich zu meistern und hoffentlich – ganz ohne Lostopf und irgendwelche Restriktionen – bald wieder gemeinsam im Stadion unsere Lilien lautstark und emotional anfeuern zu können.“

Eine ehrbare Entscheidung, die auch dem 1. FC Köln nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte. Stattdessen steht nun ein Verfahren im Raum, das nicht nur bei den eigenen Fans für Kopfschütteln gesorgt hat. Selbst die Verbraucherzentrale NRW kritisiert die gewählte Vorgehensweise: „Diese Regelung so zu machen, ist in jedem Fall verbraucherunfreundlich“, erklärte Rechtsanwalt Thomas Bradler gegenüber dem „Express“ und benannte bei der Kölner Variante als Problem: „Derjenige, der weniger Geld hat, wird dazu weniger bereit sein und derjenige, der mehr Geld hat, dem ist das vielleicht egal und der darf hinterher ins Stadion“, so der Verbraucherrechtsexperte.

“Diese Regelung so zu machen, ist in jedem Fall verbraucherunfreundlich.”

Noch ist allerdings unklar, wann wieder Zuschauer zugelassen werden – und wie viele. Unterschiedliche Modelle kursieren für Steh- und Sitzplatztribünen. Laut „kicker“ könnten gemäß DFL-Plan zwischen fast 15.000 und nahezu 22.000 Fans Einlass ins Müngersdorfer Stadion finden. Bis dahin bedarf es allerdings noch eine Menge Abstimmung: Mit den lokalen Behörden, zwischen den Bundesliga-Clubs und besonders mit den eigenen Fans.

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