Nach den Vorfällen beim Spiel zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig hatten wir bereits über die hysterische Berichterstattung berichtet. “Sky90” setzte dem Ganzen nun aber die Krone auf und wir müssen dafür in gewisserweise soar dankbar sein. Eine medienkritische Analyse des “Fußball-Live-Talks” vom Sonntagabend.
„Kontrovers, unterhaltsam, meinungsbildend“ soll dieses „Sky90“ also sein. Das steht zumindest in der Sendungsbeschreibung. Außerdem habe der „Fußball-Live-Talk“ regelmäßig „kompetente Gäste“ im Studio zu Gast. Na,das klingt doch gut, oder? Kann man sich mal geben, diese „aktuellste und exklusivste“ Talk-Sendung des deutschen Fußballs. Gesagt, getan.
Eins sei direkt mal angemerkt: Obwohl die 90 Minuten mit den Gästen Ralph Hasenhüttl, Celia Sasic, Markus Othmer und Guido Schäfer unterm Strich gar nichts mit kontroverser Meinungsbildung zu tun hatten, müssen wir „Sky“ für dieses Zeitdokument des deutschen Sportjournalismus auch ein bisschen dankbar sein. Denn selten wurde eindrucksvoller dokumentiert, wie distanzlos und undifferenziert die deutsche Sportpresse teilweise agiert. Thema des Abends war nämlich RB Leipzig. Also, genauer gesagt der Höhenflug ders sächsischen Bundesliga-Neulings. Den Club aus Leipzig zu thematisieren, wäre an sich ja auch kein Problem, wenn man sich der Thematik – wie journalistisch üblich – differenziert und mit professionellem Abstand annehmen würde. Bei „Sky90“ ging das am Sonntag in allen Hinsichten gründlichst in die Hose.
Bei „Sky“ hatte man sich dazu entschlossen, neben Leipzig-Trainer Ralph Hasenhüttl und Ex-Nationalspielerin Celia Sasic auch noch Guido Schäfer, Sportchef der „Leipziger Volkszeitung“, und Markus Othmer vom „Bayerischen Rundfunk“ einzuladen. Eine super Entscheidung!
Kritische Gäste in einer Talk-Runde? Nicht bei “Sky”
Patrick Wasserziehr | Foto: Adam Berry/Bongarts/Getty Images
Denn so lernte der geneigte Zuschauer nicht nur schnell, dass die „Sky90“-Redaktion einen Gast, der dem Fußballunternehmen des Brausegiganten „Red Bull“ kritisch gegenüber steht, für diese „meinungsbildende“ Talk-Runde offenbar für unangebracht hielt. Nein, es wurde zusätzlich auch noch deutlich, wie die beiden geladenen Sportjournalisten alte (und überaus sinnvolle) journalistische Grundregeln interpretieren. Besonders überzeugen konnte in dieser Disziplin der ehemalige Fußballer und einstweilige Sportreporter Guido Schäfer.
Aber zunächst noch einmal ein kleiner Grundlagen-Exkurs zu den goldenen Regeln des Journalismus. „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken.“ Fasste der ehemalige Tagesthemen-Moderator Hajo Friedrichs die wichtigsten Aspekt einst zusammen. Das ist praktisch, weil simpel. Und es ist praktisch, weil deutlich. Fangen wir der Chronologie wegen mal mit der öffentlichen Betroffenheit an.
Wann wurde #sky90 zu dieser unerträglichen Farce? Serviert endlich RedBull während der Sendung! Das wäre wenigstens ehrlich.
— Frank Vollmer (@KnarfRemllov) February 26, 2017
Denn diese Kerndisziplin des Journalismus geht bei Schäfer schon bei einem kleinen – inhaltlich wertlosen – Diskurs über die Angriffe auf Leipzig-Fans in Dortmund galant über den Jordan. „Da haben sich tausende Fans gefreut, endlich mal dieses Stadion zu sehen. Frauen, Kinder, auch Männer… und dann werden die da so behandelt, das ist grauenvoll“, führt der „LVZ“-Reporter zunächst aus und fügt dann hinzu: „Da sind auch viele, die leiden da heute noch drunter. Es gibt Kinder, die müssen zu Psychologen gehen.“ Ganz unabhängig davon, dass es natürlich inakzeptabel ist, was einigen RB-Fans in Dortmund widerfahren ist, könnte man tiefer in öffentliche Betroffenheit kaum noch versinken.
