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Spielerportraits

Gerhard Struber wird neuer Cheftrainer des 1. FC Köln: Mit RB-Fussball soll der Erfolg wiederkommen

Gerhard Struber heißt der neue Trainer des 1. FC Köln. Der 47-jährige Österreicher bringt reichlich Erfahrung und Überzeugungen aus dem Red-Bull-Kosmos mit und soll die Geißböcke wieder in die erste Liga führen.

Foto von PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP

Der siebte Abstieg der Vereinsgeschichte, die den Verein extrem lähmende Transfersperre, eine Opposition, die mittels feindlicher Übernahme versucht nach der Macht und den höchsten Ämtern im Verein zu greifen und unter der Woche ein Mitgliederstammtisch, welcher mit den handelnden Personen am Geißbockheim äußerst hart ins Gericht ging – der 1. FC Köln, er gleicht in diesem Sommer einem akut vom Schiffbruch bedrohten Tanker auf hoher See, welcher verzweifelt einen sicheren Hafen sucht.

Dabei helfen, das Schiff wieder seetüchtig zu machen und möglichst rasch Richtung Bundesliga zu steuern, soll Gerhard Struber. Der 47-jährige aus Kuchl im Salzburger Land wurde am Mittwoch als neuer Übungsleiter der Geißböcke vorgestellt und leitet ab sofort die sportlichen Geschicke in der Domstadt. Nach der Trennung von Steffen Baumgart im Dezember 2023 und dem anschließenden Missverständnis Timo Schultz ist er der vielleicht letzte Pfeil im Köcher von Geschäftsführer Sport Christian Keller.

Erst Spieler, dann Trainer – aber nicht ohne Umweg

Strubers Karriereweg als Trainer ist kein gewöhnlicher, auch wenn Fusßball in der Familie Struber immer schon einen hohen Stellenwert genoss. So war der Vater Amateurfußballer im Heimatdorf, und der Sohn schaffte es sogar bis in den Profibereich und kickte rund um die Jahrtausendwende unter anderem für Austria Salzburg, Admira Wacker und den LASK. Zwei Meistertitel mit Salzburg und drei Tore in 50 Bundesligaspielen stehen für den Mittelfeldspieler am Ende der Karriere in den Büchern, hinzu kommen 90 Spiele in der zweiten österreichischen Liga sowie diverse Einsätze in den Jugendnationalmannschaften Österreichs. „Damals war ja noch alles ein Stück weit passiver, die heutige aktivere Spielweise hätte ganz gut zu mir gepasst, weil ich eher dynamisch und antizipierend gespielt habe. Technisch war ich zugegeben maximal ein durchschnittlicher Kicker“, fasst Struber seine Spielerkarriere im Gespräch mit Red Bull Salzburg zusammen.

Foto von Juan Manuel Serrano Arce/Getty Images

Struber war also ein durchaus begabter Kicker – ohne Verletzungen wäre aber vielleicht noch mehr herauszuholen gewesen. Doch so fängt “Strubsi” nach zwei Kreuzbandrissen bereits mit Mitte 20 an, sich frühzeitig ein Standbein außerhalb des Fußballs aufzubauen, wird Referent am Wirtschaftskolleg mit Schwerpunkt Warenimport und -export sowie Wirtschafts- und Steuerrecht, arbeitet später auch in der Versicherungsbranche und kickt nur noch nebenbei im unterklassigen Bereich. “Man muss auch den einen oder anderen Umweg gehen“, so Struber später mal über diese Zeit. Er ist erfolgreich, macht bei der Allianz Karriere vom Kundenberater zum Gebietsleiter, eigentlich ist es eine leise und langsame Abwendung vom Fußball. „Es mag komisch klingen, aber das war tatsächlich der erste Schritt in Richtung meiner heutigen Trainerkarriere. Damals habe ich nämlich gemerkt, dass ich gerne mit Leuten arbeite und sie coache”, blickt Struber nach seinem Antritt bei Red Bull Salzburg 2023 zurück.

