Die Kooperation des effzeh mit dem FC Liaoning war für unseren Autor der Anlass, sich mal näher mit Chinas Plänen für den Fußball auseinanderzusetzen. In unserem Longread werden die chinesischen Ambitionen, eine fußballerische Supermacht zu werden, näher beleuchtet.
Die verstärkten Aktivitäten aus China auf dem Fußballsektor wirken auf die Europäer nach wie vor befremdlich. Seitdem chinesische Fußballvereine immense Summen in die Verpflichtung starker Spieler investieren, steigt bei den Spitzenklubs in Europa die Nervosität spürbar an. In Deutschland werden dagegen von höchster politischer Stelle Kooperationsvereinbarungen auf Staatsebene geschlossen, auch viele Vereine – darunter auch der effzeh – ziehen mit. Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen zeigt, dass Chinas Pläne beginnen, eine ungeheure fußballerische Wucht zu entfalten. Der Umgang mit den chinesischen Ambitionen wird europaweit jedoch sehr unterschiedlich und nicht einheitlich gehandhabt.
Ende November empfing der effzeh Besuch von hoher Bedeutung. Doch nicht Wolfgang Overath kam ans Geißbockheim, um über Versöhnung zu sprechen, sondern Liu Yandong, die stellvertretende Ministerpräsidentin Chinas, samt Delegation machte – begleitet von den wichtigsten deutschen Fußballfunktionären des DFB und der DFL – ihre Aufwartung im Grüngürtel. Eigentlich sollte das Treffen in München stattfinden, aber die Chinesin wollte sich im Anschluss noch den Kölner Dom ansehen – da blieb den hohen Herren des deutschen Fußballs nichts anderes übrig, als das Treffen nach Köln zu verlagern. Nach entsprechend aufwändiger Umdekorierung der Klettenberger Räumlichkeiten war das dann auch möglich.
Kooperation zwischen Deutschland und China
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Anlass des Treffens war eine kürzlich zwischen den Regierungen Deutschlands und Chinas geschlossene Kooperation, die die künftige Zusammenarbeit beider Länder bezüglich fußballerischer Angelegenheiten regelt. Diese Vereinbarung ist auf fünf Jahre angelegt. Welch große Bedeutung die Bundesregierung ihr beimisst, zeigt sich daran, dass sowohl die Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch ihr Kanzleramtsminister Peter Altmaier bei der Unterzeichnung anwesend waren. DFL-Präsident Reinhard Rauball frohlockte im Kölner Stadt-Anzeiger, dass es eine solche Kooperation “in der ganzen Welt” noch nicht gegeben habe.
Wie der politische Wille den Fußball beeinflusst hat
Der Hauptgrund für das stark gestiegene chinesische Interesse am schönsten Spiel der Welt ist die Begeisterung des aktuellen Staatspräsidenten für ebenjenes. Bereits 2011, als Xi Jinping noch nicht der stärkste Mann im Land war, antwortete er auf die Frage nach seinen drei sehnlichsten Wünschen: erstens, die Qualifikation zu einer Fußball-WM schaffen; zweitens, eine Fußball-WM auszurichten; drittens, eine Fußball-WM zu gewinnen. Einige Spekulationen deuten heute darauf hin, dass die Stärkung des nationalen Fußballs auch zur Erhöhung des chinesischen Nationalgefühls dienen soll, da der Fußball die Bevölkerung begeisterungsfähiger macht als die meisten anderen Sportarten. Angesichts der gegenwärtigen Platzierung des Landes auf der FIFA-Weltrangliste (82.) erscheint aber vor allem ein WM-Sieg auf absehbare Zeit extrem unrealistisch.
