Zum Topspiel des 29. Spieltags empfing der 1. FC Köln am Montagabend den Hamburger Sportverein. Die beiden Absteiger aus der Bundesliga begegneten sich erstmalig in der Zweitklassigkeit, weswegen der Rahmen trotz der fragwürdigen Terminierung am Montagabend (450 Kilometer liegen zwischen Hamburg und Köln) durchaus stimmungsvoll war. Mit dem Rückenwind aus sechs Siegen und einem Unentschieden kamen die Gastgeber aus der Domstadt mit breiter Brust in das Aufeinandertreffen der beiden Schwergewichte.
Personelle Probleme gab es eher auf Seiten des HSV, bei dem mit Lasogga, Holtby und Hunt drei wichtige Leistungsträger fehlten – die Besetzung einiger Schlüsselpositionen galt daher als Herausforderung für Trainer Hannes Wolf. Beim 1. FC Köln gab es weder personell noch taktisch eine Überraschung: Mit Höger als zentralem Aufbauspieler neben dem wiedergenesenen Meré und Czichos spielte die gewohnte Dreierreihe, die von Kainz und Clemens flankiert wurde. Die Hereinnahme von Geis sorgte im Vergleich zum Spiel in Duisburg für eine größere Stabilität im Mittelfeld, Hector und Drexler besetzten wie gewohnt die Halbpositionen vor dem Sturmduo Terodde und Cordoba.
Die Herangehensweise des HSV und die Führung des 1. FC Köln
Der effzeh erwischte einen guten Start ins Spiel und schaffte es, durch die hohe Präsenz der Offensivspieler immer wieder für Überzahl und daher für Stress bei der Abwehr des HSV zu sorgen. Einzig die letzte Aktion vor dem Abschluss verhinderte, dass die “Geißböcke” in der Anfangsphase in Führung gingen – einige Abschlüsse (Terodde, Hector) wurden geblockt, ansonsten passte der letzte Pass nicht (zuerst Drexler, später dann Hector). Das Gegenpressing funktionierte ebenfalls, sodass die Anfang-Elf gegen den HSV zunächst viele Ballgewinne verzeichnete.
Die Gäste versuchten es zu diesem Zeitpunkt noch im 4-1-4-1 gegen den Ball, in dem Özcan als Sturmspitze Höger anlief und die beiden Achter Jung und Mangala sich um die Halbverteidiger Czichos und Meré kümmerten. Narey und Jatta agierten tiefer, weil die Wing-Backs des 1. FC Köln sich natürlich auch offensiver positionierten. Janjicic auf der Sechs agierte als Absicherung und pendelte nach etwa einer halben Stunde dann in die Abwehrzentrale zwischen Lacroix und van Drongelen. War der HSV im Ballbesitz, sah man derweil die gewohnten Mechanismen: Sakai rückte (ähnlich wie am Anfang der Saison auch die Außenverteidiger beim 1. FC Köln) auf eine Halbposition im Mittelfeld und machte den Passweg auf die offensiven Außen frei.
Douglas Santos auf der Gegenseite unterstrich im Spiel gegen Köln abermals seine außergewöhnlichen Qualitäten in der Ballzirkulation und im Dribbling. Auf den für diese beiden Spieler relevanten Positionen ergaben sich durchaus Potenziale für den HSV, weil der effzeh aufgrund der Besetzung des Mittelfeldzentrums mit nur drei Spielern (gegen den Ball) die Breite des Spielfelds schlechter abdecken kann – vor Kainz und Clemens ergeben sich dann zwangsläufig immer Räume, die bespielt werden können.
Clemens’ Auswechslung als erste Schlüsselszene
Die Führung für den Tabellenführer fiel dann aus einer Standardsituation: Geis brachte den Ball auf den ersten Pfosten, an dem Höger den Ball verlängerte. Am zweiten Pfosten drückte Drexler den Ball ins Tor. Diese Variante hat beim effzeh in dieser Saison bereits schon häufiger funktioniert, Drexler besetzt grundsätzlich die Position am langen Pfosten und spekuliert auf verlängerte oder abprallende Bälle. Das Gros der Spieler formiert sich woanders, sodass der Offensivspieler genau in diesen Raum stoßen und wie gegen Hamburg treffen kann.
Der HSV veränderte dann die Herangehensweise und spielte im 5-3-2, um der Überzahl des effzeh im Zentrum entgegenzutreten, was der untenstehende Screenshot aus den Bildern von FC-TV unterstreicht (einzig Czichos und Höger sind nicht zu sehen). Diese Dynamik veränderte sich dann aber in einer weiteren Schlüsselszene der Partie: Nach 40 Minuten verletzte sich Christian Clemens, der bis dato Bakary Jatta ganz gut im Griff hatte, am hinteren Oberschenkel. Der effzeh agierte einige Sekunden in Unterzahl, Janjicic rückte wieder vor.
