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Meinung

Wie “Sky90” das Ausmaß der Distanzlosigkeit im deutschen Sportjournalismus offenbart

Nach den Vorfällen beim Spiel zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig hatten wir bereits über die hysterische Berichterstattung berichtet. “Sky90” setzte dem Ganzen nun aber die Krone auf und wir müssen dafür in gewisserweise soar dankbar sein. Eine medienkritische Analyse des “Fußball-Live-Talks” vom Sonntagabend.

Foto: Thorsten Wagner/Bongarts/Getty Images

Aber kehren wir erst einmal kurz zurück zum Problem mit der öffentlichen Betroffenheit, denn in der Hinsicht ist auch der etwas lethargische Othmer plötzlich hellwach. „Was Watzke vor dem Spiel gemacht, geht in die gleiche Richtung wie bei Uli Hoeneß“, erklärt der „BR“-Journalist also – der Bayern-Präsident hatte die Leipziger einst als „Feind“ tituliert. „Wenn man spürt, da sind Aggressionen gegen einen Verein, dann muss man sich überlegen wie man damit umgeht, das war definitiv ein falsches Signal“, heißt es weiter in Richtung Dortmund. Sachliche Kritik wäre dieser Logik folgend nur dann in Ordnung, wenn das, was man kritisiert, gerade nicht unbeliebt ist. Merkt ihr selbst, oder? Ist Othmer aber freilich egal: „Ob kausaler Zusammenhang oder nicht.“

Sky90 und RB: Keine kritischen Fragen

Ralph Hasenhüttl | Foto: Ronny Hartmann/Bongarts/Getty Images

Hasenhüttl wünscht sich derweil einen „sportlichen Wettkampf“, lässt die Frage, wie sportlich ein Wettkampf denn ist, wenn ein Aufsteiger über 50 Mio. Euro ausgibt, aber natürlich galant unter den Tisch fallen. Nicht, dass sie ihm einer der anwesenden Journalisten jemals gestellt hätte. Der RB-Trainer hätte sich diese überaus naheliegende Frage im “meinungsbildenden” Fußball-Talk bei “Sky” wenn dann selbst stellen müssen – wer will’s ihm verdenken, dass er das lieber bleiben ließ. Fast noch erstaunlicher als die journalistischen Samtpfoten ist aber, dass ausgerechnet Hasenhüttl darauf hinweisen musste, dass es Gewaltvorfälle im Fußball nicht nur gibt, wenn Leipzig beteiligt ist und somit als einziger Teilnehmer der Runde fast schon bemüht war, die Betroffensheitsduselei weg von RB zu lenken.

Doch dieser helle Gedanke verglühte natürlich schnell am dunklen Fernsehfirmament. „Wenn RB Leipzig diese Saison nicht da wäre, wäre Bayern jetzt schon Meister“, zeigt sich nun nämlich auch Othmer entzückt vom Leipziger Fußballtraum mit Gummibärchengeschmack. Aber Schäfer wäre nicht Schäfer, wenn er da nicht noch einen drauf setzen würde. „Ist doch klar, dass die Bayern diese Saison noch einmal Meister werden, aber das war‘s dann auch.“

Passend zu dieser Ankündigung ging es in der Sendung dann übrigens mit einem schönen Filmchen über RB und der ausgiebigen (natürlich sehr positiven) Analyse des sehenswerten Leipziger Fußballs weiter, die in einem launigen, aber natürlich komplett distanzlosen Vortrag von Schäfer endete. „Die Spieler laufen jetzt zwölf Kilometer pro Spiel, Ralph. Da hast Du mir mal gesagt, das hast Du früher auch geschafft, mit der Anreise vom Hotel inbegriffen.“ Witzig.

“Hatern eine schlaflose Nacht bereiten”

Dann erklärt der „LVZ“-Mann noch, dass Leipzig und Salzburg natürlich beide Champions-League spielen dürften. Er könne da alle Fans beruhigen, und den „Hatern eine schlaflose Nacht bereiten“, denn die beiden Clubs seien „faktisch getrennt.“ Nehmt das, ihr Kritiker! Selbst für einen lokalen Sportreporter, ist das ein Ausmaß an Identifikation, das eine vernünftige Berichterstattung über den Club komplett unmöglich macht.

„Sie sind doch nicht Teil des Vereins, sie sind Journalist“, hakt Moderator Patrick Wasserziehr (beruhigenderweise) nach. „Nein, aber ich wäre gerne auf dieser Payroll“, lautet die so ehrliche wie erschreckende Antwort. „Wir haben solange nur das Elend verwaltet, dann hat sich Herr Mateschitz entschieden nach Leipzig zu gehen und wir haben ihm den roten Teppich ausgerollt“, führt Schäfer weiter aus. Und dann das: „Auch als Zeitung haben wir nicht immer nachgefragt, ob die Daseinsberechtigung da ist.“ Puh. Aber wichtiger ist für den Leipziger Lokalreporter ohnehin: „Ich sehe jetzt Bundesliga, ich sehe 40.000 Zuschauer bei den Heimspielen, ich sehe friedliche Fußballfeste.“ Wie war das noch gleich? Man solle nicht mit einer Sache gemein machen, auch nicht wenn man sie gut findet? Diese Grundregel stirbt spätestens an dieser Stelle dann auch ihren leisen, qualvollen Tod.

“Leipzig macht einen verdammt großartigen Job für den Osten”

Es folgte natürlich noch die obligatorische Traditionsdebatte, die mit der Kritik an RB zwar überhaupt nichts zu tun hat, sich aber prima eignet, um von eben dieser abzulenken. Auszüge aus diesem Diskussionsteil möchten wir uns und Euch, liebe Leser, daher ersparen. Bevor die illustre Runde dann aber zum Ende kommt, wird noch das passende Fazit gesucht. Und was würde zu einer völlig distanzlos-unkritischen Sendung wie „Sky90“ besser passen als ein positiv-begeistertes Resümee. „RB Leipzig macht einen verdammt großartigen Job für den Osten der Republik“, erklärt Othmer also und Wasserziehr schließt mit der Erkenntnis, dass nun eben die Traditionsvereine gefordert seien, nachzuziehen. „Das ist doch eigentlich sehr spannend und belebt die Bundesliga“, findet der Sky-Moderator. Friede, Freude, Eierkuchen.

So sieht er also aus, der kontroverse, meinungsbildende und moderne Sportjournalismus von „Sky“. Das einzige positive an der Sendung? Der arme Hajo Friedrichs musste das gestern nicht mehr miterleben – der Journalist starb im Jahr 1995, lange bevor es Red Bull Leipzig gab.

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