Die “Wiederbelebung des chinesischen Fußballs”
Doch was in China per Staatsdekret möglich ist, verdeutlichen die Bestrebungen im Fußball. Im Februar 2015 befahl Xi die “Wiederbelebung des chinesischen Fußballs”. Diese Wiederbelebungsmaßnahmen, ein 50 Punkte umfassender Aktionsplan, sahen unter anderem vor, bis 2017 20.000 Grund- und Mittelschulen zu Fußballschwerpunktschulen umzufunktionieren (2025 sollen es 50.000 sein), bis zu jenem Jahr 100.000 neue Fußballspieler heranzuziehen und noch 2015 6.000 neue Trainer auszubilden.
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Bei Hochschulaufnahmeprüfungen werden jene bevorzugt, die fußballerisch stark sind. 2010 waren nach jahrelanger öffentlichkeitswirksamer Korruptionsaffäre um die heimische Liga nur noch 7.000 aktive Fußballspieler registriert – eine Zahl, die im Verhältnis zu den rund 1,3 Milliarden Einwohnern des Landes damals und heute fernab jeglicher Vorstellungskraft liegt. Auf die Frage, ob man in mit einem Fünfjahresplan den heimischen Fußball auf Spitzenniveau bringen könne, antwortete Karl-Heinz Rummenigge: “Warum nicht? Ich kenne wenige Völker auf der Erde, die beharrlicher waren.”
China: ein fußballerisches Entwicklungsland
China, das in vielen Sportarten längst Spitzensportler hervorbringt, wirkt im Fußball mit seiner Nationalmannschaft in diesem Zusammenhang erstaunlich rückständig. Kein Wunder, werden viele jetzt sagen, wenn doch nur ausländische Spieler gekauft werden. Und unter den 20 besten Torschützen der Chinese Super League befinden sich auch nur zwei Chinesen. Fußballerischer Erfolg und spielerische Entwicklungen sind eben nicht so kalkulierbar wie wirtschaftliches Wachstum oder der Profit einer Investition außerhalb des Sports. Ausländische Spieler berichten häufig, dass die chinesischen Spieler ihnen physisch sogar überlegen wären, fußballerisch jedoch nicht. Das Training war in der Vergangenheit zu wenig spielerisch und zu militärisch, wobei doch die großen Spieler alle über ihren Spielwitz und überraschende Elemente in ihrem Spiel zum Erfolg kommen – für die sehr strategisch und disziplinierend denkenden Chinesen ist das schwierig nachvollziehbar gewesen.
Der chinesische Fußball wird neu erdacht
Die chinesische Regierung hat das aber erkannt und plant, Graswurzelvereine zu fördern, Bolzplätze zu bauen und den Sport sukzessive von der Politik zu entkoppeln – nach gehöriger Starthilfe selbstverständlich. Das Training soll von Grund auf verändert und den Kindern mehr Spielraum eingeräumt werden, um Kreativität auf dem Platz entwickeln und ausleben zu können. Chinesische Trainer berichten fasziniert davon, wie viel Spaß vor allem Kinder in Spanien am Fußball hätten. Ein Resultat dieses Austauschs besteht darin, dass Kinder beim Fußballtraining in China jetzt nicht mehr angebrüllt und geschlagen werden. Der kulturelle Austausch funktioniert also noch schleppend, aber er geht voran. Auch europäische Jugendtrainer müssen sich noch an die chinesische sehr erfolgsorientierte Mentalität gewöhnen, die vor allem von Eltern und Sponsoren ausgeht.
Zwischen Begeisterung und Strategie
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Die Faszination für den Fußball teilt der Präsident mit seinem Volk. Obwohl es an der chinesischen Ostküste drei Uhr nachts war, schauten sich rund 100 Millionen dort lebende Menschen das WM-Finale zwischen Deutschland und Argentinien im Jahr 2014 an. Für die Europäer ist China längst zum interessantesten Markt geworden, der sich außerhalb des eigenen Kontinents befindet. Der FC Bayern München will gar 90 Millionen Bayern-Fans in China ausgemacht haben. Karl-Heinz Rummenigge erzählt bis heute fasziniert davon, dass die Mannschaft bei ihrer Landung in China von rund 4.000 Menschen in Bayerntrikots empfangen wurde, die alle den “Stern des Südens” besungen haben.
