Vincent Koziello verstärkt etwas überraschend den 1. FC Köln bei der Aufholjagd im Abstiegskampf. Doch wer ist das überhaupt? Wir stellen Euch den französischen Neuzugang näher vor.
Zu Beginn des Textes ein kleiner Disclaimer: Als Vincent Koziello im November 2014 gegen Lyon sein Debüt gab, lebte der Verfasser dieses Textes noch in Frankreich und beschäftigte sich dort mit großem Interesse mit der Ligue 1. Wie der Zufall es so will, wurde natürlich auch Koziellos erster Einsatz verfolgt – dieser ist deshalb in Erinnerung geblieben, weil Koziellos körperliches Erscheinungsbild im Profifußball sehr ungewöhnlich ist. Beim Stand von 1:1 wurde er in der 71. Minute für Grégoire Puel (den Nachnamen sollte man sich merken) eingewechselt, Lyon gewann schlussendlich mit 3:1.
Eigentlich kein Spiel, an das man sich sonderlich lange erinnert. Aber wenn ein 19-Jähriger eingewechselt wird, der damals 58 Kilogramm auf 1,68m Körpergröße verteilt und dazu noch wie ein Achtklässler aussieht (zumindest damals), ist das etwas Außergewöhnliches. Im modernen und sehr athletischen Fußball der Neuzeit sind diese Art von Spielern rar gesät – bekanntestes Beispiel dieser Physiognomie ist vielleicht der Spanier Andrés Iniesta, der weder Modellathlet noch Gladiator ist, aber dennoch zur Weltklasse gehört und mittlerweile in Ehren ergraut ist.
Ein besonderer Transfer für den 1. FC Köln
So weit ist Vincent Koziello zwar noch lange nicht, für den 1. FC Köln ist dieser Transfer dennoch etwas Besonderes – vor ungefähr zwei Jahren galt der Franzose nämlich noch als einer der hellsten aufgehenden Sterne im Nachbarland. Unter Trainer Claude Puel, dessen Sohn Grégoire anlässlich des Debüts von Koziello ausgewechselt wurde, entwickelte sich der zentrale Mittelfeldmann zu einem der am meisten eingesetzten U21-Spieler in den großen fünf europäischen Ligen. Nur ein gewisser Anthony Martial, heute bei Manchester United unter Vertrag, lag in Bezug auf Einsatzzeiten noch vor ihm.
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Auch die Leistungsdaten Koziellos wussten zu überzeugen: In seiner ersten richtigen Saison, dem Spieljahr 2015/2016, kam der viermalige U21-Nationalspieler auf drei Tore und sechs Vorlagen in insgesamt 37 Spielen. Claude Puel entwickelte im Südosten des Hexagone eine aufregende Mannschaft, die ansprechenden Offensivfußball spielte und mit Hatem Ben Arfa, Alassane Pléa und Papy Mendy Spieler in den eigenen Reihen hatte, nach denen sich bald ganz Europa die Finger lecken sollte. Nizza wurde am Ende der Saison Vierter, spielte aber mit den attraktivsten Fußball in Frankreich.
“Feingliedrig wie stark” – Koziello macht auf sich aufmerksam
Vincent Koziello war zu dieser Zeit ebenfalls ein ganz heißes Eisen, dessen Karriere gerade erst begonnen hatte – große Vereine begannen sich für ihn zu interessieren, von der englischen Boulevardpresse wurde er gewohnt sachlich als “neuer Iniesta” beschrieben, daher auch das Beispiel zu Beginn des Artikels. Doch auch in der französischen Presse waren Elogen auf den Rechtsfuß zu lesen. “Genauso feingliedrig wie stark – so eine Zusammenfassung über Koziello”, schrieb beispielsweise “France Football”. “Einmal mehr konnte Koziello brillieren. Als würde nichts diesen Aufstieg des Mittelfeldspielers mit dem Engelsgesicht bremsen können”, hieß es bei “Le Figaro”. Sein Trainer Puel sagte damals über ihn: “Was man sehen konnte, ist das Resultat eines langen Prozesses von Grundlagenarbeit, der vor dreieinhalb Jahren (Anm. d. Verf.: Damit ist das Jahr 2013 und Koziellos Ankunft in Nizza gemeint) begonnen hat.”
