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2:1 des 1. FC Köln beim SC Paderborn: Wenn et einmol läuf, dann läuf et!

Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images

32 Punkte hat der glorreiche 1. FC Köln nun auf dem Konto – durch das 2:1 im Aufsteigerduell beim SC Paderborn 07 sind die „Geißböcke“ auf dem besten Wege, noch vor der Länderspielpause den Klassenerhalt in der Bundesliga unter Dach und Fach zu bringen. Während die FC-Fans im Gästeblock bereits munter die Europapokal-Klassiker erklingen ließen, blieben die Verantwortlichen um Erfolgstrainer Markus Gisdol trotz acht Siegen in zehn Spielen betont bodenständig.

„Für mich ist wichtig, dass wir uns Woche für Woche neu einstellen auf die Gegner und versuchen, unser bestmögliches Spiel machen. Das ist bisher gut gelungen und da wollen wir auch keinen Millimeter von weggehen. Auf die Tabelle schaue ich aber nicht – und das ziehe ich auch durch“, erklärte der FC-Trainer den Fokus auf das Hier und Jetzt. Dennoch: Durch den Auswärtssieg beim Schlusslicht haben die „Geißböcke“ einen enorm wichtigen Schritt gemacht, auch in der kommenden Saison erstklassig unterwegs zu sein.

Den ruhenden Ball zum Gold-Standard gemacht

Die Gründe, weshalb der FC derzeit zum Höhenflug ansetzt und den Blick eher nach oben denn nach unten richten kann, sind mannigfaltig – doch eine Stärke, die die Gisdol-Elf zur absoluten Waffe gemacht hat, kam auch in Paderborn wieder zum Tragen. Bei Standardsituationen zählen die „Geißböcke“, in dieser Disziplin jahrelang eher harmlos unterwegs, zu den gefährlichsten Teams der Bundesliga. So konnte der FC abermals nach einer Ecke in Führung gehen: Kainz’ Hereingabe auf den ersten Pfosten verlängerte Uth per Kopf, Jorge Meré stand goldrichtig und schob aus kurzer Distanz zum 1:0 ein.

Bereits das zehnte Tor in dieser Spielzeit nach einem Eckball: Kein Club kommt 2019/20 auf mehr Treffer in diesem Bereich. 37 Prozent aller Erfolgserlebnisse (10 von 27) in dieser Saison feierte der FC nach einer Ecke – ebenfalls Höchstwert in der Bundesliga. Insgesamt erzielten die „Geißböcke“ schon zwölf Tore nach einer Standardsituation: Ein herausragender Wert des Aufsteigers, der so auch defensivstärkere Gegner als den SC Paderborn zu knacken wusste. Auch die Ausfälle der beiden torgefährlichsten Kölner (Jhon Cordoba und Sebastiaan Bornauw), beide bei Standards bereits erfolgreich, wusste die Gisdol-Elf zu kompensieren.

„Die Breite an der Spitze ist dichter geworden“

Gerade das ist, auch abseits des Treffers durch Bornauw-Ersatz Meré, eine wichtige Erkenntnis für die „Geißböcke“ gewesen – nicht nur im Paderborn-Spiel. Der FC ist mittlerweile in der Lage, sogar wichtige Leistungsträger ohne größere Probleme zu ersetzen. Toni Leistner und Jorge Meré ersetzten im Aufsteigerduell die fehlende Stamm-Innenverteidigung Czichos-Bornauw nahezu gleichwertig, auf links verteidigte sich Benno Schmitz in die „Elf der Woche“ bei der Sportschau und in vorderster Front gab Anthony Modeste sein Bestes, den gelb-gesperrten Cordoba als Wand- und Zielspieler vergessen zu machen.

Insbesondere für den französischen Torjäger a.D. und den spanischen Hoffnungsträger in der Kölner Defensive war der Auftritt beim Mitaufsteiger in Ostwestfalen eine wichtige Standortbestimmung, hatten sie doch zuletzt wenig Spielzeit erhalten und hinter den überzeugenden Stammspielern wenig Argumente für weitere Einsatzminuten sammeln können. Schon vor dem Erfolg in Paderborn hatte FC-Coach Gisdol die Reservisten gelobt – der Auftritt am Freitagabend zeigte, dass er dies nicht zu Unrecht tat. Eine schöne Situation für die „Geißböcke“, die derzeit an den Spieltagen mehr die Qual der Wahl denn die Wahl der Qual haben.

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Köln kann auch dreckig und schaut nun mehr nach oben als nach unten

Doch gänzlich positiv geriet der 2:1-Sieg der Kölner zum Auftakt des 25. Bundesliga-Spieltags nicht. Spätestens nach dem 2:0, das Kapitän Jonas Hector mit einem wunderbaren Distanzschuss erzielt hatte, stellten die „Geißböcke“ ihre Offensivbemühungen etwas voreilig ein. Insbesondere im Zentrum ließ es die Gisdol-Elf nach dem Seitenwechsel im Umschaltspiel an der notwendigen Schärfe und Genauigkeit fehlen, so dass etliche Ballverluste der Gastgeber unbestraft blieben. Eine mögliche frühzeitige Entscheidung vergab der FC etwas leichtfertig gegen über weite Strecken harmlose Paderborner und brachte durch mangelnde taktische Disziplin den Gegner zurück in die Partie.

