Neuerdings wird der FC Bayern vom katarischen Staat gesponsert, dessen Flughafen auf den Trikotärmeln prangt – es scheint also egal, woher das Geld kommt. Es zeigt sich erneut, dass der FC Bayern Moral und Anstand nur bei anderen unter die Lupe nimmt, nicht aber bei sich selbst.
Kürzlich erregte effzeh-Präsident Werner Spinner gewaltiges Aufsehen. Auf die Frage, ob es nicht legitim sei, Bedenken gegen die Kooperation des Vereins mit China anzumelden, antwortete Spinner, dass man erst einmal die 7000 Jahre alte Kultur des Landes kennen müsse, bevor man zur Kritik ansetze. Dieser intellektuelle und moralische Unfall erzeugte deutliche negative Resonanz, schließlich sind die Menschenrechtsverletzungen in China ausgiebig dokumentiert. Und tatsächlich vermied Spinner seitdem sämtliche Äußerungen zu China.
Wenn es um Geld geht, wird der moralische Kompass der handelnden Akteure im Profifußball so schnell wie möglich verbuddelt, damit man die Nadel nicht sehen kann. Der Fußball hat sich längst zum Schauplatz halbseidener Gestalten, Unternehmen und Staaten entwickelt, die ihr Image durch große Transferausgaben weltweit aufpolieren wollen. Und die Vereine greifen nach jedem noch so goldglitzernden Strohhalm, um die eigene Tasche vollzustopfen. Insbesondere potente Staaten sind besonders spendabel, wenn es um Fußball geht: China erwarb kürzlich gleich mehrere europäische Topklubs, die Vereinigten Arabischen Emirate pumpen jedes Jahr aberwitzige Summen in Manchester City und das Emirat Katar hat kürzlich die größte Flasche Champagner knallen lassen.
Bigotterie auf allen Ebenen
In regelmäßigen Abständen gibt es daher einen großen Schwall Empörung über die Inflation im Fußball, egal in welcher Größenordnung. Was der Transfer von Anthony Modeste für den effzeh gewesen ist, ist der von Neymar für den FC Barcelona. Für einen nicht mehr ganz so bescheidenen Gesamtbetrag, der sich auf mehr als eine halbe Milliarde Euro beläuft, kaufte das Emirat Katar den Brasilianer für sein liebstes Spielzeug: den französischen Nobelklub Paris St. Germain. Pflichtbewusst traten daraufhin diverse Trainer, Geschäftsführer und selbsternannte “Experten” vor die Presse und verkündeten, dass sich das alles ja in eine ganz falsche Richtung entwickeln würde.
Tja, aufregen kann man sich über viele Dinge, Uli Hoeneß | Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images
Einer, der sich beim moralischen Zeigefingerheben stets am Rande einer Sehnenscheidenentzündung bewegt, ist Bayern Münchens Präsident Uli Hoeneß. Zweifel an seiner moralischen Integrität bestehen seit Bekanntwerden der immensen Steuerhinterziehung allgemein nicht mehr, Handlungsempfehlungen und Besserwisserei liest man von ihm themenunabhängig trotzdem täglich. Als “Reaktion auf den Transferwahnsinn” eröffnete der FC Bayern ein 70 Millionen Euro teures Leistungszentrum für Jugendspieler. So sollte es doch sein, beim FC Bayern. Die einen zahlen 222 Millionen Euro Ablöse für einen Spieler, der FCB züchtet sie sich demnächst viel günstiger im Säbener Stall heran. Die Welt kann so einfach sein. Genau wie die Vergesslichkeit der Kunden.