Foto: Francesco Pecoraro/Getty Images
Geboren wurde der spielstarke Mittelfeldspieler im Oktober 1995 in Grasse, der Welthauptstadt des Parfums, bestens bekannt aus dem gleichnamigen Buch von Patrick Süskind – und nur 40 Kilometer von Nizza entfernt. Seine fußballerische Ausbildung erhielt Koziello zwischen 2006 und 2013 bei AS Cannes, wo unter anderem Zinédine Zidane, Patrick Vieira und Johan Micoud, sicherlich nicht die schlechtesten französischen Mittelfeldspieler, zur Profi ausgebildet wurden. Im Jahr 2013 wechselte der talentierte Youngster dann in die U19 zu OGC Nizza. Franck Sale, Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum, erinnert sich in einem Interview mit “SoFoot”: “Ich habe ihn in Cannes spielen sehen, da war er ein noch kleinerer Hänfling als heute. Er hatte dort Schwierigkeiten, weil es eine sehr körperliche Liga war, mit wenig Kurzpassspiel am Boden. Er hat nur wenig gespielt, aber wenn er den Ball hatte, sah man sofort seine Qualität.”
“Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden”
Dass in Nizza seit 2007 die Ausbildung dahingehend verändert wurde, bereits in den Jugendmannschaften Ballbesitzfußball zu spielen, kam dem jungen Kicker also entgegen. Denn eines steht fest: Wenn man mit 58 Kilogramm Körpergewicht nicht über das robuste Element kommen kann, muss man andere Qualitäten entwickeln. Oftmals ist es so, dass körperlich benachteiligte Spieler in anderen Bereichen überdurchschnittliche Qualitäten entwickeln, was sich auch bei Koziello bestätigen sollte. Seine Fähigkeiten am Ball und seine hohe Spielintelligenz sind ein Zeugnis davon. “In Frankreich muss man etwas besser sein als die Anderen, wenn man so einen Körper hat wie ich”, gestand er “France Football” in einem Interview. Dementsprechend bildete er seine Stärken aus, die insbesondere in der Ballverarbeitung, im Passspiel und im Spielverständnis liegen.
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Doch auch abseits des Platzes scheint der nun 22-Jährige bestens zurechtzukommen: Neben der fußballerischen Ausbildung legte er gleichzeitig ein sehr gutes Abitur mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften ab. Danach nahm er ein Studium an der Universität in Nizza auf, er wählte das Fach Englisch. Das dürfte ihm nun in der Kommunikation mit Trainern und Spielern beim 1. FC Köln helfen. Er selbst sehe sich jedoch nicht als Intellektueller, betonte er gegenüber “France Football”, da auch in Frankreich dieses Etikett sehr schnell an Fußballer angehängt wird, die neben dem Sport noch studieren. “Ich stehe mit beiden Füßen auf dem Boden, ich habe keine Lust darauf, damit anzugeben, was ich gemacht habe. Noch weniger darauf, ein Eingebildeter zu sein. An der Uni weiß fast niemand, dass ich bei Nizza spiele. Unbekannt sein, das ist nett”, befand er gegenüber dem französischen Magazin.
Auf der nächsten Seite: Koziello, der Musterprofi, wechselt nach Köln.
Musterprofi mit großem Ehrgeiz
Koziello galt darüber hinaus sportlich als Musterprofi in Nizza: Nach dem Training war er meistens derjenige, der die Umkleidekabinen abgeschlossen hatte. “Es kommt vor, dass ich später fertig werde, weil ich viel Muskelaufbau mache und auf der Massagebank liege. Das gehört zum Profileben dazu und man muss da durch, um seine Leistung bringen zu können und den Erwartungen gerecht zu werden”, offenbarte er im Gespräch mit “France Football”. Bereits nach seiner Ankunft in Nizza, damals noch als Jugendspieler, wurde ihm von Franck Sale ein hohes Arbeitsethos bescheinigt. “Als ich ihm zu verstehen gegeben habe, dass er zulegen muss, was Gewicht und Ausdauer angeht, hat er mir die Hand geschüttelt und gesagt: ‘Ich werde professionell sein.’ Das hab ich schon oft gehört, aber es war das erste Mal, dass ich einem Jungen aufs Wort geglaubt habe.”
Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images
Diese Ehrgeiz führte Koziello dann zu mehr als 100 Spielen für Nizza in etwas mehr als drei Jahren. Sein Förderer Puel verließ den Verein im Jahr 2016, für ihn heuerte mit Lucien Favre ein Altbekannter aus der Bundesliga an. Für den Youngster war dies erst einmal nicht dramatisch, wie er gegenüber “Goal” bestätigte: “Ich war ziemlich zuversichtlich, die Mannschaft war nach wie vor in konstanter Entwicklung und das sah man auch zu Beginn der Saison. Wir haben einen großartigen Trainer verloren, aber einen anderen gefunden. Große Spieler sind gegangen, andere sind gekommen. Selbst wenn die taktische Systeme sich geändert haben, der Spielstil ist immer noch derselbe. Es gab einen Wechsel, ja, aber nur in der Kontinuität”, erklärte Koziello.
