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Der effzeh.com-Possbüggel: Diese Bundesliga-Saison ist eine “Tour der Leiden”

Foto: imago images/Uwe Kraft

Die Sieglosserie hat der 1. FC Köln in dieser Saison weiter ausbauen können, auch wenn zuletzt mit einem 1:1 gegen Eintracht Frankfurt der erste Punkt geholt werden konnte. Sportlich läuft es noch nicht rund für die “Geißböcke”, auch vereinspolitisch gab es in der laufenden Spielzeit schon die eine oder andere Nickligkeit zu verzeichnen. Immer etwas los beim FC, sagen die einen. Ständige Unruhe rund um den Club, sagen die anderen.

So gibt es natürlich immer viel zu diskutieren – derzeit leider kaum bis gar nicht im Stadion, dafür in den eigenen Wohnzimmern und (vor der Sperrstunde) auch noch an den Tresen dieser Stadt. Nicht nur deshalb haben wir einmal mehr unsere Leser gefragt, zu welchen Themen sie unsere Einschätzung haben wollen. Denn auch diese Ausgabe des effzeh.com-Possbüggels dreht sich um die Dinge, die auf und neben dem Platz beim 1. FC Köln passieren!

Halt uns ens aff – die Zahl des Monats

43. So viele Länderspiele hat Jonas Hector für die deutsche Nationalmannschaft absolviert. Nun hat er aus privaten Gründen seine Karriere in der DFB-Auswahl beendet. “Er ist eine große Persönlichkeit, ein Vorbild an Loyalität und Fairness, ein absoluter Teamplayer. Seine Einstellung und Demut haben mich immer sehr beeindruckt – auf und neben dem Platz. Auf ihn konnte ich mich immer verlassen”, würdigte Bundestrainer Joachim Löw die Entscheidung des Kölner Kapitäns, vor der er “großen Respekt” habe. Jörn Meyn verfasste für den Spiegel eine Hymne zum “Abschied des Andersartigen”, die “11Freunde” beschreiben die FC-Legende in ihrem Artikel als “Glückskind”. Zwei äußerst gelungene Texte, denen auch wir nicht viel hinzuzufügen haben. Danke Jonas für viele Momente mit dem Adler auf der Brust, die uns stolz gemacht haben. Den wichtigsten gibt es unten im Video!

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Ens em Vertraue – die Fragerunde

Glaubt Ihr an den Klassenerhalt? Wenn ja: Wie kann der 1. FC Köln das schaffen, was macht Hoffnung? (via Direktnachricht)

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber sie stirbt. Ob sie in dieser Saison allerdings schon das Zeitliche segnet, bin ich mir recht unschlüssig. Das liegt weniger an den Darbietungen, die der 1. FC Köln auf den grünen Rasen zaubert, sondern vielmehr an der Schwäche der Konkurrenz. Schalke und Mainz sind schon in einem erschreckenden Zustand, haben bereits die Patrone Trainerwechsel verschossen. Soweit ist es in Köln noch nicht gekommen, wenngleich die sportlichen Leistungen wahrlich kein Grund zur Freude waren. Das liegt in meinen Augen zum einen daran, dass der Kader extrem spät erst vervollständigt wurde. Vermutlich sogar zu spät, wenn ich die kurze Vorbereitungszeit und den extrem knackigen Spielplan betrachte.

Foto: Mika Volkmann/Getty Images

Andererseits ist die Mannschaft auch weiterhin sehr unausgegoren zusammengestellt. Jeder Transfer einzeln betrachtet erscheint zwar sinnvoll, aber irgendwie lässt einen das Gefühl nicht los, diese Puzzleteile könnten aus den verschiedensten Gründen nicht so richtig zusammenpassen. Dennoch: Mut macht vor allem, dass außer im Derby der FC eigentlich in jeder Partie Punkte verdient gehabt hätte. Nicht, weil er sonderlich großartig aufgetrumpft hat. Sondern, weil die Konkurrenz auch nicht wirklich gut ist. Das müssen die „Geißböcke“ allerdings auch in Zählbares ummünzen, sonst stirbt die Hoffnung tatsächlich schon gegen Ende dieser Saison. Und das kann nun wirklich niemand wollen.

