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Rudelbildung

Timo Werners Schwalbe – legitimes Mittel oder Skandal?

Das Land diskutiert über Timo Werner – auch bei uns gehen die Meinungen auseinander. Kann man eine solche Aktion irgendwie vertreten oder ist sie zu ächten?

Thomas Reinscheid: Ich weiß nicht, ob man sich als effzeh-Fan da so weit aus dem Fenster lehnen sollte. Wir haben alle noch Petit und Mondragon im Gedächtnis, deren Aktionen auch teilweise weit über die Grenze des Erlaubten hinausgingen. Ich erinnere mich da beispielsweise an ein Spiel in Mainz, als der gute Faryd Jesus in der 27. Minute eine (längst überfällige) Gelbe Karte wegen Spielverzögerung bekommen hat. Ich glaube auch nicht, dass jemand Milivoje Novakovic böse war, als er in Stuttgart ziemlich leicht zu Fall kam. Das macht die moralische Entrüstung über Werner nicht weniger glaubwürdig, man sollte aber mit solchen Sachen wie “Liebesentzug” etc. vorsichtig sein. Beschämender als das Verhalten auf dem Platz ist allerdings das Verhalten danach: Bis auf Hasenhüttl (wahrscheinlich wegen seiner effzeh-Vergangenheit noch charakterlich gesund) war das einfach nur zum Fremdschämen, was da von sich gegeben wurde. Jedes weitere Wort über solch einen Kasper wie Ralf Rangnick, dessen Verhältnis zur Wahrheit ja ähnlich ist wie das von Werner zum Fair-Play, ist überflüssig. Was mir aber zu kurz kommt: Es war wieder Bastian Dankert, den wir alle noch vom Handröösen-Vorfall in bester Erinnerung haben. Hat sowas eigentlich mal Konsequenzen für einen Schiedsrichter?

David Schmitz: Man sollte auch nicht vergessen, dass unser Topstürmer vor kurzem auch mal etwas arg theatralisch zu Boden gegangen ist, wenn ich mich richtig erinnere. Beides sind Unarten, auch wenn das Abheben ohne Kontakt noch einmal verwerflicher ist, als das theatralische Ausnutzen eines ebensolchen. Aber na ja: Red Bull verleiht Flügel.

Thomas Reinscheid: Sehr, sehr grau ist diese Zone zwischen “clever” und “unfair”. Wenn Fährmann die Hände nicht direkt wegnimmt, trifft er Werner – und jeder redet darüber, dass er das Foul gut gezogen hat. Bleibt vor allem das Dilemma, dass sowas mehr lohnt als Standfestigkeit. Das Risiko ist gering, der mögliche Ertrag (wie in diesem Fall) riesig.

David Schmitz: Ja, und in drei Monaten interessiert es auch eben niemand mehr, ob Schwalbe oder nicht. Mit diesem Syndrom muss der Fußball – im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten – offenbar leben. Dass man sich auf dem Platz nicht gerade macht ist das eine, das was Leipzig aber danach abgeliefert hat – das ist die eigentliche Blamage. Rangnick raus, Videobeweis rein!

Thomas Reinscheid: Aber muss der Fußball damit leben? Warum ist das in anderen Sportarten nicht derart ausgeprägt und akzeptiert? Im Eishockey gibt es dafür, wenn ersichtlich, zwei Minuten, selbst bei einem gleichzeitigen Foul des Gegners. In der NBA wirst du für Flopping mit Geldstrafen belegt. Nur im Fußball scheint es irgendwie dazu zu gehören.

David Schmitz: Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Aber solange z.B. in der Sportschau beim Özbek-“Ausraster” in der 3. Liga nur von “im Stile Bud Spencers” in Bezug auf die Gesichtsgrabscher berichtet wird, aber nicht erwähnt wird, dass die Lotte-Spieler reihenweise in peinlichster Art und Weise zu Boden gehen, wird sich das wohl auch nicht ändern.

Gero Dieckmann: Wenn das im Fußball dazugehört und auch für Euch, die ich Euch allesamt sehr schätze, zwischen akzeptabel und “na ja” liegt, befinde ich mich in meiner Klarheit offenbar alleine am extremen Ende der Fansicht.

Thomas Reinscheid: Nein, ich finde das genauso scheiße wie du. Nur: Wenn du das so extrem siehst, sollte das auch für die Mondragons der Nation gelten – das war mein Punkt dabei. Ohne eine öffentliche Ächtung dieses Heulsusen-Verhaltens wird es nicht gehen.

David Schmitz: Aber nur durch Fremdscham ändert sich bei den Spielern eben auch nichts. Es braucht auch eine Ächtung – von der Liga, von Mitspielern, vom Trainer. Und nachträgliche Sperren.

Thomas Reinscheid: Ja. Vielleicht hat das Ganze ja auch etwas Gutes: Da es RB betrifft, potenziert sich die Abneigung gegen ein solches Verhalten. Vielleicht ist damit ein Anfang zu einer solchen Ächtungskultur gemacht.

David Schmitz: Und in fünf Jahren rühmt sich Rangnick dann damit, dass Leipzig und er Vorreiter der Ächtungskultur waren.

Gero Dieckmann: Memo an mich: Nehme beim nächsten Flug den Kotzbeutel mit nach Hause – Du könntest ihn bald brauchen!

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