Foto: Screenshot FC-TV
Die Einwechslung von Risse für Clemens war für Anfang aufgrund der Besetzung des Kaders zwangsläufig, obwohl einige Kommentierende am Tag danach vehement forderten, dass Louis Schaub hätte gebracht werden sollen. Gewiss, Schaub ist ein toller Fußballer und ganz wichtig für den effzeh, als Wing-Back wäre er jedoch die falsche Wahl.
Auf der nächsten Seite: In-Game-Coaching und der Verlauf der zweiten Halbzeit.
Nach dem Seitenwechsel hatte der HSV dann längere Ballbesitzphasen zu verzeichnen, die beispielsweise in einem Abschluss von Jatta endeten. Innerhalb von fünf Minuten gab es dann zwei Szenen, die im Nachgang der Partie für Diskussionen sorgten: Zuerst wurde Cordoba im Strafraum von Lacroix bedrängt, was durchaus einen Elfmeter nach sich hätte ziehen können. Fünf Minuten später nahm Kainz Tempo auf und zog am bereits gelb-verwarnten Jung vorbei, der ihn foulte – allerdings ohne dafür die zwangsläufige zweite gelbe Karte zu sehen.
Dass der HSV in dieser Szene Glück hatte, bekannte nach der Partie Trainer Hannes Wolf in der Pressekonferenz. Auch an der Art und Weise, wie Einwechselspieler Vagnoman zur Bank sprintete, war erkennbar, dass der HSV froh darüber war, Jung noch rechtzeitig vom Platz nehmen und mit zehn Feldspielern weiterspielen zu können.
Der Impuls zum Sobiech-Wechsel kam aus der Mannschaft
Mit Vagnoman kam ein klassischer Flügelspieler, der beim HSV mehr Breite brachte. Narey ging dafür ins Zentrum und der wohl spielstärkste Hamburger Offensivakteur Berkay Özcan rückte ein wenig tiefer, bekam mehr Einfluss aufs Spiel und besetzte die offenen Räume. Beim effzeh häuften sich die Ballverluste, die Ballbesitzphasen wurden immer kürzer, es gab mehr unkontrollierte Befreiungsschläge – der HSV war überlegen und hatte das Momentum auf seiner Seite.
Vielleicht auch deswegen ging dann ein Impuls aus der Mannschaft an die Seitenlinie über, in dessen Folge Trainer Markus Anfang mit einem Wechsel reagierte – Sobiech kam für Terodde und rückte neben Meré und Czichos in die Dreierkette. Höger rückte nach vorne neben Geis, so dass Hector und Drexler zur Unterstützung der Außenspieler verteidigen konnten.
Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images
“Es war so, dass wir mit den Spielern immer wieder Rücksprache gehalten haben. Die Jungs hatten das aktive Verteidigen nicht mehr drin. Irgendwann wechselst du, weil du versuchen musst, eine gewisse Stabilität in die Balleroberungen reinzubringen”, zitiert der “Geissblog.Köln” Markus Anfang am Tag nach dem Spiel. Wenige Minuten später kam dann Modeste für Cordoba, um einen frischen Spieler in der Spitze zu haben, der in die Räume hinter der Kette kommen kann.
Das funktionierte dann auch nach zwei Minuten schon gut, van Drongelen klammerte allerdings gegen den Franzosen und der HSV hätte sich erneut nicht über einen Strafstoßpfiff beschweren können. Beim HSV war unterdessen mit Manuel Wintzheimer ein Zentrumsstürmer eingewechselt worden, der in der 85. Minute im Anschluss an eine Standard- und missglückte Klärungsaktion von Risse unter Mithilfe von Sobiech den Ausgleich erzielte. Auch danach fand der effzeh nicht mehr zurück in die Begegnung, sodass es am Ende beim Unentschieden blieb.
Der HSV wurde gegen Ende des Spiels besser gecoacht
Durch das Ergebnis konnte zwar der Vorsprung auf den HSV gehalten werden, die Leistung in der letzten halben Stunde sorgte allerdings für Unzufriedenheit im Umfeld des 1. FC Köln. Auch der Einfluss des Schiedsrichters in diesem Zusammenhang wurde zitiert, kann aber kaum als Entschuldigung dafür herhalten, dass der HSV durch simple und nachvollziehbare Wechsel die Dynamik des Spiels komplett beeinflussen konnte.
Der effzeh wechselte auch, weswegen das In-Game-Coaching von Anfang zurecht diskutiert wurde. Wenn allerdings der Impuls aus der Mannschaft kam, muss dieser Fakt in der Bewertung miteinbezogen werden – ob Anfang mit Schaub oder Koziello ballsicherere Spieler hätte bringen können, ist eine berechtigte Frage. Ähnliches wurde auch am Samstag in Dortmund diskutiert, als der BVB gegen Mainz zwar führte, durch die Hereinnahme eines weiteren Innenverteidigers aber auf Entlastung nach vorne gänzlich verzichtete und sich so zum Sieg quälte. Für einen solchen sollte es beim effzeh am Montagabend eben nicht reichen.