Geht es tatsächlich nur um das runde Leder?
So vernünftig manche Vorhaben hinsichtlich der fußballerischen Entwicklung in China auch klingen mögen, so kalkulierend und expansiv sind die wirtschaftlichen Bestrebungen, die derzeit rund um den Fußball erkennbar sind. Den Worten und Plänen Xi Jinpings folgt derzeit vor allem die wirtschaftliche Elite des Landes. Die Wanda-Group um ihren Chef Wang Jianlin, immerhin der reichste Mann Chinas, hat im März einen Vertrag mit der FIFA abgeschlossen, der sie zu einem der Großsponsoren werden lässt – in einer Liga mit Gazprom, Adidas und Coca-Cola. Wang betonte nicht nur, dass sein Unternehmen nicht das einzige chinesische Unternehmen bleiben werde, das ein Sponsoring der FIFA übernimmt, sondern auch, dass der Vertrag bis 2030 datiert sei. Chinesische Staatsmedien werteten dies als ein Signal dafür, dass China spätestens in diesem Jahr eine Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten wolle.
Chinesische Unternehmen wollen den Fußball-Markt erschließen
Wangs Unternehmen hat zudem gewaltigen Profit im Blick: Es kaufte für 1,2 Milliarden Dollar Anteile am Schweizerischen Unternehmen Infront, das die Übertragungsrechte an den Weltmeisterschaften besitzt und über eine ebenso lange wie zweifelhafte Geschichte verfügt, aber immer noch immense Geldsummen einspielen kann. Nachdem Xi Jinping seine Pläne veröffentlichte, verdoppelten sich die Kapitaleinlagen der in der Liga aktiven Großfirmen, ihre Aktienkurse sollen zudem um 158 Prozent in die Höhe geschossen sein. Sportminister Liu Peng sagte, der Sport biete ein wirtschaftliches Potential von rund 636 Milliarden Euro; bis 2025 soll dieser Markt vollständig erschlossen werden.
Astronomische Gehälter locken mittlerweile auch jüngere Spieler
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Während derzeit vor allem noch der europäische Fußball in China durch Merchandising und TV-Deals saftige Gewinne einfährt, sollen diese künftig im Land bleiben. War die chinesische Liga vor einigen Jahren noch ein Fußballrentner-Paradies für Spieler wie Didier Drogba oder Nicolas Anelka, kann davon heute keine Rede mehr sein. Oscar (26 Jahre alt) und Hulk (29) wechselten für 60 bzw. 56 Millionen Euro in dieser Saison nach Shanghai, Graziano Pelle (30) für 15 Millionen nach Shandong, in der Vorsaison gab der Ligaprimus Guangzhou 42 Millionen Euro für Jackson Martinez (29) und 14 Millionen für Paulinho (26) aus, Jiangsu holte für jeweils 50 und 28 Millionen Euro die Brasilianer Alex Teixeira (26) und Ramires (28). Auch Trainergrößen wie Marcello Lippi, Luiz Felipe Scolari und Jose Antonio Camacho arbeiten inzwischen in China. Die gezahlten Gehälter sind noch absurder; der 32-jährige Argentinier Carlos Tevez soll für zwei Jahre bei Shenhua rund 80 Millionen Euro verdienen, Ezequiel Lavezzi (31) gar bis zu 56 Millionen Euro – pro Jahr.
Mit internationalen Stars auf sich aufmerksam machen
Das Kalkül dahinter ist ebenso offensichtlich wie nachvollziehbar: Je mehr Weltstars in der heimischen Liga spielen, desto attraktiver werden sowohl Liga als auch Vereine, was erheblich mehr Fans an- und von Europa weglocken dürfte. Die internationalen Stars können zudem sowohl das Niveau der chinesischen Spieler durch ihren Einfluss heben, als auch die Zeit überbrücken, die es braucht, um exzellente chinesische Fußballer hervorzubringen.
