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Ralf Friedrichs im Interview zur Zukunft des FC-Stammtisch Talks: “Ich will wieder unters Volk – da gehört das Format hin”

Foto: privat

Etwas mehr als drei Monate ist es nun her, dass der letzte „FC-Stammtisch Talk“ vor Publikum stattfand. Obwohl der Vorstand des 1. FC Köln Mitte Januar zu Gast im Brauhaus Stüsser war, hatte sich effzeh.com als Medienpartner der Veranstaltung nach intensiven internen Diskussionen dazu entschlossen, über die Ausgabe aus wichtigen Gründen, die wir hier aufgearbeitet hatten, schweren Herzens nicht zu berichten.

Seitdem ist viel passiert – vor allem ist die Coronavirus-Pandemie passiert. Doch wie geht es mit dem „FC-Stammtisch Talk“ weiter, den Initiator, Veranstalter und Moderator Ralf Friedrichs nach den Vorfällen im Januar erst einmal auf Eis gelegt hatte? Sogar die Zukunft des Projekts hatte der Talkmaster öffentlich infrage gestellt. Auch deshalb haben wir in der derzeitig schwierigen Situation Ralf Friedrichs zum Gespräch gebeten – selbstverständlich aus sicherer Distanz via Telefon.

Hinweis: effzeh.com ist seit des Comebacks des “FC-Stammtisch Talks” 2018 Medienpartner der monatlichen Talkrunde zum 1. FC Köln. Ralf Friedrichs schreibt darüber hinaus als Autor für unser Magazin.

Ralf, die Eröffnungsfrage gilt in diesen Tagen natürlich der Gesundheit. Wie geht es dir?

Da ist alles in Ordnung, denn es geht mir und zum Glück auch meiner Familie gesundheitlich gut. Natürlich leiden wir wie alle anderen auch unter den diversen Folgen der Corona-Krise, vor allem vermissen wir den persönlichen Kontakt zu den Eltern oder zu Freunden. Aber da sind wir ja nicht alleine. Natürlich fehlt mir auch der FC und die Diskussionen darüber. Wobei ich nicht sicher bin, ob die gesundheitlich wirklich immer förderlich sind. (lacht)

Trotz des deutlich vernehmbaren Augenzwinkerns am Ende stellen sich daraus offene Fragen. Wir müssen über den „FC-Stammtisch Talk“ sprechen. Der sollte laut deiner damaliger Erklärung ja auf Eis gelegt werden und wurde sogar öffentlich vor dir generell in Frage gestellt. Was kannst du uns jetzt nach drei Monaten dazu sagen?

Der Veröffentlichung auf der Website folgte tags darauf ja noch einmal eine weitergehende Erklärung auf Facebook. Darin habe ich klar formuliert, dass ich natürlich die Saison zu Ende führen möchte und in der Zwischenzeit überlege, wie es generell mit dem Talk weitergeht. Es ging also nie um das sofortige Ende. Dazu muss ich an dieser Stelle einmal klar zum Ausdruck bringen, dass es mir nicht etwa um Koketterie mit dem Rücktritt ging, um beispielsweise Schlagzeilen wie unter anderem im Express zu generieren. So sehr ich manchmal im Talk vielleicht etwas herumalbere, so ernst nehme ich meinen Job als Veranstalter und Moderator des Talks. Damit sind wir beim Kernproblem: Moderator und Veranstalter sind nun mal eine Person, aber hier war ich bezüglich beider Verantwortungen in der Zwickmühle. Der FC, in dem Fall in Person von Eckhard Sauren, hat mich – sicher ungewollt – in die Situation versetzt, das ich entweder aus der einen oder aus der anderen Sichtweise einen gravierenden Fehler machen musste. Aus diesem Dilemma kam ich einfach nicht raus.

Foto: privat

Inwiefern?

Um es klar zu sagen: Niemand, auch mein Herzensverein nicht, hat sich in die Gästeplanung einzumischen. Daher hätte ich aus journalistischer Sicht wenige Stunden vor der Veranstaltung auf die Teilnahme des 1. FC Köln verzichten müssen. Doch dann hätte ich die über 100 Gäste, die sich im Brauhaus Stüsser hauptsächlich wegen der Vorstandsteilnahme angemeldet hatten, brüskiert. Das konnte ich also auch nicht bringen, also habe ich es Thomas (Anm.d.Red.: Chefredakteur von effzeh.com) überlassen, wie er auf den FC-Wunsch seiner Nicht-Teilnahme reagiert. Nochmal: Ich habe ihn nicht ausgeladen und das hätte ich auch niemals getan. Aber dennoch musste ich ihn über die Situation informieren und dass er am Ende dem Talk fernblieb, kann ich sehr gut verstehen. Das war auch für ihn eine ganz blöde Situation. Um es klar zu sagen: Es ist insgesamt wirklich hochgradig dumm gelaufen und ich war daran sicher auch nicht unschuldig.

