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Spielerportraits

Modeste: Harter Arbeiter und Familienmensch

Einst unterschätzt, mittlerweile in aller Munde: Anthony Modeste ist aktuell einer der Topstürmer der Bundesliga. In seinem Heimatland Frankreich entwickelt er sich mehr und mehr zu einer Alternative für die Nationalmannschaft.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

14 Tore in 13 Saisonspielen, zusammen mit Pierre-Emerick Aubameyang an der Spitze der Torjägerliste in der Bundesliga – Anthony Modeste ist in bestechender Form. Seine gute Trefferquote sorgt in seinem Heimatland dafür, dass der einst unterschätzte Stürmer mittlerweile die Aufmerksamkeit bekommt, die er als einer der treffsichersten Angreifer des Kontinents verdient. Der Fernsehsender L’Équipe widmete Modeste einen Beitrag in der montäglichen Sendung L’Équipe Enquête, wo über die Gründe für seine Leistungsexplosion gesprochen wird.

Mit seinen mittlerweile 28 Jahren ist Modeste sicherlich kein Jungspund mehr, der gerade erst das Fußballgeschäft entdeckt bzw. von diesem entdeckt wird – vielmehr kann der Franzose schon auf die Erfahrung aus drei Ligen und mit drei verschiedenen Sprachen zurückgreifen. Nach seiner Zeit bei Girondins de Bordeaux, bei der er den Durchbruch nicht wirklich schaffte, folgte ein unglückliches halbes Jahr bei den Blackburn Rovers, welches in seiner Entwicklung nur insofern gewinnbringend war, dass er dort lernte, nicht aufzugeben und immer weiter an sich zu arbeiten. „Die Zeit in England war sehr schwer für mich, doch ich bin danach nach Frankreich zurückgekehrt und habe mir gesagt, dass ich einfach weiter arbeiten muss, um wieder aus diesem Loch herauszukommen“, gesteht Modeste gegenüber L’Équipe. Sein damaliges Tief ist aus heutiger Perspektive schwer vorstellbar.

In Köln endlich angekommen

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Das Credo des harten Arbeitens konnte er dann bei seiner Rückkehr nach Frankreich, genauer gesagt auf die Insel Korsika, unter Beweis stellen, wo er mit 17 Toren erstmals richtig auf sich aufmerksam machen konnte. Für Modeste war es entscheidend, dass er sich in der Stadt wohlfühlte, nette Leute kennenlernte – und vor allen Dingen auf den Rückhalt seiner Frau bauen konnte. Diese spielt zusammen mit den beiden Kindern (fünf und anderthalb Jahre) eine zentrale Rolle im Leben des Familienmenschen Modeste, der alleine aufgrund seiner Liebe zur Familie im Sommer das lukrative Angebot aus China ausschlug, wie er gegenüber L’Équipe verriet.

Mittlerweile ist davon nicht mehr die Rede, Modeste ist nach drei Jahren in Deutschland so richtig angekommen und beherrscht jetzt auch die Sprache. War seine Zeit in Hoffenheim noch etwas unstet, nimmt er seit 2015 die Rolle des Sturmführers in Köln an und füllt diese mehr als beeindruckend aus: 15 Tore in der Vorsaison sorgten wieder dafür, dass auch in Frankreich die ersten Experten wieder auf Modeste aufmerksam wurden. Doch erst sein raketenhafter Saisonstart im Jahr 2016 bringt ihn so richtig ins Scheinwerferlicht des Nachbarlandes, wo er mittlerweile als ernsthafte Alternative für die Nationalmannschaft gehandelt wird. Seine Torquote ist im Vergleich zu seinen Konkurrenten exzellent: die ihm von der Spielanlage ähnlichen Benzema, Giroud, Gameiro und Gignac bringen es insgesamt auf 19 Tore und damit nur fünf mehr als Modeste allein.

Das Stadion ist der zweitwichtigste Ort nach dem Garten. Es ist kein Zufall, dass ich bevorzugt vor der Nordkurve treffe, da sitzt meine Familie.

Von daher war es nicht überraschend, dass L’Équipe auf einen in sich ruhenden Stürmer traf, der das Leben in der Domstadt genießt und sich auf seine momentane Form verlassen kann. Genausowenig überrascht es, dass Modeste beim Bummel durch die Stadt nicht unentdeckt bleibt, was ihm in seiner Karriere nicht immer widerfuhr. Mittlerweile fühlt er sich jedoch in Köln so wohl, dass er sogar die heimische Gastronomie wertzuschätzen weiß, für seinen Geschmack natürlich nicht zu vergleichen mit der haute cuisine aus Frankreich. Doch auch Dinge wie Brezeln und Bratwürste treffen den Geschmack von Modeste, der an der Stadt Köln aber insbesondere den Karneval schätzt. Seine Verkleidung im letzten Jahr (Modeste erschien als Banane) brachte ihm zurecht einen Titel für das beste Motiv ein. Die Familie ist im Kölner Süden heimisch geworden, genauso wie es Anthony mittlerweile in den Strafräumen der Bundesliga ist. Der „zweitwichtigste Ort nach dem Garten“ sei das RheinEnergieStadion, in dem Modeste bevorzugt in das Tor vor der Nordkurve trifft. „Das ist kein Zufall, denn da sitzt meine Familie“, lacht die Nummer 27 des effzeh.

Modeste: Name passt zum Charakter

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Sein aktuelles Formhoch sei in erster Linie das Resultat von harter Arbeit, da er nach den Durststrecken in seiner Karriere gelernt habe, nie den Kopf in den Sand zu stecken, sondern immer weiter an sich zu arbeiten. Seine Frau bestätigt dies, in dem sie sagt, dass Modeste bei anderen immer zuerst die Stärken sehe, bei sich selbst jedoch nur die Schwächen. Deshalb passe sein Nachname (zu deutsch: bescheiden) sehr gut zu seinem Charakter, wie seine Frau im Gespräch mit L’Équipe bestätigt. Sein Eigenantrieb und die hohe Intensität im Training des 1. FC Köln haben aus ihm auch im fortgeschrittenen Fußballeralter einen besseren Spieler gemacht. Mittlerweile geht er im Trainingsbetrieb mehr an seine Grenzen und kann daher mehr von seinen ohnehin guten Anlagen (Körperbau, Athletik, Abschlussstärke) profitieren. Das Glück, sich in Stadt und Verein wohlzufühlen, habe er sich selbst durch diese harte Arbeit ermöglicht, er habe viele Anstrengungen unternommen, um das zu schaffen – von daher sei er momentan sehr glücklich in Köln.

Dass bisher die Nominierung für die Nationalmannschaft ausblieb, ficht ihn nicht sonderlich an: „Natürlich ist es ein Traum, für die Nationalmannschaft zu spielen, aber die Konkurrenz ist groß, die Spieler sind sehr stark. Ich möchte weiterhin meine Leistung bringen, weiter Tore schießen und den Rest warte ich ab. Alles zu seiner Zeit“, gibt sich Modeste betont zurückhaltend. Die Erfahrung von einigen unglücklichen Karrierestationen scheint ihm die nötige Reife gebracht zu haben, um in dieser Diskussion die Ruhe zu wahren und vor allen Dingen nicht die Medien dazu zu nutzen, auf sich aufmerksam zu machen. Dies tut er beständig auf dem Feld und Didier Deschamps wird sicherlich evaluieren, ob Modeste nicht im Frühjahr eine Option für die nächsten Länderspiele sein kann. Bis dahin bleibt allerdings noch Zeit, dem effzeh weiter durch Tore zu helfen.

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