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1:6 bei Werder Bremen: Schande und Schaden für den 1. FC Köln

Foto: Oliver Hardt/Getty Images

Allzu deutlich war die Niederlage des 1. FC Köln bei Werder Bremen. Allzu deutlich wurde offensichtlich, wie wenig Motivation, Einstellung und Ehrgefühl die Mannschaft mit dem Geißbock auf der Brust bei dem 1:6-Debakel auf den Platz bringen konnte. Deutlich wurde danach allerdings im Grunde nur einer: Marco Höger. „Es war scheiße, was wir hier abgerufen haben. Das tut mir leid, auch für die Fans“, sprach der FC-Routinier nach der Partie unumwunden Klartext in die Kamera und brachte danach das Problem auf den Punkt. „Wir wissen, dass wir nur eine gute Phase in der Saison hatten. Zu Beginn und am Ende der Saison war das zu wenig. Nur ein gutes Drittel einer Saison wird nächstes Jahr nicht reichen, um in der Bundesliga zu bleiben.“

Wehrlos hatten sich die „Geißböcke“ spätestens nach dem 0:1 der Situation ergeben, die sie eigentlich vermeiden wollten. „Nichts vorwerfen lassen“ lautete die Devise für den abschließenden Bundesliga-Spieltag, noch einmal Vollgas geben für Fairplay im Abstiegskampf, für die eigene Seele und das eigene Portemonnaie. Nichts von diesen hehren Vorsätzen war in den 90 Minuten in Bremen zu erkennen gewesen, über weite Strecken präsentierte sich der FC wie eine lustlose Mannschaft, die für diesen Kick aus dem Urlaub geholt wurde. Wieder einmal stellten die Kölner nach Erreichen des Saisonziels das Arbeiten ein – es erinnerte frappierend an die jüngere Vergangenheit, Kaiserslautern und Co. lassen grüßen.

Ein inakzeptabler Schaden für Image und Konto

So entstand mit der Auswärtsklatsche bei Werder ein gravierender Schaden für den 1. FC Köln. Ein Schaden, der weder für Fans noch für die Verantwortlichen zu akzeptieren ist. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Anwürfe, der FC habe dem rheinischen Rivalen aus Düsseldorf mit dieser Leistung absichtlich schaden wollen, sind aus der Luft gegriffen. Die zehn Spiele ohne Sieg sprechen eine deutliche Sprache, die Auftritte seit der Bundesliga-Fortsetzung eine noch deutlichere. Gelingt es dem 1. FC Köln nicht, Willen und Leidenschaft auch nur ansatzweise auf den Platz zu bringen, dann reicht es nicht für die höchste deutsche Spielklasse. So einfach ist das. So bitter ist das.

So bitter ist allerdings auch das, was mit dem 1:6 in Bremen sowie den symbolischen Szenen auf Tribüne und am Mannschaftsbus einhergeht. Finanziell hat der eh durch Misswirtschaft in den vergangenen Jahren gebeutelte Verein dank der abermals lustlosen Leistung ein heftiges Minus bei den TV-Geldern erlitten. Noch gewichtiger ist dagegen der Imageschaden, den der Verein davon trägt: Zwar darf sich insbesondere Fortuna Düsseldorf nach nur 30 Punkten in 34 Spielen gern an die eigene Nase fassen, was den Abstieg in die 2. Bundesliga anbetrifft, doch der 1. FC Köln hat sich am letzten Samstag der Saison wie ein sportlicher Absteiger präsentiert. Es sollte jedem am Geißbockheim klar sein: Das, was in Bremen geleistet wurde, ist eine Schande für den FC und diesem Verein unwürdig.