Doch der Fußball, er lässt ihn natürlich nicht los. Sein Heimatverein, der SV Kuchl meldet sich, befindet sich in Abstiegsnöten. Struber hilft aus, sie treffen im Rahmen eines Testspiels auf Red Bull Salzburg und die damaligen dortigen Macher Ralf Rangnick sowie Christoph Freund, die nach dem Spiel mit Struber in Kontakt treten und ihn überzeugen, es doch mal als Trainer im RB-Universum zu versuchen. Und so schlägt Struber mit ausdrücklicher Rückendeckung seiner Frau statt des krisensicheren Versicherungsbetriebs eine unsichere Trainerlaufbahn ein, arbeitet in unterschiedlichen Trainerfunktionen in Salzburg, sammelt Erfahrungen, wird 2015 schließlich Vollzeittrainer im Juniorenbereich und 2017 Cheftrainer beim FC Liefering, der zweiten Mannschaft der Salzburger.

Ausgerechnet in der Heimat in Salzburg funktioniert es nicht

Weiter geht es 2019 zum WAC in Wolfsberg und anschließend nach Barnsley, wo er jeweils sehr erfolgreich arbeitet und außerordentliche Erfolge feiert. Von den “Tykes” los kauft ihn Red Bull New York, für Struber heißt es also wieder zurück ins Red Bull Nest. Die Erfolge der letzten beiden Stationen kann er dort nicht wiederholen, seine Zeit endet im Frühjahr 2023 unrühmlich, als der belgische Spieler Dante Vanzeir in Diensten von New York während eines Spiels gegen San-Jose einen Gegenspieler rassistisch beleidigt. Es gibt Tumulte, Struber nimmt Vanzeir jedoch nicht direkt vom Platz, obwohl ihn der Trainer von San José darum bittet. „Es war auch für mich eine sehr, sehr neue Situation in meiner Trainerkarriere. Ich glaube, es ist nicht so einfach, immer alles richtigzumachen“, entschuldigt sich Struber später.

Foto von ERWIN SCHERIAU/APA/AFP

Im Juli 2023 steigt er im Red-Bull-Kosmos dennoch weiter auf und wird zum Cheftrainer der Salzburger befördert. Doch ausgerechnet in Salzburg funktioniert es dann überhaupt nicht. Zu groß die Herausforderung, extrem kurzfristig vor dem Saisonstart eine Mannschaft zu übernehmen, mit dem klaren Ziel, nicht nur den erfolgreichsten, sondern auch den schönsten, besten und überhaupt aufregendsten Fußball Österreichs zu spielen. Die Mannschaft fällt nach dem Gruppenaus in der Champions League im Herbst zwar nicht auseinander und steht vor allem in der Vorrunde defensiv kompakt, doch im Frühjahr gerät die Meisterschaft in Gefahr, das Halbfinale des heimischen Pokals geht ausgerechnet zu Hause gegen Meisterschaftskonkurrent Sturm Graz mit 3:4 verloren, anschließend holt man gegen Rapid nach einem Last-Minute-Gegentreffer daheim nur ein 1:1 und unterliegt dann nach erschreckender Leistung auch noch in Linz beim LASK mit 1:3. Eine miserable Serie für die erfolgsverwöhnten Salzburger, Struber wird auf dem ersten Platz liegend entlassen. Salzburg hilft die Trainerentlassung nicht, Sturm Graz wird am Ende dennoch Meister.