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selbst geärgert hat und wie er das Ganze drei Monate später sieht

Was wirfst du dir vor, was dem FC?

Das wurde ja alles schon gesagt, aber ich wiederhole es gerne. Offensichtlich habe ich während des Einladungsprozesses im Hinterkopf zu sehr auf den Bekanntheitsgrad des seit mehr als elf Jahren agierenden Talks gesetzt und nicht groß erklärt, dass immer auch weitere Gäste aus dem Bereich Medien oder Fanumfeld geladen werden. Das aber wusste Eckhard Sauren nicht, der dachte, es würde so laufen wie beim Sonder-Stammtisch, als das Trio auf Kandidatentour war. Auch das der Talk schon eine gute Woche zuvor mit allen Gästen, also auch euer Chefredakteur, öffentlich auf allen Kanälen angekündigt war, hat beim FC entweder keiner mitbekommen oder kein Problem darin gesehen. So kam es dann schließlich zu dem Umstand, dass Eckhard Sauren Thomas’ Teilnahme erst kurz einen Tag vor der Veranstaltung bekannt wurde und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Man kann mir also vorwerfen, dass ich Eckhard Sauren nicht explizit darüber unterrichtet habe.

“Offensichtlich habe ich während des Einladungsprozesses im Hinterkopf zu sehr auf den Bekanntheitsgrad des seit mehr als elf Jahren agierenden Talks gesetzt.”

Sauren hat auf dem „FC-Stammtisch Talk“ seine Sicht der Dinge geschildert und auch gesagt, dass er letztlich sogar die ursprüngliche Zusammensetzung akzeptiert hätte. Warum kam das dann nicht zustande?

Es gab intensive Gespräche zwischen allen Beteiligten noch am Tag des Talks. Die Inhalte sollen grundsätzlich intern bleiben, aber im Zuge dessen hat Eckhard Sauren nach einigen Diskussionen tatsächlich angeboten, dass Thomas auch Teil des Talks sein kann. Dass er diese knapp zwei Stunden vor Talkbeginn gemachte Offerte abgelehnt hat, kann ich nach diesem Hin und Her verstehen. Ich hätte das vermutlich nach der Vorgeschichte auch so gemacht.

Ist das Verhalten des Präsidiums denn in deiner Sichtweise nachvollziehbar? Warum glaubst du, sie wollten keinen Journalisten dabei haben?

Die zweite Frage muss man Eckhard Sauren und Werner Wolf selbst stellen. Persönlich fand ich das nicht nachvollziehbar, weil schließlich alle Talkformate über kontroverse Gästezusammenstellungen funktionieren. Vielleicht ist man es bei den großen Fußballvereinen mittlerweile gewöhnt, mehr im eigenen Saft zu schmoren. Ich sehe das eh allgemein als Problem an, dass man als Fußballverein zu sehr sein eigener Medienkonzern geworden ist. Schon die normale TV-Berichterstattung ist meines Erachtens in der Gänze gesehen viel zu unkritisch, da sind einige mittlerweile mehr Verkäufer ihres teuer erworbenen Produkts als kritische Journalisten. Das Ganze erhält dann in der vereinseigenen Berichterstattung dann noch eine Steigerung, die ist meist komplett kritikfrei oder höchstens pseudokritisch. Daran haben sich viele Verantwortliche wohl schon so sehr gewöhnt, das sich der ein oder andere tatsächlich kritische Journalist vor laufenden Kameras sogar schon einiges anhören musste, wenn man mal von der eher seichten Fragestellung abweicht.

Foto: privat

Gab es denn deinerseits im Nachgang noch ein klärendes Gespräch mit dem 1. FC Köln?

Das wurde im Prinzip noch am Abend mit Werner Wolf und Eckhard Sauren bereits vor und nach dem Talk im Brauhaus Stüsser geführt. Ich habe das so verstanden, dass es nun damit auch aus der Welt ist. Es wurden beidseitig Kommunikationsprobleme eingeräumt und man ist friedlich auseinander gegangen. Danach gab es keinen Kontakt mehr mit dem Verein.

Wenn es doch friedlich auseinander gegangen ist, wieso der Ärger im Nachhinein?

