In Köln läuft es gerade – so macht es den Eindruck. Doch abseits des guten Rückrundenstarts verschärft sich nach Fahnenklau und Sektorentrennung der Konflikt zwischen einigen Anhängern und der Kölner Vereinsführung. Spätestens beim Scheitern der Mission “Klassenerhalt” dürfte er sicht- und hörbar werden. Eine Analyse.
Als außenstehender Beobachter könnte man meinen, dass es beim 1. FC Köln gerade irgendwie aufwärts geht. Drei Siege in Folge und ein Remis gegen Augsburg stehen für den Traditionsclub zu Buche. Und auch die Kölner Fans halten weiter treu zu ihrem Club, obwohl der vor Weihnachten gefühlt schon abgestiegen war. Nun scheint sogar der letzte Strohhalm Relegation wieder erreichbar zu sein für die Elf von Stefan Ruthenbeck. Doch nicht nur das: Der FC-Trainer will gegen Augsburg sogar eine „Symbiose“ zwischen Mannschaft und Anhängern ausgemacht haben, die Fans zeigten derzeit ein tolles Gespür für ihre Spieler. „Das war der Wahnsinn“, schwärmte Ruthenbeck nach dem 1:1 gegen den FCA von der Stimmung im Müngersdorfer Stadion.
Tatsächlich war die Unterstützung auch gegen Augsburg auf gewohnt hohem Niveau. Dass der Spieltag von den organisierten Fanszenen des Landes zum Protest gegen die Verbände genutzt wurde – die Anhänger verzichteten in fast allen Bundesliga-Stadien in den ersten zehn Minuten auf Banner, Fahnen und sonstige optische Support-Elemente, um für die Freigabe dieser Materialen einzutreten – tat der Stimmung ebenso wenig Abbruch wie die kurzfristig vom 1. FC Köln verkündete Sektorentrennung, die es sonst nur bei Hochrisikospielen im Müngersdorfer Stadion gibt.
Sektorentrennung: Nachteil für alle Fans
Dass die Maßnahme der Vereinsführung auf Gegenliebe gestoßen wäre, bedeutet das allerdings keineswegs. Ob Ultra oder nicht – über die dauerhafte Sektorentrennung freut sich bei den FC-Fans eigentlich niemand. Schließlich sind nahezu alle Fans und zu viele liebgewonnene Rituale, die für viele zum Stadionbesuch dazugehören, davon betroffen.
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Den Kumpel noch auf ein Kölsch am anderen Ende des Stadions treffen, bevor man wieder in den Block zurückkehrt, für den man eine Karte hat? Geht nicht mehr. Ein kurzer Besuch mit dem Nachwuchs im Fanshop in der Nordkurve? Ohne Karte für diesen Bereich unmöglich.
Freut sich über die Unterstützung: Stefan Ruthenbeck | Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images
Der 1. FC Köln nimmt es offenbar dennoch in Kauf, dass die große unbescholtene Mehrheit mit diesen Nachteilen beim Stadionbesuch nun leben muss. Begründet hat der Verein das gegenüber effzeh.com mit den Vorfällen beim Derby gegen Mönchengladbach und dem Schmuggel von nicht genehmigten Materialen im Allgemeinen. Allerdings war die Partie gegen den rheinischen Rivalen ein sogenanntes Risikospiel – mit Sektorentrennung. Der Verein führt die dauerhafte Sektorentrennung also nach Vorfällen bei einem Spiel mit Sektorentrennung ein. Wie schlüssig diese Begründung ist, kann jeder für sich selbst bewerten.
Blinder Aktionismus der Kölner Vereinsführung?