Was die Erwartungshaltung angeht lassen sich durchaus Parallelen ziehen zwischen Red Bull Salzburg und Bayern München. Die Anforderungen, die Gerhard Struber in Salzburg erfüllen sollte, waren in den Umständen entsprechend vermutlich kaum zu erfüllen. Denn die Mannschaft war im Umbruch, mit Manager Christoph Freund verließ sein Förderer und Fürsprecher die Salzburger kurz nach Strubers Antritt gen München und die Mannschaft hat in der entscheidenden Phase im Frühjahr nicht die nötige Mentalität. Ob und wie der Trainer dafür verantwortlich ist, darüber lässt sich immer lange philosophieren. Fest steht, das Scheitern ist erklärbar. Und dennoch ist es ein Scheitern. Am Ende steht eine Entlassung, die für Struber auch mental eine enorm schmerzhafte Niederlage sein muss. Salzburg ist sein Club, seine Stadt, der Verein verkörpert seine Spielidee.

„Ich bin Überzeugungstäter“

Folgt man Strubers fußballerischem Werdegang, so erkennt man schnell, dass die sportlichen Überzeugungen des Österreichers eindeutig im Red-Bull-Kosmos und bei Ralf Rangnicks Idee von Fußball beheimatet liegen. Auf dem Platz bedeutet dies vor allem ein Wort, welches die letzten 15 Jahre Fußballdeutschland dominierte: Gegenpressing, also das aggressive Anlaufen nach Ballverlust, anstatt sich zurückzuziehen. Hinzu kommt eine hohe Intensität im „normalen“ Pressing und viel Vertikalität im Angriff, also der Versuch den Ball schnell in die Spitzen zu bekommen, anstatt primär durch Ballbesitzfußball und Positionsspiel den Gegner zu knacken. Eine Philosophie, die auch die Geißböcke für sich entdeckt haben. Nicht umsonst betonte FC-Geschäftsführer Christian Keller bei der Verpflichtung auf der FC-Homepage, dass die „Passfähigkeit zur FC-Spielidee“ Strubers einer der ausschlaggebenden Gründe für eine Anstellung gewesen wären.

Foto von by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

“Ich bin ein Überzeugungstäter und will, dass die Fans wieder den Fußball erleben, für den wir stehen, wir sie mit proaktivem Fußball wieder mitreißen. Dafür braucht es eine klare Anleitung und Überzeugung am Platz, einen Matchplan, der den Jungs hilft, aber ihnen auch Freiheiten lässt“, so Struber nach seiner Berufung zum Cheftrainer der Salzburger letztes Jahr. In Köln wird er zu Beginn sehr ähnliche Sätze sagen und Erinnerungen an Steffen Baumgarts Zeit in Köln wecken können.

Denn das vor allem über Mentalität und Bereitschaft funktionierende hohe Anlaufen und permanente Stressen des Gegners, welches Baumgart erfolgreich nach Köln brachte, dass soll unter Struber nach Wunsch des Vereins in den kommenden Jahren verfeinert und auch in die Jugendmannschaften integriert werden. Ob der RB-Ansatz auch nach 15 Jahren noch an der Speerspitze der Entwicklung des Fußballs steht, darf jedoch bezweifelt werden. Ebenso aber ist es auch eine große Unbekannte, wie dogmatisch der Überzeugungstäter Struber letztlich an die Aufgabe 1. FC Köln herangeht und wie extrem er Jugendspieler einbaut. Köln ist für ihn die eine große Chance, sich im deutschsprachigen Raum bei einem großen Traditionsclub zu beweisen. Den nötigen Ehrgeiz sollte man Struber dabei nicht absprechen, seine berufliche Laufbahn zeigt bis dato einen hart arbeitenden Menschen, der zwar Umwege nimmt, sich jedoch am Ende bei seiner Leidenschaft wiederfindet. Vielleicht ist die ja eine Stadt, ein Umfeld wie Köln, etwas, das er bislang noch nicht erlebt haben dürfte. Wie erfolgreich und nachhaltig klassischer RB-Fußball in Köln sein wird und ob die Wahl des Cheftrainers den 1. FC Köln wieder in ruhigere Fahrwasser führt, dies werden die kommenden Monate zeigen.

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