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Frauenfußball beim 1. FC Köln: “Wir verbessern unsere Strukturen langsam, aber stetig”

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Seit zehn Jahren spielt eine Damenmannschaft für den effzeh. Die Öffentlichkeit nimmt von ihr kaum Notiz, dabei kämpfen die Spielerinnen genau wie die Herrenmannschaft um den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Aber wie hat sich die Frauenabteilung seit ihrer Gründung grundsätzlich entwickelt? Um das zu beantworten, trafen wir die Teammanagerin und Mitgliederrätin Nicole Bender im Herzen des 1. FC Köln.

Es ist ein später Freitagnachmittag am Geißbockheim, als Nicole Bender die Katakomben im Franz-Kremer-Stadion aufschließt. Sie öffnet eine Kabine, in der die Trikots und die Trainingssachen der FC-Frauen an ihren Plätzen sind. Sie sagt: “Wir sind froh, dass die Renovierungen stattfanden und die Duschen jetzt besser funktionieren.” Die Kabinen für die Nachwuchs- und die Frauenmannschaften liegen hier nebeneinander.

Freizeit im Frauenfußball? Mangelware!

Dass die Frauenmannschaft eine eigene Kabine nutzen kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Der Platzmangel am Geißbockheim führt regelmäßig zu Verteilungskämpfen zwischen verschiedenen Abteilungen. Bis vor einigen Jahren besaß die Damenmannschaft noch überhaupt keine eigene Kabine. Jetzt nutzen die Verantwortlichen zwei Räume, den Taktik- und Analyseraum teilen sie sich mit Zuständigen für die Nachwuchsmannschaften. “Aktuell sind wir zufrieden mit dem, was wir haben” fügt Nicole Bender hinzu.

Nicole Bender im effzeh-Trikot vor der Saison 2015/2016 | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Viele Fans kannten sie bis zur letzten Mitgliederversammlung nicht. Dann kandidierte die 36-Jährige für den Mitgliederrat. Sie wollte die Interessen der Damenabteilung in einem der wichtigsten Vereinsgremien wahrnehmen. Mit Erfolg: Sie überzeugte die Mitglieder und zog mit nur elf anderen Kandidaten in den Mitgliederrat ein. Eine beachtliche Leistung – auch, weil die Umstände schwierig waren. 41 Mitglieder bewarben sich für das Gremium, die Uhrzeit war fortgeschritten und die Atmosphäre angespannt. Doch 57,47 % der Anwesenden stimmten für Nicole Bender, während andere prominentere Bewerber wie der Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl bei der Wahl durchfielen.

Dabei arbeitete Nicole Bender ehrenamtlich schon lange bei der Damenabteilung. Nachdem sie sieben Jahre für den effzeh spielte, blieb sie der ersten Mannschaft 2017 als Managerin erhalten. Freizeit bleibt ihr kaum, da sie einem weiteren Vollzeitjob in Köln nachgeht – und das schon, seitdem der effzeh sie 2010 als Spielerin verpflichtete.

Immer eine Frage des Geldes

Fußballerinnen, die vom Sport leben können, sind selten auf der Welt. Die meisten spielen auf Basis einer Aufwandsentschädigung. Sie gehen Jobs nach, weil sie ihren Lebensunterhalt finanzieren müssen. Dazu kommt das Training, das fünf Mal pro Woche stattfindet – abends, versteht sich. An den Wochentagen trainieren die Spielerinnen, samstags regenerieren sie, sonntags spielen sie, zwischendurch waschen sie.

Es gibt ein paar Vereine in Deutschland, die die Spielerinnen vernünftig bezahlen. Das sind Wolfsburg, Frankfurt, Bayern München, Hoffenheim und Potsdam.

Alle Spielerinnen haben zwei mal zwei Trikotsätze für die Heim- und Auswärtsspiele. Das Waschen übernehmen sie selbst. Je nach Job muss die ein oder andere sogar Urlaub nehmen, um am Spiel teilnehmen zu können. Kurios ist dabei: Der Abstieg in die zweite Liga garantierte den FC-Frauen in diesem Punkt Planungssicherheit. “Der DFB hat die Spieltage der ersten Liga für das komplette Wochenende aufgespalten. Da kam es deutlich häufiger vor, dass wir Urlaubstage nehmen mussten. Die zweite Liga spielt nur sonntags” erläutert Nicole Bender.

Zweiklassengesellschaften im deutschen Fußball

Der DFB förderte durch die Aufspaltung der Spieltage nicht nur allgemeinen Zynismus, sondern auch die Bourgeoisie des Frauenfußballs. Denn das Leistungsgefälle in der Bundesliga ist immens. “Es gibt ein paar Vereine in Deutschland, die die Spielerinnen vernünftig bezahlen. Das sind Wolfsburg, Frankfurt, Bayern München, Hoffenheim und Potsdam. Fast alle anderen zahlen Aufwandsentschädigungen. Deswegen spielen die Profis auch alle dort. Und es macht schon körperlich gewaltige Unterschiede, ob du zwei Mal am Tag trainierst und dich sonst um nichts kümmern musst oder nur abends dazu kommst.”

Auf der nächsten Seite: Der Zustand der Frauenabteilung und Entwicklungspotenziale.

Nicole Bender erinnert sich an ein Spiel des effzeh in Wolfsburg, das diesen Unterschied besonders verdeutlichte: “Beim Einlaufen beider Mannschaften dachte ich, dass da eine Schülermannschaft auf Lizenzspielerinnen treffen würde.” Der Blick auf die aktuelle Tabelle der Bundesliga bestätigt ihren Eindruck: Der VfL Wolfsburg steht mit 41 Punkten aus 16 Spielen mit einem Torverhältnis von 66:11 auf Platz eins, Borussia Mönchengladbach ist das Schlusslicht mit einem Punkt und einem Torverhältnis von 7:74 auf Platz 12 – eine große Diskrepanz. Warum das so ist? “Geld schießt eben Tore. So einfach ist das. Im Frauenfußball ist das noch extremer als bei den Männern.”