Das taten viele Kölner Fans auch: Schnell war die Maßnahme mindestens als Aktionismus, unter dem alle Fans zu leiden hätten, identifiziert. Manche konnten darin sogar eine gezielte Schikane gegenüber der Südkurve erkennen – mit feinem Gespür pünktlich zum Protestspieltag der Fanszene serviert. Am Sonntag lieferte der 1. FC Köln dann noch eine alternative Erklärung für das Vorgehen: Eine Sicherheitsanalyse hätte ergeben, dass immer mehr Fans, die keine Tickets für die Südkurve hätten, sich dennoch in den begehrten Stehplatzbereich hätten schmuggeln lassen. Das werde durch die Sektorentrennung so gut wie unmöglich – begründete der Verein das Vorgehen gegenüber dem „Geissblog.Koeln“, der dementsprechend berichtet. Statt den Derby-Vorfällen und ungeliebtem Banner-Schmuggel sind es nun also Sicherheitsaspekte, die den Club die Maßnahme ergreifen lassen.
Foto: Rote Böcke
Tatsächlich ist das beschriebene Vorgehen im Müngersdorfer Stadion altbekannt – für viele Anhänger ist es auch die einzige Möglichkeit, einmal ein Spiel in den begehrten Südkurven-Blöcken erleben zu können. Die Dauerkarten für diesen Bereich sind stets vergriffen. Jeder, der regelmäßig das Stadion besucht, weiß das – die Erkenntnis hätte wohl keiner „Sicherheitsanalyse“ benötigt. Und so klingt die zweite Begründung der Club-Verantwortlichen schlussendlich für viele Anhänger irgendwie ebenfalls nach Aktionismus.
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Oder nach Revanche? Mit ihrem Fahnenklau beim Derby hatten die Kölner Ultras schließlich nicht nur die Gladbacher Anhänger dumm aus der Wäsche gucken lassen, sondern auch das Sicherheitskonzept des Vereins wurde auf großer Bühne der Lächerlichkeit Preis gegeben. Das dürfte nachvollziehbarerweise für wenig Begeisterung beim Klub, der ohnehin noch auf die Strafe für die Vorfälle beim Auswärtsspiel in Belgrad wartet, gesorgt haben. Und natürlich wird auch dieser Fahnenklau beim DFB ein Nachspiel haben.
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Südkurve: Keine Reaktion auf Sektorentrennung
Die aktive Fanszene hat am Samstag übrigens nicht auf das Vorgehen des Vereins reagiert – das könnte an der kurzen Vorlaufzeit gelegen haben. Oder die Unterstützung der Mannschaft erscheint den Anhängern derzeit schlichtweg wichtiger zu sein als die Auseinandersetzung mit der ungeliebten Führungsetage. Doch aufgeschoben ist bekanntlich ja nicht aufgehoben – eine Antwort der Kurve zu späterem Zeitpunkt würde nicht überraschen. Am Montag attackierte der “Südkurve e.V.” jedenfalls schon einmal die Kommunikation des Clubs, erklärte die Arbeit in der “AG Fankultur” für derzeit wenig sinnvoll und kündigte weitere inhaltliche Kritik an. Das Katz-und-Maus-Spiel dürfte weitergehen.
So zeigt sich auch an diesem Spieltag mal wieder, was mittlerweile ohnehin offensichtlich ist: Den Verein durchziehen wieder sichtbare Risse. Und keine Seite lässt derzeit ernsthaft die Bereitschaft erkennen, diese Beziehung irgendwie kitten zu wollen. Während die Fanszene trotz insgesamt beeindruckender Unterstützung immer wieder mit unrühmlichen Ausfällen von sich reden macht, wird die Kritik an der Vereinsführung bei den Verantwortlichen des 1. FC Köln gerne marginalisiert.
Sektorentrennung bei JEDEM Spiel? Ihr habt doch den Schuss nicht gehört. Vorstand raus! @fckoeln #effzeh #koefca
— derbysieger (@koelle1948) January 26, 2018
“Ich werde nicht nervös, wenn 200 Leute im Stadion ‘Vorstand raus’ brüllen”, ließ Vizepräsident Toni Schumacher unlängst wissen. In ähnlicher Manier hatte sich auch Präsident Werner Spinner immer wieder zur Kritik am Vorstand geäußert. Unzufrieden, das sei doch nur eine „kleine Gruppe“ – eine Marginalie sozusagen, nichts, mit dem man sich länger aufhalten müsste. Diesen Eindruck vermittelte die Chefetage zumindest recht deutlich.
