Seit September ist Salih Özcan trotz seines jungen Alters beim 1. FC Köln nicht mehr wegzudenken – wir lassen sein erstes Profijahr Revue passieren.
Zugegeben, es ist nicht einfach, in diesen schwierigen Monaten aus fußballerischer Sicht etwas Positives über den 1. FC Köln zu schreiben. Zwar konnte man durch den 1:0-Erfolg gegen Wolfsburg die historisch schlechteste Bilanz in einer Hinrunde vermeiden, die Chancen auf den Klassenerhalt sind jedoch nach wie vor eher theoretischer Natur. Immerhin geht man jetzt mit einem positiven Gefühl in die Winterpause, wenn man sich zumindest am kommenden Dienstag auch auf Schalke gut verkauft. Dass man sich trotz dieser schwierigen Zeiten über etwas freuen kann, hängt in erster Linie damit zusammen, dass der 1. FC Köln den anstehenden Umbruch bereits einleitet – in den letzten Wochen sind aufgrund der Verletzungsmisere viele junge Spieler erstmalig zum Einsatz gekommen, die mit Unbekümmertheit und Engagement überzeugen. Yann-Aurel Bisseck, Anas Ouahim und jetzt zuletzt Chris Führich, Birk Risa und Filip Kusic – sie alle haben bei ihren ersten Auftritten einen positiven Eindruck hinterlassen.
Etwas länger dabei ist hingegen Salih Özcan, der im Januar seinen 20. Geburtstag feiern wird. Vor etwas mehr als einem Jahr gab der in Köln geborene Mittelfeldspieler sein Debüt auf Schalke – damals noch zu Zeiten, als es dem effzeh ein wenig besser erging als aktuell. Özcan kam als Joker, bereitete beim 3:0-Auswärtssieg gleich einmal ein Tor vor. Anfang Dezember 2016 feierte er dann im Spiel in Hoffenheim seinen ersten Startelf-Einsatz und spielte dann gegen Ende des Jahres gegen Dortmund 90 Minuten (bevor er mit Gelb-Rot vom Feld flog) und nach seiner Sperre noch im abschließenden Spiel gegen Leverkusen.
Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images
In dieser Phase war die Verletztenzahl beim effzeh hoch, sodass Özcan als damals 18-Jähriger bereits zu seinen Einsätzen kam – ansonsten genoss der Junioren-Nationalspieler des DFB aber “Welpenschutz” im Kölner Kader. Zusammen mit Mergim Mavraj, der Özcan unter die Fittiche nahm, entwickelte sich der 1,82m große Mittelfeldspieler langsam, aber stetig. In der Rückrunde hingegen schien seine Entwicklung vorerst zu stagnieren, da er nur noch auf Kurzeinsätze kam und im Rennen um Europa keine große Rolle mehr spielte.
Fritz-Walter-Medaille in Gold als Auszeichnung
Im Sommer sollte er dann als Kapitän der deutschen U19-Nationalmannschaft eine gewichtige Rolle bei der EM in Georgien spielen, musste aber aufgrund eines Infekts passen. Seine Entwicklung wurde aber dadurch gekrönt, dass er mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold eine renommierte Auszeichnung gewinnen konnte, die sich vorher bereits Größen wie Toni Kroos oder Mario Götze sichern konnten. Insgesamt kommt Özcan auf 39 Länderspiele für die DFB-Nationalmannschaften im Bereich U15 bis U20. Dass er bereits als Juniorenspieler nachhaltig auf sich aufmersam machte, lag auch daran, dass er als eigentlich noch A-Jugendlicher 2015/2016 16 Spiele für die U21 des effzeh absolvierte und dort auf sechs Scorerpunkte kam.
Zu Beginn der aktuellen Saison stand Özcan in den ersten fünf Partien des effzeh nicht im Kader – das Jahr 2017 schien für ihn also durchwachsen weiterzugehen. Seine Wartezeit hatte dann aber im September ein Ende, als der damalige effzeh-Coach Peter Stöger ihn für das Auswärtsspiel in Hannover wieder in die Startelf beorderte. Mit einer soliden Leistung holte der effzeh einen Punkt – und Salih Özcan hatte sich auf einmal festgespielt. Seitdem stand er in allen Bundesliga und Pokalpartien des 1. FC Köln von Anfang an auf dem Feld – 18 Pflichtspiele absolvierte der defensive Mittelfeldspieler in dieser Zeit.