Daran seid ihr auch nicht ganz unschuldig (lacht). Denn natürlich hat euer zeitgleich zum laufenden Talk veröffentlichter Artikel – den ich nachvollziehbar und richtig fand – ja mehr eure Sichtweise dargestellt. Ich konnte aber erst am Folgetag reagieren und mich zur Sache erklären. Bis dahin habe ich mir einen ziemlichen Shitstorm anhören müssen, da die meisten ja gedacht haben, ich hätte ohne offensichtlichen Grund dem FC nachgegeben. Aber nachdem ich meine Erklärung abgegeben hatte, drehte sich das rasch wieder, weil die Leute mein Dilemma, so oder so eigentlich keine allseits zufriedenstellende Entscheidung treffen zu können, verstanden haben. Daraufhin hat mich eine Flut an Nachrichten über alle Kanäle erreicht, über 150 Zuschriften. Zu 99 Prozent positiv für mich und das Format. Das hat natürlich gut getan und ich kann mich bei allen nur bedanken.

“Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber ich habe es im Endeffekt zugelassen, dass ein Gast auf Wunsch eines anderen nicht am Talk teilgenommen hat.”

Warum denn dann die Gedanken, alles hinzuschmeißen?

Weil mich das alles doch sehr aufgewühlt hat und weil ich hohe Ansprüche an mich selbst stelle. Als bekanntermaßen kritisches Format darf man sich solche journalistischen Fehler grundsätzlich nicht erlauben. Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber ich habe es im Endeffekt zugelassen, dass ein Gast auf Wunsch eines anderen nicht am Talk teilgenommen hat. Ob es dafür gute Gründe gab oder ich aus Veranstaltersicht richtig gehandelt habe, ist rein journalistisch gesehen, nicht relevant. Dieses „Vergehen“ habe ich begangen. Und ja, ich wollte deswegen zum Saisonende hinschmeißen. Ich war der Meinung, mich und das Format damit irreparabel beschädigt zu haben.

Jetzt sind genau drei Monate ins Land gegangen. Wie siehst du es heute?

Zunächst einmal habe ich ja den Februar-Termin bewusst ausfallen lassen, auch um mir meine Gedanken zu machen, wie ich damit umgehe. Da wäre es aber aufgrund der engen Terminierung und des Karnevals eh schwierig geworden, einen Talk durchzuführen. Dann sollte es am 16. März im Brauhaus Stüsser eigentlich normal bis Saisonende einmal pro Monat weitergehen. Doch der Coronavirus war dagegen und so habe ich eine Talk-Ausgabe am 25. März und eine Retro-Folge am 09. April von zuhause aus veröffentlicht. Das sind natürlich nur Notlösungen, aber ich will den Stammtisch-Freunden ja dennoch etwas anbieten und die Präsenz meiner Werbepartner auf den Roll-ups ist mir eben auch wichtig. Dazu tat es einfach mal gut, so was zu machen. Es ist schon alles recht eintönig dank der Situation rund um das Virus.

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und wichtige Projekte zur Finanzierung der Talkrunde

Wie stehst du nun zur weiteren Zukunft des Talks?

Bezüglich der irreparablen Beschädigung des Formats, das sehe ich nun nicht mehr so. Wurde das Format beschädigt: Ja, sicher! Aber irreparabel: Nein! Mit der Zeit, die ich nun auch gebraucht habe, setzte sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass man deswegen nicht einfach die letzten elf Jahre aufgibt. Man darf ja nicht vergessen: Der Talk ist ja nicht nur eine FC-Gesprächsrunde, er ist ja auch eine Begegnungsstätte – und das nicht nur für die Teilnehmer der Talkrunde, sondern für die Fans. Es ist eben doch etwas anderes als ein Podcast, so sehr ich diese Sachen auch mag und da auch gerne als Gast da teilnehme.

“Der Talk ist ja nicht nur eine FC-Gesprächsrunde, er ist ja auch eine Begegnungsstätte – und das nicht nur für die Teilnehmer der Talkrunde, sondern für die Fans.”

Die physische Komponente eines Talkabends sozusagen. Sich vor Ort treffen, über den FC und den Alltag quatschen, ein wenig abschalten. So ungefähr?

Ja, genau. Beim „FC-Stammtisch Talk“ kommen Menschen zusammen, die alle gemeinsam die Leidenschaft 1. FC Köln vereint. Das sind ganz normale Fans, aber auch Vereinsangehörige und sogar ehemalige Spieler, die man unter den Zuschauern findet. Es wird sich ausgetauscht, Kontakte entstehen, Freundschaften werden geschlossen. Man glaubt gar nicht, wie viele Zusammenkünfte sich aus diesem kleinen Format all ergeben haben. Man nimmt ja auch teil am Leben der Gäste. Wenn ich zum Beispiel an unseren Haus- und Hof-Fotografen Dieter Voss denke, der so lange krank war – da hat fast die gesamte Stammtisch-Community mitgelitten und sich gefreut, als jetzt wieder die ersten Meldungen auf Facebook erfolgten, das es ihm zum Glück wieder besser geht.