Der 1. FC Köln hat ein Mentalitätsproblem

Doch es zeigte sich bei der deutlichen 1:6-Klatsche ein Thema, das schon seit längerem bei den „Geißböcken“ schwelt. Der Verein hat ein massives Mentalitätsproblem, das auch in Högers Aussagen durchklang. Wieder einmal schafft es die Mannschaft nicht, die Spannung über weite Strecken der Saison hochzuhalten. Als hätte der Verein die Spieler in Kurzarbeit geschickt – und nicht die eigenen Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle. Für den Klassenerhalt reichten praktisch die Teilnahme am Spielbetrieb zwischen Mitte Dezember und Mitte März. Schon beim Aufstieg präsentierte sich der hohe Ligafavorit nur teilweise in ordentlicher Verfassung, in der Abstiegssaison war ein falsch trainiertes Team nur kurzzeitig nach der Winterpause ernsthaft konkurrenzfähig.

“Wir haben unser Ziel erreicht. Darum wird es von mir keine große Schelte geben.”

Doch das scheint die Wohlfühlatmosphäre im Kölner Grüngürtel nicht nachhaltig zu erschüttern. FC-Präsident Werner Wolf zeigte sich im Gespräch mit Radio Köln zufrieden mit den Leistungen in dieser Saison. In Schulnoten ausgedrückt könne man von einem voll Befriedigend sprechen. „Ich glaube, am 08.12.2019 hätte keiner auch nur einen Cent auf uns gewettet. Wir haben dann insgesamt ganz gut reagiert und Glück gehabt, aber auch Können gezeigt“, so Wolf. Ähnliches ließ schon Gisdol nach der Bremen-Blamage verlauten: „Wir haben unser Ziel erreicht. Darum wird es von mir heute keine große Schelte geben“, sagte der FC-Coach und verwies wohl im Hinblick auf den tragischen Tod von Jonas Hectors Bruder auf die schwierige Woche vor dem abschließenden Spiel. Im Vorfeld der Partie sprach Gisdol noch von einer „befreiten“ Mannschaft – er habe im Training Dinge gesehen, die er lange nicht mehr gesehen hätte.

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Lange nicht mehr gesehen hat der Verein derweil einen Erfolg in der Bundesliga: Anfang März siegten die „Geißböcke“ in Paderborn, es folgte das Geister-Derby in Mönchengladbach, die Corona-Pause und neun weitere sieglose Partien seit der Fortsetzung des Spielbetriebs. Lediglich Schalke 04, das mit Kollektivversagen Richtung Saisonende taumelte, holte nach dem Re-Start der Bundesliga weniger Punkte als der 1. FC Köln. Und auch wenn natürlich externe Faktoren eine Rolle gespielt haben: Ständig nur auf die fehlende Unterstützung durch die eigenen Fans zu verweisen, die Unterbrechung als Störelement zu benennen und dem einstigen Lauf zu Beginn des Jahres hinterher zu trauern, greift deutlich zu kurz.

Schlichtweg muss festgehalten werden, dass es dieser Mannschaft an der notwendigen Qualität fehlt, um es auch nur ein wenig schleifen zu lassen. Dass der FC in der Lauftabelle abgeschlagen an letzter Stelle gelandet ist, hat nicht ausschließlich mit individuellen Einstellungsproblemen zu tun, sondern ist ebenso Ausdruck an fehlenden Fähigkeiten. Das gilt gleichfalls im spielerischen Bereich, wo der FC großen Nachholbedarf in der Spieleröffnung offenbarte. Gerade nach der Corona-Pause schien der Gisdol-Code, sofern vorhanden, entschlüsselt zu sein. Die Hilflosigkeit der Kölner auf dem Weg nach vorne war geradezu grotesk – genauso wie die Tatsache, dass es die Mannschaft dennoch schafft, seit 20 Spielen am Stück immer ein Tor zu erzielen. Dass dies dennoch nicht reicht, um Bundesliga-Tauglichkeit nachzuweisen, liegt vor allem daran, dass den „Geißböcken“ die punktebringende Kompaktheit abgeht.