Salih Özcan: Lehrjahre im Abstiegskampf
Glaubt man der Webseite “whoscored.com”, ist Özcan seither der konstanteste und beste effzeh-Profi: Sein Rating liegt wettbewerbsübergreifend am höchsten. Der Mittelfeldspieler nimmt mittlerweile einen festen Platz ein im Zentrum des 1. FC Köln – auch, weil arrivierte Kräfte wie Jonas Hector, Marco Höger und Matthias Lehmann schon lange außer Gefecht sind oder immer wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen haben. Dabei ist Özcan vom Anforderungsprofil her eigentlich eher ein Spieler, der sich im Achter- oder Zehner-Bereich zuhause fühlt. Durch die aktuelle sportliche Situation des 1. FC Köln, die jetzt nicht gerade dafür sorgt, dass man mit Selbstvertrauen und vor allem offensiv agiert, muss sich Özcan allerdings an eine Position gewöhnen, die etwas tiefer liegt.
Auf der nächsten Seite: Auch der defensiven Rolle gewachsen
Als defensiver Mittelfeldspieler erfüllt man im Fußball wahrscheinlich die Position, die am umfassendsten fordert und sowohl in Defensive als auch Offensive jede Menge Qualitäten verlangt. Normalerweise wäre der Verlauf ja so, dass ein junger Spieler erst einmal auf einer weniger zentralen Position “ausgebildet” wird und sich dort an die Anforderungen des Profisports gewöhnen kann. Nach und nach könnte er dann mit gewachsener Erfahrung auf die Position rücken, die ihm am meisten liegt – bei Özcan wäre das wohl die Rolle eines Achters und Verbindungsspielers zwischen Verteidigung und Angriff. Beim 1. FC Köln wird er allerdings momentan als zweiter Sechser eingesetzt, der zwar neben Matthias Lehmann eine höhere Position im Feld einnimmt, aber dennoch mit Defensivaufgaben betraut ist.
Ausbildung in der Mittelfeldzentrale: Özcan als kompletter Spieler
Dass Özcan dabei nicht immer fehlerfrei agiert, verdeutlichte sich beispielsweise am unnötigen Foulelfmeter, den er im Heimspiel gegen den SC Freiburg etwas übereifrig verursachte. Auch sonst unterläuft ihm ab und an ein Ballverlust oder ein technischer Fehler, bei dem er den Ballbesitz wieder herschenkt – doch das ist zu verschmerzen. Schließlich beeindruckt Özcan in dieser Saison mit einer hohen Arbeitsrate, viel Engagement und dem Willen, auch Verantwortung zu übernehmen. Immer häufiger sieht man den 19-Jährigen beim Dirigieren der Positionen und des Laufverhaltens seiner Mitspieler. Seine eigenen Stärken liegen insbesondere in der Technik, die sich durch viele, kleine und kurze Kontakte äußert. Durch geschicktes Abschirmen des Balles kann Özcan so entweder Fouls ziehen oder dann aus dem Tempodribbling heraus Geschwindigkeit und Raumgewinn erzielen. Kurzum: Es macht Spaß, Özcan zuzuschauen.
Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images
In der Defensive überzeugt er durch gute Antizipationsfähigkeiten, was die Passwege der Gegner betrifft – immer wieder spritzt Özcan dazwischen und gewinnt auf diese Art und Weise Bälle. Gegen den VfL Wolfsburg zeigte sich auch seine Zweikampfstärke in der Luft, als er alle Duelle gewinnen konnte. In diesem Spiel untermauerte er auch durch seine hohe Passquote auf dem gesamten Feld, dass er immer mehr in die Rolle eines Box-to-Box-Mittelfeldspielers hineinwächst – sein Aktionsradius lag nahezu auf dem gesamten Spielfeld.
Für die Zukunft bleibt festzuhalten: Salih Özcan ist trotz seines jungen Alters bereits ein eminent wichtiger Spieler beim 1. FC Köln. Seine Ausbildung zum Fußballer ist noch nicht abgeschlossen, sodass noch ein weiterer Entwicklungsschub zu erwarten sein dürfte – dass er mit seinen Leistungen das Interesse von anderen Vereinen weckt, dürfte ebenfalls klar sein. In der Rückrunde wird sich Özcan dann hoffentlich weiterhin in der Bundesliga beweisen können und dann steht die Frage an, ob er mit seinem Verein, für den er seit dem neunten Lebensjahr spielt, eventuell sogar mit in die zweite Liga gehen würde. Wenn man annimmt, dass er bei einem möglichen direkten Wiederaufstieg erst 21 Jahre alt wäre, kann man durchaus hoffen, dass mit ihm der prägende Mittelfeldspieler der kommenden effzeh-Generation heranwächst.