Besuch beim Derby gibt den letzten Impuls
Und dennoch: Nachdem er unter Favres Leitung im ersten Jahr noch zu 34 Spielen wettbewerbsübergreifend kam (Nizza erreichte erneut Platz vier, dieses Mal mit Mario Balotelli), sank er zunehmende in der Gunst des Schweizers, was sich in fehlenden Einsatzzeiten seit Herbst manifestierte. Der letzte wirkliche Einsatz datiert vom 29. November, als Koziello eine Stunde gegen Toulouse ran durfte. Seitdem reichte es nur noch zu zwei Kurzeinsätzen in der Liga, am vergangenen Wochenende saß Koziello im Heimspiel gegen Amiens auf der Bank.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wurde Favre befragt, ob er die Tür für einen Transfer seines Mittelfeldspielers schließe, was der Schweizer verneinte. Bei einem guten Angebot, so signalisierte der einstige Coach von Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC, sei er gesprächsbereit. Danach ging alles ganz schnell: Koziello weilte bereits am Sonntag in Köln, verfolgte dort das Derby gegen Mönchengladbach und konnte sich von der Stimmung im Müngersdorfer Stadion überzeugen. Am Montag absolvierte er die obligatorischen medizinischen Untersuchungen, bevor am Tag danach sein Transfer endgültig bekanntgegeben wurde.
Vincent Koziello: Has a better pass success rate (94.1%) than any other Ligue 1 player to make 15 or more appearances this season
Full player stats — https://t.co/aWj0qqivRX pic.twitter.com/BqqDIt4BUB
— WhoScored.com (@WhoScored) January 15, 2018
Bleibt nur noch die Frage zu klären, warum ein ehemaliger Shootingstar des französischen Fußballs etwa zwei Jahre nach Beginn des Hypes und zugegebenermaßen der ersten etwas längeren Periode ohne große Erfolgserlebnisse sofort zu einem Tabellenletzten in ein fremdes Land wechselt – und das für die kolportierte Ablösesumme von lediglich drei Millionen Euro. Es ist davon auszugehen, dass viele von Koziellos ehemaligen Kollegen eine Rolle gespielt haben dürften, wenn man bedenkt, wer mit ihm in der U21 gespielt hat. Corentin Tolisso, Jean-Philippe Gbamin, Kingsley Coman, Abdou Diallo, Benjamin Pavard und Jean-Kévin Augustin sind allesamt ehemalige französische Junioren-Nationalspieler, die aus der Heimat über den Rhein in die Bundesliga gewechselt sind – sie alle dürften ihm dazu geraten haben, in eine Liga zu wechseln, in der man sich einerseits sehr für seine Dienste interessiert und in der andererseits der Fußball einen hohen Stellenwert genießt.
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Ein Spielertyp, der dem 1. FC Köln fehlt
Dadurch, dass Koziello bei Nizza zuletzt nicht mehr zu seinen Einsatzzeiten kam, hätte man denken können, dass es vielleicht schon den ein oder anderen Interessenten aus Frankreich geben würde – bis auf St. Étienne schien das allerdings nicht der Fall zu sein. Und somit schien es durchaus zu einer realistischen Option zu werden, nach Köln zu wechseln, auch wenn der effzeh momentan auf Rang 18 liegt und mit großer Wahrscheinlichkeit in der kommenden Saison in der zweiten Liga spielt. Lucien Favre wird Koziello bei seiner Entscheidung wohl auch dahingehend unterstützt haben, denn er ist mit der Bundesliga bestens vertraut.
u17 der as cannes vor ein paar jahren
suchbild: wo ist koziello? pic.twitter.com/sOJ4Id7HFS
— Arne (@steinberg_arne) January 15, 2018
Mit dem effzeh spielt Koziello nun in einer Mannschaft, in der gerade im Spiel nach vorne im Übergangsbereich zwischen Defensive und Offensive ein Spielertyp fehlt, der sich gut in den Zwischenräumen bewegt und dort die Ballzirkulation aufrechterhält. Vom Spielerprofil her scheint Koziello genau in den Bedarf zu passen, der beim 1. FC Köln über Jahre missachtet wurde. Prinzipiell ist es dabei egal, ob der Franzose auf der 6, 8 oder 10 eingesetzt wird – wichtig ist, dass er sich mit dem Ball am Fuß um konstruktive Lösungen kümmern kann. Davon wird man sich beginnend mit dem Auswärtsspiel beim Hamburger SV dann hoffentlich überzeugen können – wenn der Hänfling mit dem Engelsgesicht endlich mit dem Geißbock auf der Brust spielt.