Die FC-Frauen wollen sich nächste Saison, genau wie die erste Herrenmannschaft, wieder mit den Besten messen. Derzeit stehen sie auf einem Aufstiegsrang – dem sechsten Platz der zweiten Liga. “Weil die zweiten Mannschaften von Hoffenheim, Bayern und Wolfsburg die Liga komplett dominieren, aber nicht aufsteigen dürfen, würde es momentan reichen. Das ist eine total kuriose Situation” so Bender.

Die Entwicklung beim effzeh ist zunehmend besser

In diesem Jahr feiert die Damenabteilung des 1.FC Köln ihr zehnjähriges Bestehen. Damals war sie an das Nachwuchsleistungszentrum angegliedert, nachdem der Verein zuvor die Mannschaft aus Brauweiler übernommen hatte. Er tat das aus einem einfachen Grund: 2011 stand die Frauen-WM in Deutschland an, viele großen Vereine gründeten eher aus Imagegründen als aus Überzeugung Damenmannschaften. Ein Hype wie 2006 entstand jedoch nicht, die Nationalelf schied bereits im Viertelfinale gegen Japan aus. Frauenfußball blieb eine Randnotiz – bundesweit genauso wie in Köln. Hier lässt Toni Schumacher sich beim jährlichen Pokalfinale als Schirmherr des Frauenfußballs feiern. Und sonst? Die Damenmannschaft degradierte er einst auf einer Mitgliederversammlung mit den Worten “Das ist das Schönste, was unser Verein zu bieten hat!” chauvinistisch zu Modepüppchen. Was er sonst für den Frauenfußball tut, ist nicht bekannt.

Nicole Bender in Aktion 2012 | Foto: Friedemann Vogel/Bongarts/Getty Images

Bis zum Amtsantritt Alexander Wehrles war Frank Schaefer der Ansprechpartner der Abteilung. Nun ist es der Finanzchef. Der Geschäftsführer “unterstützt uns immer und interessiert sich für unsere Entwicklung” sagt Nicole Bender. Er war es auch, der die Mannschaft auf Nachfrage zur Karnevalssitzung einlud – offenbar vergaßen die Organisatoren des Klubs das im Vorfeld. Es sind diese kleinen Gesten, die große Wirkung erzielen. Sie häuften sich während der letzten Jahre.

Bender beurteilt die Situation auch als zunehmend besser. “Vor fünf bis zehn Jahren gab es für uns quasi keine Perspektive. Das ist jetzt anders. Wir verbessern uns und unsere Strukturen langsam, aber stetig.” Seit Saisonbeginn betreut ein Physiotherapeut die Damenmannschaft und die B-Jugend (A-Jugenden gibt es im Frauenfußball nicht), zudem arbeitet das Trainerteam schon lange zusammen. Klar ist aber: Für den effzeh ist der Frauenfußball bislang kein Gewinngeschäft. Ohne ehrenamtliche Aktive und wenige Sponsoren wäre die Abteilung kaum überlebensfähig. Der ehemalige Vizepräsident Friedrich Neukirch war früher mit der Firma “Klosterfrau” ein starker Förderer des Kölner Frauenfußballs, heutzutage ist es Heiko Hünemeyer mit “Schaebens”.

Das Ziel? “Alle sollen vom Sport leben können”

Der effzeh könnte dennoch mehr zur Weiterentwicklung beitragen. Insbesondere bei der Werbung. Während der Klub auf seinen Social-Media-Kanälen zuletzt vor allem die E-Sports-Abteilung anpries, sind Hinweise auf anstehende Spiele der Frauen kaum vorhanden. “Derzeit haben wir einen Zuschauerschnitt von 150 bis 200 Leuten pro Spiel. Die kenne ich aber, platt gesagt, alle persönlich” sagt Nicole Bender. Hinweise auf anstehende Heimspiele wären eine Möglichkeit, um mehr Leute anzulocken. Als das Spiel der Herrenmannschaft gegen Duisburg ausfiel, setzte der Klub einen Tweet ab – ein fast einmaliges Ereignis. “Es motiviert Sportler unglaublich stark, wenn ihnen mehr Leute zuschauen. Wir spielten vor Jahren mal gegen die Bayern, aber vor 1000 Leuten. Das hat uns so gepusht, dass wir das Spiel sogar gewannen” fügt sie hinzu.

Ich möchte, dass bei uns alle Spielerinnen vom Sport leben können.

Auf ihr persönliches Ziel angesprochen, sagt sie: “Ich möchte, dass bei uns alle Spielerinnen vom Sport leben können. Es geht nicht darum, dass sie am Ende ausgesorgt haben. Sondern darum, dass sie sich komplett auf den Fußball konzentrieren können.” Sie ist überzeugt: “Wenn wir das umsetzen, würden viele Nationalspielerinnen sofort zu uns kommen. Das würde mehr Erfolg, mehr Aufmerksamkeit und mehr Einnahmen bedeuten.” Vergleiche mit dem Männerfußball weist sie zurück. “Das kann man nicht vergleichen, das sind letztlich zwei verschiedene Sportarten. So viel Geld wird im Frauenfußball nie unterwegs sein.”

Beim Gang durch die Kabinen und Katakomben ist trotzdem schnell klar: Diesen Bedingungen würde sich kein ambitionierter männlicher Fußballspieler freiwillig für eine Aufwandsentschädigung aussetzen. Im Frauenfußball gelten sie dagegen als fortschrittliche Basis.

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