„Die zweite Hälfte war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben die Bälle zu schnell weggegeben, sind nicht mehr so in die Zweikämpfe gekommen und dann wurde es hinten raus nochmal spannend“, analysierte auch Kölns Keeper Timo Horn nach der Partie. Spätestens mit Srbenys Anschlusstreffer, als der FC zunächst auf außen keinen Zugriff hatte und dann in der Mitte nicht konsequent genug verteidigte, drohte den „Geißböcken“ eine Wiederholung der Zweitliga-Pleite, als das Team ebenfalls souverän mit 2:0 führte. Hatte der FC diesmal bis zum 1:2 eine solide Vorstellung angeboten, geriet die Gisdol-Elf in der Schlussphase gehörig ins Schwimmen. Dennoch wurde die Partie mit viel Leidenschaft und der nötigen Portion Glück über die Zeit gebracht.

Der 1. FC Köln kann auch dreckig

Vor allem in den letzten Minuten des Spiels zeigte sich eine Qualität, die der FC in der jüngeren Vergangenheit selten an den Tag legte. Nicht nur warfen sich die „Geißböcke“, personifiziert durch Abwehrleihgabe Leistner, in jeden Zweikampf, der geführt werden musste, sie schafften es auch der Schlussoffensive des Tabellenletzten einige Elemente am Rande der Legalität und darüber hinaus entgegenzusetzen. Der eingewechselte Rexhbecaj unterband ebenso mit rustikaler Härte einen Ballgewinn der Paderborner wie Jorge Meré sich deutlich übermotiviert nach eigenem Fehler in den gegnerischen Spieler warf. Der daraus resultierende Freistoß, den Sabiri aus großer Distanz aufs Kölner Tor drosch, lenkte Horn so eben noch an die Latte.

So zeigte sich symbolisch in dieser Szene, wie grenzwertig solche Aktionen sein können. Wäre der Freistoß im Tor statt am Quergestänge gelandet, hätte der FC nicht clever und leidenschaftlich den Vorsprung über die Zeit gerettet, sondern wäre in der Schlussphase einmal mehr kollabiert. Wenige Zentimeter und das entsprechende Glück entscheiden manchmal über Wohl und Wehe im Fußball – der 1. FC Köln kann in dieser Saison ein Lied davon singen. Derzeit gehen viele dieser 50-50-Situationen zugunsten der „Geißböcke“ aus, die sich das Spielglück allerdings auch durch harte Arbeit redlich erkämpfen. Dennoch: Die letzten 20 Minuten dürften eine deutliche Warnung an die Mannschaft sein, dass es tatsächlich trotz des überragendes Laufes nur mit 100 Prozent Einsatz und voller Konzentration geht.

Aller Demut zum Trotz: Der Blick geht nach oben

Wenig verwunderlich ist angesichts der jüngsten Erfolge die Brust beim FC breit. Fünf Siege aus den ersten sieben Spielen konnte die Gisdol-Elf in diesem Jahr einfahren – der beste Rückrundenstart seit 31 Jahren. Es ist daher nur allzu verständlich, dass bei den FC-Fans mit der nötigen Portion Selbstironie der Blick eher nach oben denn nach unten geht. Vier Zähler liegen die „Geißböcke“ nun lediglich noch hinter Tabellenplatz sieben, den derzeit der VfL Wolfsburg bekleidet. Zehn Punkte beträgt derweil der Vorsprung auf den rheinischen Rivalen Fortuna Düsseldorf, die derzeit auf Relegationsrang 16 liegen – und in zwei Wochen zu Gast im Müngersdorfer Stadion sind.

Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images

Trotz des Big Points in Paderborn und einer gewissen Europapokal-Euphorie in der Domstadt versuchen sowohl Spieler als auch Verantwortliche, den Ball flach zu halten. „Wir wollen auf dieser Welle weiter schwimmen, aber wir wissen, dass jedes Spiel von Null losgeht und wir immer wieder aufs Neue Gas geben müssen. Wir haben bis zur Länderspielpause drei wichtige Spiele, da wollen wir weiter punkten und uns nach unten hin absetzen“, erklärte beispielsweise Benno Schmitz. „32 Punkte reichen nicht mal zum Drinbleiben”, legte auch FC-Sportgeschäftsführer Horst Heldt den Fokus wieder Richtung Abstiegskampf. Nur Mark Uth, als gebürtiger Kölner dafür wohl etwas anfällig, wagte leise Träume Richtung oberes Tabellendrittel zu äußern: “Wenn wir jedes Spiel gewinnen, können wir auch mal nach oben schauen.”

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