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Der 1. FC Köln plant im Frühjahr eine hybride Mitgliederversammlung – also eine Präsenzveranstaltung, die auch online begleitet werden kann. Wie steht ihr dazu? (via Mail)

Erst einmal: Ich bin mir ziemlich sicher, dass bis weit ins Frühjahr keine Präsenzveranstaltung in dieser Größenordnung möglich sein wird. Die jüngsten Entwicklungen in Sachen Coronavirus-Pandemie dürften das zurecht verhindern. Ich will auch ehrlich sein: Ich halte in der derzeitigen Situation eine solche Mitgliederversammlung auch nicht für sinnvoll. Der Verein ist auch mit einem interimistisch agierenden Vizepräsidenten vollends handlungsfähig, auch stehen sonst keine richtungsweisenden Entscheidungen an. Ich weiß, dass Vereine aktuell noch rechtlich dazu verpflichtet sind, eine solche Mitgliederversammlung anzuberaumen. Sollte sich daran nichts ändern, hoffe ich, dass der FC einen Termin weit in Richtung Mai/Juni anstrebt. Besseres Wetter, vermutlich bessere Zahlen, am besten im Stadion, wo ja schließlich mindestens 9.200 Leute nach Ansicht der Verantwortlichen Platz haben. Warum nicht?

Doch ich will auch nicht verhehlen, dass ich kein Freund einer Online-Teilnahme an der Mitgliederversammlung bin. Zu viele technische und juristische Fragen bleiben in meinen Augen offen, dazu ist für mich eine physische Teilnahme an dieser Veranstaltung ein elementarer Bestandteil des Vereinslebens. Zudem sehe ich eine Überforderung des Vereinswesens angesichts der schieren Größe eines solchen Projekts, über 110.000 Mitglieder – das war vermutlich beim Gedanken an einen Verein bei rechtlichen, aber auch moralischen Ansprüchen niemals vorgesehen. Aber gänzlich abgesehen von diesen Themen und den immensen Kosten, die eine hybride Mitgliederversammlung vermutlich mit sich bringen dürfte. Glaubt jemand ernsthaft daran, dass der 1. FC Köln, dessen Ticketshop häufig Grund für Ärger war, dessen Dauerkartenrückerstattung in der vergangenen Saison ein Desaster war, der bei Abstimmungen in vorherigen Mitgliederversammlungen kein stabiles System vor Ort an den Start bringen konnte, eine solche Herkulesaufgabe stemmen kann? Ich nicht. Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

Warum leistet sich der FC, besonders in der aktuellen Zeit, noch eine U21? Es gibt mehrere Vereine, die sich von der U21 seit längerem verabschiedet haben und meiner Meinung nach auch völlig zurecht. (via Twitter)

Es gibt gute Gründe, weshalb der 1. FC Köln weiter auf eine Reservemannschaft in der Regionalliga setzt. Es gibt auch gute Gründe, weshalb eine zweite Mannschaft in der heutigen Zeit nicht mehr notwendig sei. Aufwand und Ertrag stehen meist in keinem sonderlich guten Verhältnis, dazu kommen viele Talente einfach schon extrem gut ausgebildet aus dem Jugendbereich. Ein entsprechender Unterbau, zumeist wie beim FC viertklassig, wäre dann überflüssig. Ganz so einfach ist es nicht, was auch der Blick ans Geißbockheim zeigt: Ohne das Extrembeispiel Jonas Hector zu oft bemühen zu müssen, sehen die Verantwortlichen die U21 als Verlängerung der Nachwuchsmannschaft. Das hat beispielsweise bei Timo Horn oder Yannick Gerhardt, die beide als Juniorenspieler schon in der Regionalliga Erfahrungen sammeln konnte, gefruchtet, Tim Lemperle, Robert Voloder und Sava Cestic bekommen derzeit dort wichtige Spielpraxis.