Das Vorgehen Chinas ist speziell aufgrund des politischen Drucks in keiner Weise vergleichbar mit den Investitionen arabischer oder russischer Oligarchen, die irgendwann absurde Summen in europäische Vereine pumpten und sich rasch wieder verzogen, als der schnelle Erfolg ausblieb. China will kurzfristig einen sportlichen Leistungs- und Wissenstransfer und investiert die immensen Summen dabei wesentlich klüger als einige schwerreiche Klubbesitzer auf europäischem Boden, denen es um bloßen Ruhm geht. Langfristig soll in der Volksrepublik der nationale Fußball blühen und die Nationalmannschaft auf globales Spitzenniveau gebracht werden.
Bis die von Xi Jinping ausgelöste Investitionswelle los ging, betrachteten die Europäer China vor allem als lukrativen Absatzmarkt, auf dem sich eine Menge Trikots verkaufen ließen. Das hat sich nicht nur durch die getätigten Spielertransfers vollständig geändert. Chinesische Investoren sind nicht nur an Spielern für die eigene Liga, sondern auch an dem Geld in Europa interessiert. Dazu kaufen sie entweder große Anteile von profilierten Vereinen in Europa oder aber gleich den ganzen Klub.
Chinesisches Geld überschwemmt den europäischen Fußball
Die Wanda-Gruppe von Wang Jianlin hält 20 Prozent der Anteile von Atletico Madrid, Autofabrikant Rastar hält die Mehrheit der Anteile bei Espanyol Barcelona und das Energieunternehmen CEFC ist inzwischen im Besitz von Slavia Prag. Auch der chinesische Staat investiert in den europäischen Fußball: Der Staatsfonds CITIC hat kürzlich für rund 377 Millionen Euro Anteile von Manchester City erworben. Die ehemals glorreichen Mailänder Klubs, jahrelang von Patriarchen wie Silvio Berlusconi und Massimo Moratti geführt, gingen für 740 Millionen Euro (AC Milan) und 270 Millionen Euro (Inter, allerdings für “nur” 69 Prozent der Anteile) in die Hände chinesischer Investoren über. Zhang Jindong, Kopf der in die Deals involvierten Suning-Gruppe sagte dazu: “Der Kauf wurde anhand von zwei Überlegungen getätigt. Zum einen hat der Fußball viele Fans und Suning möchte eine Beziehung zu potenziellen Konsumenten aufbauen. Zum anderen kann sich unsere Marke auf dem europäischen Markt etablieren, sobald wir hier Beziehungen zu Clubs und Spielern aufgebaut haben.”
Was man in England über die finanzstarken Chinesen denkt
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Obwohl von China eine Unmenge Geld nach Europa, speziell nach England, fließt (die Premier League erhält ab 2019 für vier Jahre rund 600 Millionen Euro chinesischer Fernsehgelder, eine ähnliche Summe ist auch für den Zeitraum bis 2019 aktuell im Gespräch), ist insbesondere bei englischen Topvereinen längst die Nervosität ausgebrochen. Nachdem der brasilianische Nationalspieler Oscar kürzlich für eine klubinterne Rekordsumme nach China verkauft wurde, sagte Chelseas Coach Antonio Conte, die Chinese Super League sei “eine Gefahr für alle Teams auf der Welt.” Arsenals lebende Trainerlegende Arsene Wenger sprach sogar von einer expliziten Bedrohung der Premier League durch die Chinesen. Jürgen Klopp vom FC Liverpool antwortete hingegen humorvoll auf eine darauf abzielende Frage: “Sie wissen, dass alle Klubs Europas das gleiche über England denken?”