Auf der Torwartposition muss etwas geschehen

Die Unsicherheit in der Defensive (24 Gegentore nach dem Re-Start, schlechtester Wert der Bundesliga) ist besonders am Schlussmann abzulesen: Timo Horn, wahrlich in dieser Saison nicht in Bestform unterwegs, sah in Bremen abermals bei einem Gegentor nicht gut aus – die Slapstickeinlage beim 0:2 dürfte nicht nur in Düsseldorf für Stirnrunzeln gesorgt haben. Es ist der negative Höhepunkt einer schwachen Spielzeit für den FC-Torwart, dessen Formkurve seit geraumer Zeit nach unten zeigt. Mit Ausnahme des Auswärtsspiels in Augsburg, als Horn den „Geißböcken“ trotz dilettantisch verschuldetem Elfmeter einen Punkt festhielt, ist von den einstigen Nationalmannschaftsambitionen des Kölner Keepers nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil: Das FC-Eigengewächs zählt beispielsweise bei den Fangquoten genauso zu den schwächsten Bundesliga-Torhütern wie bei den oft herangezogenen kicker-Noten.

Foto: Oliver Hardt/Getty Images

Konkurrenz braucht der 27-Jährige derzeit nicht zu fürchten: Hinter ihm war Thomas Kessler als die ewige Nummer zwei beim FC unterwegs, dazu kommen mit Julian Krahl und Brady Scott zwei hochveranlagte Talente zwischen den Pfosten. Ein Zustand, der dem mittlerweile sogar bei den eigenen Fans umstrittenen Schlussmann offensichtlich nicht gut tut, wenn das Leistungsprinzip herangezogen wird. Gedankenspiele, einen gestandenen Torwart hinter Horn zu holen, um diesem Druck zu machen, verwarfen die „Geißböcke“ in der jüngeren Vergangenheit. Dass sich diese Planungen angesichts der leeren Kassen am Geißbockheim und den dringender zu bearbeitenden Baustellen ändern werden, ist fraglich. Angebracht wäre es allerdings!

The trend is not your friend!

Angebracht ist auch eine kritische Aufarbeitung dieser Saison, in der der FC zwar sein Saisonziel erreicht hat, aber eben auch über weite Strecke kein Bundesliga-Niveau zeigte. Marco Högers Ansage kann als erstes Indiz gewertet werden, dass die Mannschaft das offensichtlich ähnlich sieht. Denn: Der Abwärtstrend der „Geißböcke“ ist erschreckend und wirft Zweifel auf, was die kommende Spielzeit anbetrifft. Auf allen Positionen hat die Gisdol-Elf individuell wie mannschaftlich Nachholbedarf. Eine Verstärkung des Kaders durch externe Neuzugänge scheint aufgrund der finanziellen Situation des Vereins nicht sonderlich realistisch zu sein, so dass der Club mit den vorhandenen Bordmitteln zurecht kommen muss. Optimistisch stimmt einen das nach den Leistungen in den vergangenen Wochen nicht.

“Wir wollten eigentlich noch einmal etwas Euphorie entfachen. Jetzt geht trotz Klassenerhalts keiner mit einem guten Gefühl in die Sommerpause.”

„Wir müssen jetzt analysieren, an welchen Stellschrauben wir drehen müssen. Unterm Strich steht: Wir haben die Klasse gehalten. Das darf aber nicht Anlass sein, mit allem zufrieden zu sein. Jetzt müssen wir die notwendigen Dinge analysieren“, gibt FC-Coach Markus Gisdol, dessen Vertrag wohl um zwei weitere Jahre bis 2023 verlängert wird, die Marschroute vor. Die Lehren, die daraus resultieren, werden ebenso entscheidend sein für eine positive sportliche Entwicklung wie die Umsetzung dieser Erkenntnisse. Das Schlusswort, das wohl allen Kölner Anhängern aus der Seele spricht, hat dann wohl wieder Marco Höger, der nach dem 1:6 sagte „Wir wollten eigentlich noch einmal etwas Euphorie entfachen. Jetzt geht trotz Klassenerhalts keiner mit einem guten Gefühl in die Sommerpause.“

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