Foto: imago images / foto2press

Gerade angesichts der Vielzahl an vielversprechenden Talenten, die der FC derzeit in seinen Reihen hat, kann die zweite Mannschaft eine entscheidende Rolle bei der Anpassung an den Seniorenfußball spielen. Dort lernen junge Spieler auf (zugegeben überschaubarem fußballerischen Niveau) Kniffe, die sie bei Duellen mit Gleichaltrigen nicht lernen würden. Diese Plattform nicht mehr zu haben, würde dazu führen, entweder die entsprechenden Spieler nicht mehr im Verein zu haben (da sie via Leihe woanders Spielpraxis sammeln müssten) oder sie komplett zu verlieren. Das möchte der FC nicht, zumal sich der finanzielle Aufwand mit Blick auf die horrenden Ausgaben in anderen Bereichen in Grenzen hält. Ich persönlich finde das gut, dass dieser „zweite Bildungsweg“ in Profi-Ambiente talentierten Fußballern am Geißbockheim offen steht. Darüber hinaus bin ich letztlich auch Fußballromantiker und freue mich einfach über die FC-Amateure, die eine große Tradition am Geißbockheim haben.

Wat do nit sähs – unser Hot Take

Im Radsport heißt es oft bei den großen dreiwöchigen Rundfahrten so schön: Auf dieser Etappe kannst du die Tour nicht gewinnen, aber du kannst sie verlieren. Bedeutet: Die favorisierten Fahrer werden im Gesamtklassement keine großen Abstände auf ihre Kollegen aufbauen können, sie können aber bereits aussichtslos in Rückstand geraten. Das könnte auch für den 1. FC Köln bei den anstehenden Aufgaben bis zur nächsten Länderspielpause gelten. Das Programm mit den Auswärtsspielen in Stuttgart und Bremen sowie dem Heimspiel gegen den FC Bayern ist knackig. Und die “Geißböcke” sind tabellarisch nach dem Fehlstart zu Beginn der Saison bereits gefordert, können vermutlich nicht so sehr auf Remis spielen. Im schlimmsten Fall könnte der FC in diesen drei Partien weiter hinter die Konkurrenz zurückfallen – und angesichts der Sieglosserie dürfte dann auch der Kredit von Trainer Markus Gisdol aufgebraucht sein. Häufig gilt im Abstiegskampf die Devise, sich mühsam wie ein Eichhörnchen zu ernähren. Und eben nicht in zu tiefe Löcher zu fallen. Diese “Tour der Leiden” könnte dem FC allerdings Ende Oktober bis Mitte November drohen, der Besenwagen kommt dann leider erst später.

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Jot kamellt

„Wir müssen jetzt auch nicht mit der Gesichtsmaske zum Bäcker laufen. Also mit Corona-Schutz schon, aber wir brauchen uns nicht verstecken.“

Horst Heldt nach dem 1:1 des 1. FC Köln gegen Eintracht Frankfurt

Koot verzällt

Er ist da. Endlich. Fast vier Monate ist diese Saison bereits alt, da hat der 1. FC Köln es geschafft, mit seiner Profimannschaft einen Gehaltsverzicht auszuhandeln. Für die Hinrunde verzichten Timo Horn, Jonas Hector und Co. laut „Express“ auf zehn Prozent, laut „kicker“ sogar auf 15 Prozent. Ob diese Entscheidung auch rückwirkend gilt oder nur für die anstehende Monate November, Dezember und Januar, ist nicht bekannt. Insgesamt versuchen die Vereinsverantwortlichen, das Thema nicht in der Öffentlichkeit zu behandeln. „Wir sind auf einem sehr guten Weg und wir gehen davon aus, dass am Ende alle gemeinschaftlich diesen Weg mitgehen. Wir werden aber nicht jeden Schritt nach außen kommunizieren, da dies eine interne Angelegenheit ist“, sagte FC-Finanzchef Wehrle dem „Express“: „Ich kann verstehen, dass keiner gerne auf Gehalt verzichtet. Aber unsere Spieler verstehen eben auch, dass in dieser schwierigen Situation jeder im Verein seinen Beitrag leisten muss, damit wir alle gemeinsam die wirtschaftlichen Mindereinnahmen durch fehlende Zuschauer einigermaßen kompensieren können.“