Deutschland will China unterstützen
Während die chinesischen Investoren also vor allem in England, Italien und Spanien aktiv sind, tasten sie die Bundesliga bislang kaum an. Das dürfte im Wesentlichen mit dem Bestehen der 50+1 Regel zusammenhängen, die für externe Investoren eine enorme Hürde darstellt. Aber die Erfahrungen mit Investoren sind hierzulande, abgesehen von den wettbewerbsverzerrenden Werbekonstrukten aus Leverkusen, Wolfsburg und Leipzig, nicht besonders gut. Es dürfte dementsprechend für viele Vereine, die etwas auf ihre Eigenständigkeit geben, abschreckend sein, was gerade mit dem TSV 1860 München und seinem jordanischen Investor Hasan Ismaik geschieht. In Deutschland gibt es zwar auch mahnende und warnende Stimmen, die vor dem chinesischen Einfluss und insbesondere der Kaufkraft warnen. Die meisten Klubs und Verbände suchen jedoch aktiv die Kooperation mit den Chinesen.
In einem dreiseitigen Lobgesang auf die künftige Zusammenarbeit mit den Partnern aus Fernost auf der Homepage des DFB frohlockt etwa DFB-Präsident Reinhard Grindel: “Dass das deutsch-chinesische Abkommen auch auf politischer Ebene so hochrangig begleitet wird, zeigt, dass es eine sehr große Bedeutung hat. Gerade auch in China. Man will dort die Talente fördern, die es in diesem großen Land gibt, und baut dabei auf die Erfahrungen des DFB. Das ist eine große Auszeichnung für die Nachwuchsförderung in Deutschland, und wir kooperieren sehr gerne mit unseren chinesischen Freunden.” Und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert fügte hinzu: “Die DFL unterhält schon lange gute Beziehungen nach China. Es wird mannigfaltige Themen der Zusammenarbeit geben, beispielsweise im Austausch zu den Nachwuchsleistungszentren zwischen deutschen und chinesischen Klubs. Dies gilt es nun gemeinsam zu entwickeln.”
Chinas Pläne: “Sehr bald, sehr viel – los geht’s”
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Wie sehr man sich beim DFB über die künftige Zusammenarbeit freut, verdeutlicht der letzte Abschnitt des veröffentlichten Textes über Chinas Pläne: “Die Partner verlieren keine Zeit – das ergibt sich auch aus dem Aktionsplan für die Jahre 2017 und 2018. Auf technischer Ebene stehen zahlreiche Maßnahmen an, sowohl in Deutschland als auch in China, etwa im Segment der Trainer-Ausbildung, der Ausbilder-Ausbildung und von Schiedsrichter-Schulungen. Vorgesehen sind auch gegenseitige Besuche der Auswahlmannschaften beider Länder, genauso wie Besuche von Teams auf Klubebene. Diverse Maßnahmen laufen ganzjährig, dazu gehören die Schulungen im Bereich der Nachwuchsförderungen, andere punktuell. Gleich zu Beginn des Jahres 2017 wird es deshalb einen Gegenbesuch in China geben. Schon jetzt läuft eine Ausschreibung des DFB: Zur Erweiterung seines Auslandsexperten-Pools sucht der Verband für Kurzzeit- und Langzeitmaßnahmen in China Trainer und Ausbilder. Sehr bald, sehr viel – los geht’s.”