Foto: André Friedrichs

Es ist eben so, dass bei unserem Talk auch eine Menge „kölsches Jeföhl“ mitschwingt, was selbst am Monitor herüberkommt. Ich darf da mal aus einer von vielen Emails zitieren, die mich nach meinen Rücktrittsgedanken von FC-Fans aus Bayern erreicht hat: „Wir schauen immer zusammen mit lieben Freunden, natürlich Bayern-Fans, euren Stammtisch. Die sind regelrecht neidisch, dass es sowas bei denen nicht gibt und meinen nun auch, dass man das unbedingt erhalten müsse. Also Ralf, mach bitte weiter. Das zieht mehr Kreise, als du vielleicht denkst“.

Wenn man solchen Zuspruch liest und hört – dann kann man doch eigentlich gar nicht aufhören, oder?

Das habe ich mich auch gefragt, zumal das der allgemeine Tenor war. Ich werde also zumindest versuchen, das Format langfristig zu erhalten, was natürlich die Corona-Krise nicht erleichtert hat. Erst einmal muss die Saison zu Ende geführt werden, also rein fußballtechnisch, was ja dann wieder ein eigenes Thema für sich ist. Aber eben auch von der Stammtisch-Seite aus. Da bin ich nun abhängig davon, wie es wann weitergeht und ob man in absehbarer Zeit noch einmal in eine Gaststätte damit kann. Denn eines ist klar: Auf lange Sicht will ich wieder ins Brauhaus, wieder unter Menschen. Mir ist nun noch klarer als zuvor geworden, wie wertvoll das alles ist. Ob privat oder mit dem Stammtisch-Format – ich will wieder unters Volk. Da gehöre ich hin und da gehört auch das Format hin.

Wenn du sagst, du willst „versuchen“, das Format aufrecht zu erhalten, dann könnte man daraus verstehen, dass es schwierig wird?

Nun ja, wie für viele andere auch, muss auch ich sehen, dass es irgendwie weitergeht. Offiziell systemrelevant ist die Arbeit als „Stammtisch’ler“ nun nicht gerade und es fällt zur Zeit halt einiges an Einnahmen weg. Ich versuche das zu kompensieren, indem ich einige Produkte rund um den Stammtisch auf meiner Website anbiete. Das konnte man ja damals beim Crowdfunding für diese Saison nicht einkalkulieren und so muss es auf dem Wege gehen, um die Folgen abzumildern. Mir ist ja klar, dass im Moment viele auf diese Art und Weise um Unterstützung bitten und ich muss es leider auch tun. Wer also mag, darf gerne da mitmachen. Ich verstehe aber auch jeden, der es eben zur Zeit nicht kann.

Zusehen, dass es irgendwie weitergeht, muss auch der 1. FC Köln, den – wie die ganze Bundesliga – die Corona-Krise ziemlich getroffen hat. Wie viele Sorgen machst du dir auch um den Verein?

Natürlich geht mir nach meiner Sorge um Familie und Privates auch mein Verein nicht aus dem Sinn. Ich denke aber, dass der FC es überstehen wird. Aktuell geht es ja in Richtung Geisterspiele ab Mitte Mai, was ja Einnahmen sichern würde. Ob ich mir das als Fan wünsche, ist eine andere Frage. In der Sache bin ich ziemlich zwiegespalten, denn man könnte ja die Corona-Krise dazu nutzen, sich grundsätzlich über das Businessmodell Profifussball Gedanken zu machen und Änderungen anzustoßen. Aber da ich da keinen Einfluss habe und auch noch nicht weiß, wie es überhaupt in dieser Sache weitergeht, warte ich zunächst die weitere Entwicklung ab und hoffe, dass wir bald schrittweise in eine Art Normalität zurückkehren können.

“Sollte es ab Mitte Mai tatsächlich weiter gehen, dann starte ich sicher aus meinem kleinen Studio etwas in der Richtung, entweder mit Gästen vor Ort auf Abstand oder via Telefon oder Skype.”

Zum guten Schluss: Wirst du bald wieder aktiv einen Talk anbieten, wenn auch von zuhause aus?

Ja, auch wenn ich noch nicht weiß, wann ich das mache. Sollte es ab Mitte Mai tatsächlich weiter gehen, dann starte ich sicher aus meinem kleinen Studio etwas in der Richtung, entweder mit Gästen vor Ort auf Abstand oder via Telefon oder Skype. Es geht weiter und ihr werdet es hier zuerst erfahren, wenn das feststeht.

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