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2:1 des 1. FC Köln beim SC Freiburg: Energieleistung der Überzeugungstäter

Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images

Nach etwas mehr als 23 Jahren konnte der 1. FC Köln eine weitere Sieglos-Serie zu den Akten legen: Dank Ellyes Skhiri und seines unwiderstehlichen Sololaufs in der Nachspielzeit gewinnen die „Geißböcke“ erstmals seit 1996 beim SC Freiburg und fahren mit dem Last-Minute-Erfolg im Breisgau die ersten Punkte der noch jungen Saison ein.

Gerade vor der Länderspielpause war das 2:1 in nahezu allerletzter Spielsekunde von enormem Wert für die effzeh-Elf von Trainer Achim Beierlorzer, die auch im Schwarzwald-Stadion beim vormaligen Angstgegner eine äußerst zufriedenstellende Leistung bot. Dabei mussten die Kölner einmal mehr einen extremen Nackenschlag wegstecken: Wenige Augenblicke, nachdem Schiedsrichter Kampka Kingsley Schindlers Debüttreffer in der Bundesliga nach Video-Review die Anerkennung zurecht verweigerte (Drexler hatte zuvor bei der Balleroberung Koch gefoult), traf Rafael Czichos ins eigene Tor.

Ein albtraumhaftes Ende einer ordentlichen ersten Hälfte, die die „Geißböcken“ dann nach dem Seitenwechsel toppten – und sich selbst für den hohen Aufwand und den notwendigen Mut belohnten. Erst wuchtete Anthony Modeste kurz nach Wiederbeginn den Ball per Kopf zum Ausgleich unter die Latte, dann folgte, als alle mit dem Remis rechneten, Skhiris Geniestreich in der Nachspielzeit.

Verwalten ist nicht beim 1. FC Köln!

Die späte Entscheidung zugunsten des Bundesliga-Aufsteigers zeigt vor allem: Die Kölner geben sich längst nicht mehr mit einem Pünktchen zufrieden, sondern spielen weiter nach vorne, weiter auf Sieg. Und der folgte, den zwei bitteren Auftaktpleiten und der enormen Hitze im Schwarzwald-Stadion zum Trotz. „Wenn man gewinnen kann, warum soll man sich mit einem Unentschieden zufriedengeben?“, antwortete effzeh-Coach Achim Beierlorzer nach der Partie mit einer rhetorischen Frage, die allerdings wie Skhiris „Energieleistung“ (O-Ton Beierlorzer) den Siegeswillen der Mannschaft widerspiegelt.

“Wenn man gewinnen kann, warum soll man sich mit einem Unentschieden zufriedengeben?”

Dass sich der Mut der „Geißböcke“ am Ende auszahlte, mag in diesem Falle eine Fügung des Schicksals gewesen sein. Höflers Ballverlust, Skhiris Intuition, Schlotterbecks Spekulation – all das ebnete dem Kölner Sieg den Weg. Aber: Die Gäste hatten in einer spannungsgeladenen Schlussphase alles in die Waagschale geworfen, um sich die drei Punkte redlichst zu verdienen. Vor dem Lucky Punch durch den „tunesischen Messi“, wie Sebastiaan Bornauw den Matchwinner taufte, hatte der effzeh weitere Möglichkeiten, die beste Chance vergab Simon Terodde aus kürzester Distanz. Auch dessen Einwechslung war ein Zeichen von der Bank: Ein Punkt ist uns an diesem Tag einfach nicht genug.

Wer den zweiten Ball hat, hat die Kontrolle!

Für diesen seltenen Sieg in Freiburg musste der 1. FC Köln allerdings hart arbeiten, anders sind es die Bundesliga-Kontrahenten im Breisgau jedoch auch nicht gewohnt. Es war ein regelrechter Abnutzungkampf, den beide Mannschaften in diesem Duell auf den Rasen brachten. Die Gastgeber waren, wie eigentlich fast immer unter Christian Streich, mit hoher Intensität unterwegs, versuchten es dem Gegner bei dessen Ballbesitz durch hohe Laufbereitschaft und frühem Pressing so schwierig wie möglich zu machen. Es wurde aber auch deutlich, dass sowohl die Freiburger als auch die „Geißböcke“ ihr Heil eher im Bekämpfen des Gegners denn in der eigenen Spielanlage zu suchen gedachten.

Auf der nächsten Seite: Luft nach oben in der Offensive, das
Mittelfeldzentrum als neues Prunkstück und der schmale Grat des 1. FC Köln

Das führte dazu, dass die Partie zwischenzeitlich wenig ansehnlich und ziemlich wild wirkte, da das Hauptaugenmerk beider Teams vermehrt auf der Eroberung der zweiten Bälle lag. Insbesondere die Beierlorzer-Elf setzte im eigenen Spielaufbau darauf, den Ball schnellstmöglich in die für die eigene Mannschaft eher ungefährlicheren, dafür aber für den Gegner unangenehmeren Räume zu bringen. Gerade gegen das laufintensive Spiel der Breisgauer in vorderster Front war dies ein probates Mittel, um den Druck von der Abwehr fernzuhalten und durch Ballgewinne tief in der gegnerischen Hälfte gefährliche Situationen zu erzeugen. Das Motto dieser Begegnung: Wer im Kampf um den zweiten Ball die Oberhand gewinnt, der kontrolliert auch das Geschehen!