Auch die Bundesliga interessiert
Die Verbände DFB und DFL versprechen sich von der Kooperation vor allem, Einfluss auf die Entwicklungen in China nehmen zu können und gleichzeitig ihre Modelle zu exportieren. Weil die Bundesliga bezüglich der gezahlten TV-Geldern und Investorenfreundlichkeit strukturell hinter anderen Ligen zurückbleibt, versuchen sowohl die Verbände als auch die Vereine über den chinesischen Markt an mehr Geld zu kommen. Dazu muss die Bundesliga in China aber auch abseits des FC Bayern bekannter werden, bislang genießt die Premier League die größte Aufmerksamkeit. Eine auf fünf Jahre angelegte Kooperation, die von den höchsten politischen Stellen beider Länder unterzeichnet ist, kommt da gerade recht. Der Deal läuft zu Gunsten beider Seiten – China erhält das benötigte Wissen, Deutschland starken Einfluss und beide Zugang zum jeweils anderen Markt. Da ist es nur selbstverständlich, dass Grindel sagt, dass er “großes Potential” darin sehe, China bei einer WM-Bewerbung zu unterstützen.
Auch der effzeh kooperiert mit China
Die deutschen Vereine haben längst verinnerlicht, dass in China erhebliche Geldsummen erzielt werden können – selbst, wenn man nicht der FC Bayern München ist. Auch der effzeh zählt dazu, der kürzlich einen Kooperationsvertrag mit dem aktuellen Klub von Anthony Ujah, Lianoning. Der Finanzchef Alexander Wehrle wird folgendermaßen zitiert: “Wir haben gesagt: Wir suchen uns einen Kooperationsverein, der zu uns passt und versuchen, von dort ausgehend erstmal die Menschen in der Provinz Shenyang zu begeistern und von dort aus die Schrittfolge nach China auszurollen. Die Kooperation auf Länderebene und die der Verbände hilft uns natürlich.” Auch Bayer 04 Leverkusen expandiert nach China. Manager Manfred Schade will in der Provinz Boatou ein Leistungszentrum mit dem dort beheimateten Verein gründen und betont, dass China ein “attraktiver Markt” sei.
Und auch deutsche Firmen blicken interessiert auf die finanziellen Möglichkeiten, die der Fußballboom im Land der Mitte und Chinas Pläne rund ums runde Leder bieten. Herbert Hainer, bis vor kurzem Adidas-Chef und aktuelles Aufsichtsratsmitglied beim FC Bayern, betonte im “Spiegel”, dass es durchaus sein könne, dass der Auftakt einer Bundesligasaison in China stattfinde. Im US-Sport sei dies etwas normales, weshalb solle es das nicht auch für die Bundesliga geben?
Wettbieten der Bundesliga zuträglich?
Ob und wann eine solche Saisoneröffnung realistisch ist, kann jetzt noch nicht beantwortet werden. Sicher ist aber, dass die deutschen Vereine dem chinesischen Treiben entspannter entgegen sehen dürften als die Vereine aus dem Ausland. Die Bundesliga hinkt finanziell meilenweit hinter der Primera Division oder der Premier League hinterher, besitzt dafür andere Pfunde, die von einer Kooperation mit China nicht angetastet werden. Die gezahlten Ablösesummen und ein potentielles Wettbieten zwischen Vereinen aus der Premier League und der Chinese Super League dürfte den deutschen Klubs sogar entgegen kommen. Werder Bremen erhielt folglich schon im vergangenen Sommer die enorme Summe von 13 Millionen Euro für den Verkauf Anthony Ujahs. Ob das Geld nun aus England oder China kommt, dürfte vielen deutschen Vereinen zunächst gleichgültig sein.
Zweifelhafte Partner und eine Menge Geheuchel
Es ist sehr schwierig, zu beurteilen, wie gravierend die Verbesserungen im chinesischen Fußball genau sein werden und ob die generalstabsartige Planung ihn tatsächlich innerhalb weniger Jahre auf Spitzenniveau hievt. Die diktatorischen Verfügungen und die Vehemenz, mit der die Planer ans Werk gehen, sollten nicht nur fußballerisch hellhörig machen. China kann nur deshalb so stark und zielgerichtet auftreten, weil die diktatorische Staatsform es zulässt, Menschen als Mittel zum Zweck einsetzen zu können. Dass viele Eltern ihre Kinder auf Fußballschulen anmelden wollen, weil dort der militärische Drill weniger stark ausgeprägt sein soll als an normalen Schulen, gibt einen Wink auf das gnaden- und rücksichtslose System, das auch den Fußball Chinas im Griff hat. Wenn 100.000 chinesische Fußballer im Jahr 2017 aktiv sein sollen, bedeutet das auch, dass ungefähr 99.000 von ihnen nicht in den Topligen oder der Nationalelf spielen werden. Was aus ihnen wird, ist ungewiss.