Toni Schumacher und Werner Spinner | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Bei der Mitgliederversammlung im vergangenen Herbst votierten allerdings rund 35 Prozent der Mitglieder für die von der Vereinsführung zuvor abgebügelte Mitglieder-Initiative und die damit verbundene Satzungsänderung, die es dem Vorstand untersagt hätte, bis zu 25 Prozent der Vereinsanteile ohne Mitgliederzustimmung zu verkaufen. Und das, obwohl Spinner und Co. im Vorfeld viele sonst eher wenig engagierte Fans mit Gratis-Europapokal-Hoodies erfolgreich zur Abstimmung gelockt hatten.
Demokratisch wäre es gewesen, dieses Drittel der Mitglieder wenigstens nach diesem Ergebnis ernst zu nehmen. Das gelingt der Vereinsführung allerdings bis heute nicht glaubhaft. Dass der Vorstand mit Blick auf den drohenden Abstieg und die katastrophale Hinrunde Fehler immer nur in Verbindung mit dem direkten Hinweis auf die Verantwortlichkeit von Jörg Schmadtke und Peter Stöger eingestehen möchte, rundet das Bild da in den Augen vieler Anhänger nur noch ab.
Nur ein Kritikpunkt von vielen
Nach neuen Auflagen für Choreos im Vorjahr, hochtrabenden Stadionplänen und China-Flirts im Sommer sowie dem misslungenen Umgang mit der Mitglieder-Initiative im Herbst dürfte genau dieses miserable Krisenmanagement den Vertrauensverlust gegenüber dem Vorstand bei einigen nur noch verschärft haben. Die dauerhafte Sektorentrennung ist da nur ein weiteres Kapitel in der Geschichte dieses Konflikts, vermutlich nicht das letzte.
Gleichwohl haben aber auch die Kölner Fans mit ihren Aktionen in Belgrad und Hamburg und der bewussten Provokation beim Heimspiel gegen Hoffenheim keineswegs für eine Entspannung der Lage gesorgt, sondern den Konflikt im Gegenteil weiter fleißig befeuert.
Foto: Srdjan Stevanovic/Getty Images
Derzeit scheint also nur noch die bloße Hoffnung auf den Klassenerhalt – das „feine Gespür“, wie Ruthenbeck es nennt – eine offene Auseinandersetzung zwischen den Kritikern von innerhalb und außerhalb der Südkurve und der Vereinsführung zu verhindern. Solange der 1. FC Köln noch Relegations-Chancen hat, wird dieser “kalte Krieg” zwischen den Fans und der Chefetage vermutlich noch andauern.
Hoffnung wahrt den Frieden – noch
Spätestens wenn der Abstieg des 1. FC Köln irgendwann aber doch näher rücken oder gar feststehen sollte, dürfte der Gegenwind für die Vereinsführung, die bisher trotz der sportlichen Talfahrt und der schlechten Außendarstellung in der Hinrunde für Kölner Verhältnisse doch eher milde attackiert wurde, auch dank Maßnahmen wie der Sektorentrennung spürbar schärfer, sicht- und hörbarer werden.
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Ob die Mehrheit der Kölner Fans auch bei einem Abstieg noch so zahlreich hinter dem derzeitigen Vorstand stehen wird, wie Spinner, Schumacher und Ritterbach glauben, wird sich dann zeigen. Unmöglich ist das nicht. Vielleicht schafft Ruthenbeck ja sogar wirklich das Wunder. Die Kölner Vereinsführung könnte die aus dem Klassenerhalt resultierende Euphorie in diesen Zeiten vermutlich gut gebrauchen. „Zweite Bundesliga, wir sind wieder da“-Hoodies werden ihr ansonsten jedenfalls nicht weiterhelfen können.