Die Sache mit dem Abstand zum journalistischen Gegenstand
Doch fast noch wichtiger und allumfassender für den Journalismus ist die Sache mit der „Distanz“. Aber auch die überlebt bei Schäfer nicht allzu lange. „Ich mag den Watzke übrigens gar nicht, der mag uns ja auch nicht, uns Leipziger“, sagt der LVZ-Mann und beweist damit, dass nicht nur die Betroffenheit noch steigerbar war, sondern der Abstand zum Objekt der Berichterstattung erschreckend gering zu sein scheint. „Er hat gezündelt“, findet Schäfer, immer noch in Bezug auf die Vorfälle in Dortmund. „Eine gewisse Legitimation für die Idioten hat er schon geliefert.“ Das inhaltliche Problem der Aussagen? BVB-Boss Hans-Joachim Watzke hat das Leipziger Vereinsmodell in der Vergangenheit sachlich kritisiert, mehr nicht. Die Vorwürfe sind also aus der Luft gegriffen.
Dennoch folgen weitere angriffslustige Aussagen, die das merkwürdige und journalistisch unzulässige „Wir“-Gefühl, das den LVZ-Mann mit dem Leipziger Club verbindet, offenbart. Exemplarisch: „Der teuerste Fanartikel, der je verkauft wurde, war die BVB-Aktie. Ich glaube, der BVB hat alleine mit der Aktie schon einiges verbrochen, was wir in Leipzig gar nicht hinbekommen.“ Rummms.
Auf der nächsten Seite: Keine kritischen Fragen und journalistische Kontrollverluste
Aber kehren wir erst einmal kurz zurück zum Problem mit der öffentlichen Betroffenheit, denn in der Hinsicht ist auch der etwas lethargische Othmer plötzlich hellwach. „Was Watzke vor dem Spiel gemacht, geht in die gleiche Richtung wie bei Uli Hoeneß“, erklärt der „BR“-Journalist also – der Bayern-Präsident hatte die Leipziger einst als „Feind“ tituliert. „Wenn man spürt, da sind Aggressionen gegen einen Verein, dann muss man sich überlegen wie man damit umgeht, das war definitiv ein falsches Signal“, heißt es weiter in Richtung Dortmund. Sachliche Kritik wäre dieser Logik folgend nur dann in Ordnung, wenn das, was man kritisiert, gerade nicht unbeliebt ist. Merkt ihr selbst, oder? Ist Othmer aber freilich egal: „Ob kausaler Zusammenhang oder nicht.“
Sky90 und RB: Keine kritischen Fragen
Ralph Hasenhüttl | Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images
Hasenhüttl wünscht sich derweil einen „sportlichen Wettkampf“, lässt die Frage, wie sportlich ein Wettkampf denn ist, wenn ein Aufsteiger über 50 Mio. Euro ausgibt, aber natürlich galant unter den Tisch fallen. Nicht, dass sie ihm einer der anwesenden Journalisten jemals gestellt hätte. Der RB-Trainer hätte sich diese überaus naheliegende Frage im “meinungsbildenden” Fußball-Talk bei “Sky” wenn dann selbst stellen müssen – wer will’s ihm verdenken, dass er das lieber bleiben ließ. Fast noch erstaunlicher als die journalistischen Samtpfoten ist aber, dass ausgerechnet Hasenhüttl darauf hinweisen musste, dass es Gewaltvorfälle im Fußball nicht nur gibt, wenn Leipzig beteiligt ist und somit als einziger Teilnehmer der Runde fast schon bemüht war, die Betroffensheitsduselei weg von RB zu lenken.