Den Europäern sind die chinesischen Aktivitäten nur deshalb ein Dorn im Auge, weil sie ernsthaft befürchten, in den nächsten Jahren als maßgeblicher Fußballkontinent (in sportlicher wie finanzieller Hinsicht) abgelöst zu werden. Nach der Verkündung des Transfers von Oscar nach China bezeichnete beispielsweise Jürgen Klopp den Wechsel sinngemäß als Fehlentscheidung und stellte den Spieler als geldgierigen Faulenzer dar, der sämtliche sportlichen Ambitionen des Geldes wegen zum Teufel gejagt hätte, zumal es in Europa ja auch genug zu verdienen gäbe.
Übersetzt bedeutet das: ihr habt gefälligst hier zu bleiben, selbst wenn ihr dort mehr als das Doppelte verdient. Wenn ihr dahin geht, seid ihr nämlich für uns nichts mehr wert, denn euer Charakter muss verdorben sein, in ein Land wie China zu wechseln. Dass erwachsene Menschen in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen, die uns erstmal nicht interessieren müssen, ist uns jetzt egal, denn ihr habt uns und unsere Prinzipien verraten.
Gibt es wirklich uneigennützige Fußballweltverbesserer?
Neben diesem moralischen Denunziantentum kommt eine Menge Heuchelei dazu, dessen Pendel nach zwei Seiten ausschlägt. Die eine Seite ähnelt der Aussage Klopps: Antonio Conte und weitere Trainer und Funktionäre warnen länderübergreifend sinngemäß davor, durch China könne der Fußball gewaltigen Schaden nehmen. Schließlich liefen die Spieler ja nur dem Geld hinterher und könnten deswegen nicht mehr sportliche Topleistungen bringen. Hinter der “Sorge um den Fußball” steht natürlich nichts anderes als die Sorge um sich selbst.
Die andere Seite wird von Karl-Heinz Rummenigge symbolisiert, der im SZ-Magazin behauptet: “Wir wollen hier nicht nur abkassieren, wir wollen auch etwas für den Fußball tun, und zwar nachhaltig. Wir wollen in China Grassroots-Programme unterstützen, vielleicht Trainer in München ausbilden.” Der FC Bayern und im Besonderen Karl-Heinz Rummenigge als praktisch uneigennützige Fußballweltverbesserer, die dem Reich der Mitte fußballerische Gaben zukommen lassen – wer sollte diesen Worten keinen Glauben schenken?
Wirtschaftliche Ambitionen als Hauptantrieb
Wie handhaben es die deutschen Vereine, die nicht FC Bayern München heißen, aber mit der Moral, die ja wichtig für das Gewissen ist? Hier gleicht die weit verbreitete Haltung der eines radikal pragmatischen Geschäftsmanns, der sich im Zweifel aus der gesellschaftlichen Verantwortung stiehlt, weil der absehbare Profit wichtiger ist, als der Rest. Alexander Wehrle brachte sie (leider) perfekt auf den Punkt: “Der Fußball kann verbinden. Und für uns als FC ist klar: Wir stehen zu unserer Charta und unseren Wertvorstellungen und die werden wir mit Sicherheit in die Kooperation mit einfließen lassen. Alles andere sind gesellschaftspolitische Themen, die nicht unsere vorderste Aufgabe sind. Dafür haben wir die Politik.”
In diesem Sinne: nǐ hǎo und auf eine gute Zusammenarbeit!