Kritik wird gekonnt ignoriert
Bereits vor zweieinhalb Jahren kritisierten viele Fans des FC Bayern die schon damals bestehenden Kooperationen mit Saudi-Arabien und Katar. Doch derlei Wortmeldungen wusste man in der Chefetage des FC Bayern schon immer zu ignorieren. Im Januar 2016 erregte der Verein erneut die Gemüter, weil er nicht nur ins Trainingslager nach Katar flog, sondern auch flugs einen lukrativen Sponsorendeal mit der dortigen Fluggesellschaft abschloss. Bewusst nahm der Verein in Kauf, dass es dafür Kritik hageln würde. Der Journalist Peter Ahrens bezeichnete die Vereinsführung auf “Spiegel Online” als “komplett schmerzfrei” und das “Mia san mia”-Motto folgerichtig treffend als “abgenudelter Marketing-Brand”.
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“Dort wird der Rasen wird mit der Nagelschere gepflegt”
Hoeneß meldete sich im Januar dieses Jahres auch wieder zu Wort, als er erneut auf die Menschenrechtslage in Katar angesprochen wurde. Weil man in Europa friere, sei der FC Bayern wieder mal klüger, denn er sei bei besten Bedingungen in Doha gewesen, wo “der Rasen mit der Nagelschere gepflegt wird”. Eine Aussage wie in Stein gemeißelt. Hoeneß ergänzte sie um die Information, dass die Arbeitsbedingungen in Katar natürlich “nicht perfekt” seien, sie sich aber nicht dadurch verbessern würden, wenn “wenn wir nicht hinfliegen und Diskussionen anstoßen”.
Wer glaubt, man könne Hoeneß’ ignoranten Zynismus nicht in punkto Geschmacklosigkeit toppen, vergisst, dass sein Vorstandskollege immer noch Karl-Heinz Rummenigge ist.
Was kümmert einen schon das Leid der Vielen in Katar, wenn sie doch für den FC Bayern den Rasen millimetergenau zurechtstutzen? Ist das Geld des FC Bayern am Ende nicht sogar der (verbesserungswürdige) Lohn des Sklav… äh, Gärtners von morgen? Es geht hier schließlich auch nicht um irgendwen, sondern um den großen FC Bayern. Müsste diese Ehre nicht eigentlich schon als Lohn ausreichen? Wer kann schon von sich behaupten, den Trainingsplatz des FC Bayern mit der Nagelschere gepflegt zu haben?
Uhren-Schmuggel, Aberglaube und Kontakt mit NGOs
Wer glaubt, man könne Hoeneß’ ignoranten Zynismus nicht in punkto Geschmacklosigkeit toppen, vergisst, dass sein Vorstandskollege immer noch Karl-Heinz Rummenigge ist. Der Aufsichtsratsvorsitzende fiel erstmals in Bezug auf Katar auf, als er 2013 zwei Armbanduhren am Zoll vorbeischmuggeln wollte. Im Januar diesen Jahres sagte er, die Rückrundenvorbereitung in Katar sei schon deshalb notwendig, weil es der Aberglaube gebiete. Überhaupt stünde der FCB in Kontakt mit nicht genannten NGOs, um sich über die Politik Katars zu informieren. Generell hatte Rummenigge den Eindruck, “dass sich etwas bewegt in diesem Land, auch hinsichtlich der Bedingungen für Gastarbeiter.”
Offen blieb, welche Gastarbeiter Rummenigge meinte. Waren es Nordkoreaner, Inder oder Nepalesen? Und warum muss der FC Bayern sich mit irgendwelchen NGOs treffen, um etwas über die Politik des Emirats zu erfahren, wenn es doch in dutzenden an jedem Kiosk erhältlichen Zeitungen zu lesen ist? Eine kurze und wahllose Auflistung: Katar gehört zu den Finanzierern des Daesh, finanziert den Propagandasender Al-Jazeera, unterstützt die Hamas, verbietet Homosexualität unter Androhung von Gefängnisstrafen, die bis zu 15 Jahre dauern können, beschäftigt rund 1,8 Millionen ausländische “Gastarbeiter” und es ist weiterhin offen, ob die israelische Fußballnationalmannschaft im Falle einer erfolgreichen WM-Qualifikation bei der WM 2022 in das Land einreisen darf. Noch Fragen?