In der Offensive viel Luft nach oben

Das gelang dem effzeh öfters erstaunlich gut: Gegen die eigentlich recht druckresistenten Freiburger gelang es den Gästen mehrfach, frühe Ballgewinne zu provozieren und sich somit Räume im Umschaltspiel zu sichern. Dabei wurde allerdings eine Schwäche offensichtlich, die schon in den ersten beiden Partien aufgefallen war: So gut die „Geißböcke“ in dieser Phase der Saison bereits gegen den Ball arbeiten und mit großer Laufbereitschaft den Kontrahenten unter Druck setzen können, so schwach werden diese vielversprechenden Situationen, bei denen die gegnerische Abwehr unsortiert daherkommt, dann zumeist ausgespielt. Aus der Hektik der anderen konnte aufgrund der eigenen Hektik kein Kapital geschlagen werden.

So war der Ball häufig schneller wieder weg, als es den Kölnern lieb sein konnte. Das sorgte sowohl in Freiburg als auch in dieser Saison nicht nur dafür, dass sich die Beierlorzer-Elf für ihren hohen Aufwand zu selten mit ordentlichen Angriffen belohnte, sondern sorgte vor allem auch dafür, dass die Gastgeber immer wieder ins Spiel zurückfanden, obwohl sie den Faden eigentlich schon verloren hatten. Gerade bei den hohen Temperaturen musste der effzeh durch die Vielzahl an unnötigen Ballverlusten weite Wege gehen und kraftraubend gegen den Ball arbeiten. Um auf Dauer Spiele wie im Schwarzwald-Stadion für sich entscheiden zu können, müssen die „Geißböcke“ im Umschaltspiel sauberer arbeiten.

Glücksgriffe auf der Sechs

Dass die Mannschaft das Zeug dazu hat, deutete sie auch beim Auswärtssieg in Freiburg immer wieder an. Vor allem im Mittelfeldzentrum konnte der effzeh abermals überzeugen, die einstige Schwachstelle der Kölner ist durch die Verpflichtung von Matchwinner Ellyes Skhiri und seinem belgischen Nebenmann Birger Verstraete auf dem besten Wege, zum Prunkstück des Bundesliga-Aufsteigers zu avancieren. Dabei ergänzen sich die beiden Sechser vor der effzeh-Abwehr in ihren Qualitäten hervorragend: Verstraete ist der dynamische Staubsauger, der im Zweikampf ganz bewusst dahingeht, wo es weh tut. Skhiri dagegen ist der Mann für die weiten Wege, war in Freiburg wieder der lauffreudigste Akteur.

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Auch spielerisch passt das Duo auf dem Weg nach vorne hervorragend zusammen: Der Tunesier überzeugt neben seinen läuferischen Fähigkeiten mit seinem Passspiel und seiner Spielintelligenz, beim Neuzugang vom KAA Gent sind es dagegen neben seiner körperlichen Präsenz und dem unbändigen Einsatzwillen die Standards, die Verstraete zu einem extrem wertvollen Part in der Mannschaft machen. Das bedeutet allerdings auch, dass ein Führungsspieler wie Marco Höger, in der vergangenen Spielzeit noch gesetzt, derzeit hinten anstehen muss – von Ergänzungsspielern wie Vincent Koziello oder Niklas Hauptmann ganz zu schweigen. Aber auch das spricht für den neuen 1. FC Köln in dieser Saison: Die Kaderbreite lässt solche Optionen immer noch zu.

Ein schmaler Grat beim 1. FC Köln

Dennoch: Trotz der Glücksgefühle, die der Last-Minute-Treffer in uns allen ausgelöst hat, sind erst drei Punkte auf dem Kölner Konto. Das Spiel in Freiburg hat abermals gezeigt, dass nahezu jedes Spiel in der Bundesliga eine verdammt enge Kiste werden wird, wo kleinste Nuancen den Ausschlag zur einen oder zur anderen Seite geben können. Es wird auch in Zukunft auf viele Faktoren ankommen, ob der 1. FC Köln erfolgreich spielen wird. Nicht alle kann er selbst beeinflussen, viele davon allerdings schon. Vor allem in der Schlussphase stand die Partie im Schwarzwald-Stadion auf Messers Schneide – besonders die Druckphase der Freiburger von der 75. bis zur 80. Minute hätten das Spiel auch in die andere Richtung kippen lassen können.

“Dieser Sieg war außerordentlich wichtig. Er hilft einfach für die Überzeugung, dass unsere Art und Weise, Fußball zu spielen, richtig ist.”

Auffällig dabei: Wie schon gegen Dortmund schien die Mannschaft im Breisgauer Glutofen kräftemäßig im Reservebereich zu laufen. Auch wenn die Laufwerte nicht allzu weit auseinanderlagen an diesem Samstagnachmittag: Die Phase zu Beginn der Schlussviertelstunde ist ein Fingerzeig, dass beim effzeh auch viel über den Willen gehen muss. Wie das funktioniert, zeigte das Team in der zweiten Halbzeit über weite Strecken. „Wie die Jungs an ihre Chance geglaubt haben, hat mich beeindruckt“, war auch Achim Beierlorzer von der Willensleistung seiner Schützlinge angetan und schloss mit einem zufriedenen Fazit nach seinem ersten Sieg als Bundesliga-Trainer: „Dieser Sieg war außerordentlich wichtig. Er hilft einfach für die Überzeugung, dass unsere Art und Weise, Fußball zu spielen, richtig ist.“

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