Doch dieser helle Gedanke verglühte natürlich schnell am dunklen Fernsehfirmament. „Wenn RB Leipzig diese Saison nicht da wäre, wäre Bayern jetzt schon Meister“, zeigt sich nun nämlich auch Othmer entzückt vom Leipziger Fußballtraum mit Gummibärchengeschmack. Aber Schäfer wäre nicht Schäfer, wenn er da nicht noch einen drauf setzen würde. „Ist doch klar, dass die Bayern diese Saison noch einmal Meister werden, aber das war‘s dann auch.“
#sky90 Der Herr Schäfer ist vom neutralen Journalismus weit entfernt. Er kann keine Kritik über Leipzig vertragen und wird leicht ausfallend
— Marvin (@FcMarvin2000) February 26, 2017
Passend zu dieser Ankündigung ging es in der Sendung dann übrigens mit einem schönen Filmchen über RB und der ausgiebigen (natürlich sehr positiven) Analyse des sehenswerten Leipziger Fußballs weiter, die in einem launigen, aber natürlich komplett distanzlosen Vortrag von Schäfer endete. „Die Spieler laufen jetzt zwölf Kilometer pro Spiel, Ralph. Da hast Du mir mal gesagt, das hast Du früher auch geschafft, mit der Anreise vom Hotel inbegriffen.“ Witzig.
“Hatern eine schlaflose Nacht bereiten”
Dann erklärt der „LVZ“-Mann noch, dass Leipzig und Salzburg natürlich beide Champions-League spielen dürften. Er könne da alle Fans beruhigen, und den „Hatern eine schlaflose Nacht bereiten“, denn die beiden Clubs seien „faktisch getrennt.“ Nehmt das, ihr Kritiker! Selbst für einen lokalen Sportreporter, ist das ein Ausmaß an Identifikation, das eine vernünftige Berichterstattung über den Club komplett unmöglich macht.
@schfer_g muss in der Werbesendung für @DieRotenBullen von @SkySportDE auf seinen Beruf hingewiesen werden. Wahnsinn. #sky90
— Patrick Niedel (@PatteFohlen) February 26, 2017
„Sie sind doch nicht Teil des Vereins, sie sind Journalist“, hakt Moderator Patrick Wasserziehr (beruhigenderweise) nach. „Nein, aber ich wäre gerne auf dieser Payroll“, lautet die so ehrliche wie erschreckende Antwort. „Wir haben solange nur das Elend verwaltet, dann hat sich Herr Mateschitz entschieden nach Leipzig zu gehen und wir haben ihm den roten Teppich ausgerollt“, führt Schäfer weiter aus. Und dann das: „Auch als Zeitung haben wir nicht immer nachgefragt, ob die Daseinsberechtigung da ist.“ Puh. Aber wichtiger ist für den Leipziger Lokalreporter ohnehin: „Ich sehe jetzt Bundesliga, ich sehe 40.000 Zuschauer bei den Heimspielen, ich sehe friedliche Fußballfeste.“ Wie war das noch gleich? Man solle nicht mit einer Sache gemein machen, auch nicht wenn man sie gut findet? Diese Grundregel stirbt spätestens an dieser Stelle dann auch ihren leisen, qualvollen Tod.
“Leipzig macht einen verdammt großartigen Job für den Osten”
Es folgte natürlich noch die obligatorische Traditionsdebatte, die mit der Kritik an RB zwar überhaupt nichts zu tun hat, sich aber prima eignet, um von eben dieser abzulenken. Auszüge aus diesem Diskussionsteil möchten wir uns und Euch, liebe Leser, daher ersparen. Bevor die illustre Runde dann aber zum Ende kommt, wird noch das passende Fazit gesucht. Und was würde zu einer völlig distanzlos-unkritischen Sendung wie „Sky90“ besser passen als ein positiv-begeistertes Resümee. „RB Leipzig macht einen verdammt großartigen Job für den Osten der Republik“, erklärt Othmer also und Wasserziehr schließt mit der Erkenntnis, dass nun eben die Traditionsvereine gefordert seien, nachzuziehen. „Das ist doch eigentlich sehr spannend und belebt die Bundesliga“, findet der Sky-Moderator. Friede, Freude, Eierkuchen.
So sieht er also aus, der kontroverse, meinungsbildende und moderne Sportjournalismus von „Sky“. Das einzige positive an der Sendung? Der arme Hajo Friedrichs musste das gestern nicht mehr miterleben – der Journalist starb im Jahr 1995, lange bevor es Red Bull Leipzig gab.