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Erst die Ultras hoben das Erbe Kurt Landauers hervor
Ohne Zweifel kann man sämtliche Klubs, die mit den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Katar enge monetäre Verbindungen eingegangen sind, damit konfrontieren – es wäre wahrscheinlich nie falsch. Beim FC Barcelona hagelte es ebenfalls Proteste, als bekannt wurde, dass Qatar Airways der erste kommerzielle Trikotsponsor der Klubgeschichte sein wird und somit Unicef ablöste.
Beim FC Bayern ist die katarische Politik aber gerade wegen des posthum gewählten Ehrenvorsitzenden Kurt Landauer brisant. Landauer, selbst jüdischer Herkunft, wurde während der NS-Herrschaft in Dachau inhaftiert und konnte erst Jahre nach der Befreiung durch die Alliierten wieder Präsident des FC Bayern werden. Der Publizist Alex Feuerherdt hat in einem lesenswerten Beitrag erläutert, wie der Verein jahrelang mit dieser Episode seiner Geschichte umging: nämlich gar nicht. Es waren die Ultras von der “Schickeria”, die jahrelang das Andenken an Landauer pflegten und ihm Turniere, Choreografien und Weiteres widmeten. Erst Jahre später begann auch der Verein, sich dafür zu interessieren, die Gruppe erhielt sogar eine Auszeichnung vom DFB.
Kurt Landauer, Ehrenpräsident des FC Bayern München (l.) | Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images
Die Fanszene kritisiert das Vorgehen des Vereins
2013 wurde Landauer dann auf einer Mitgliederversammlung nachträglich zum Ehrenvorsitzenden des Vereins gewählt. Vorausgegangen war eine intensive Ausschlachtung des Erbes, in dem Rummenigge und weitere betonten, wie stolz der Klub auf seine “jüdische Vergangenheit” sei. Die Geschichte Landauers ist mittlerweile beispielhaft aufbereitet und jedem zugänglich, es existieren sogar Aufklärungsfilme gegen Rechtsextremismus, die Landauer thematisieren. Rückblickend scheint dies von Seiten des Vereins allerdings eine gewöhnliche deutsche Form der “Vergangenheitsbewältigung” (Roger Willemsen) gewesen zu sein, es wurde getan “was sich auszahlt” (Feuerherdt).
So verhält es sich schließlich auch mit dem neuesten Katardeal. Nach Schätzungen diverser Experten erhält der Verein für das Ärmelsponsoring mehrere Millionen Euro pro Jahr. Damit liegt er zwar im Trend der Zeit, pfeift aber wie andere auch auf Zivilisation. In der Fanszene gibt es schon seit 2015 scharfe Kritik an dem gewissenlosen Vorgehen des Vereins, man kann sich das Kopfschütteln der Fans, die den Fußball nicht als ein scheinbar unpolitisches Ding sehen, das mit weltpolitischen Entwicklungen nichts zu tun hat, gut hineinversetzen (auch deswegen, weil sich in Köln ähnliche Kooperationen anbahnen könnten).
Alex Feuerherdt kam 2016 zum Schluss, dass Kurt Landauer all das “nicht verdient” habe. Das stimmt immer noch, sieht man davon ab, dass Tote nichts verdienen können und Landauer keinen Einfluss auf seine Hinterlassenschaft mehr hat. Seine Nachfolger stehen allerdings umso mehr in der Verantwortung. Statt dieser gerecht zu werden, bepinkeln sie das Grab des Ehrenvorsitzenden jedoch munter weiter: Am 1. Spieltag der diesjährigen Saison liefen die Bayern prompt mit ihrem neuen Ärmelsponsor auf dem Trikot auf, den Hamad International Airport aus Katars Hauptstadt Doha. Am anderen Ärmel trug der Rekordmeister derweil einen Trauerflor – zum Gedenken an die Opfer der IS-Anschläge in Barcelona.