Zwei Partnerschaften im technischen Bereich ist der 1. FC Köln in den vergangenen Wochen eingegangen: Neben einer Kooperation mit Onefootball (willkommen im Team, FC!) konnten sich die „Geißböcke“ mit der Deutschen Telekom einen weiteren Großsponsor sichern, der in der zunächst auf drei Jahre geschlossenen Partnerschaft dem Vernehmen nach sieben Millionen Euro in den Club pumpen wird. „Wir wollen gemeinsam mit dem FC aufregende und innovative Anwendungen für die Fans entwickeln. Die Zukunft ist digital und die Digitalisierung auch aus dem Fußball nicht mehr wegzudenken“, erklärte Telekom-Geschäftsführer Klaus Werner bei der Verkündung des Deals und skizzierte die Erwartungen, die sicherlich nicht jeden FC-Fan begeistern werden: „Ein vollständig virtuelles Spiel mit einem ganz besonderen Erlebnis des Dabeiseins, das wollen wir für die Fans des 1. FC Köln ermöglichen. Dabei sorgen Technologien wie Augmented- oder Virtual Reality für ein neues Fußball-Erlebnis. Dank unseres 5G-Mobilfunknetzes, mit dem wir Daten in Echtzeit übertragen, können die Fans ein digitales 360 Grad Stadion-Erlebnis spüren.“

Foto: imago images/ Beautiful Sports

Es läuft beim 1. FC Köln. Das kann von den Ergebnissen her noch nicht behauptet werden, aber ein Blick in die Statistiken zeigt, dass die „Geißböcke“ zumindest eine Schwachstelle der vergangenen Saison ausgemerzt haben. In drei der ersten vier Partien gewann die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol das „Laufduell“ gegen den Gegner, spulte außer im verlorenen Derby gegen Borussia Mönchengladbach mehr Kilometer als der jeweilige Konkurrent ab. Die Kölner, eines der laufschwächsten Teams der Saison 2019/20, steht nach den ersten Spieltagen auf einem soliden siebten Rang. Meldungen, der FC stelle sogar die Mannschaft mit den meisten absolvierten Kilometern, waren jedoch verfrüht und basierten auf einem technischen Fehler der offiziellen Bundesliga-Seite. Dennoch: Läuferisch sind die „Geißböcke“ bisher durchaus konkurrenzfähig. Dafür gibt es allerdings keine Punkte.

Social jeck

Hinger d’r Britz

Ein Blick auf andere Vereine zeigt häufig: Ganz so glorreich laufen vereinspolitische Debatten dort auch nicht ab. Aktuelles Beispiel ist sicherlich der VfB Stuttgart. Ein „kicker“-Bericht brachte unschöne Vorgänge innerhalb des Clubs zutage, so sollen dem Fachmagazin zufolge kurz vor der Mitgliederversammlung zur Ausgliederung der Profiabteilung (und auch danach) Nutzerdaten vom Verein an Dritte weitergegeben worden sein. Eine externe, aber vereinsnahe PR-Agentur, deren Betreiber unter anderem eine einflussreiche Facebook-Gruppe führt, erhielt angeblich Zugriff auf Datensätze von VfB-Mitgliedern. Auch eine informelle Zusammenarbeit soll es gegegen haben, um die Sichtweise des Clubs subtil unter dem Deckmantel einer unabhängigen Quelle zu verbreiten. Von einer Kampagne für “Glaubwürdiges Guerilla-Marketing – Fokus VfB” ist die Rede.

Anschuldigungen, die den Aufsteiger nicht kalt ließen. Zwar ist der umstrittene Vereinspräsident Wolfgang Dietrich, der die heiß diskutierte Ausgliederung der Profiabteilung vorangetrieben hatte, längst nicht mehr im Amt, aber treibende Kräfte hinter diesen vermeintlichen Machenschaften sind immer noch beim VfB beschäftigt. Der neue Vorstand versprach aufgrund der heftigen Kritik, „unverzüglich eine externe, transparente, kritische, neutrale und unabhängige Aufarbeitung“ in Auftrag zu geben. „Dieser mutmaßliche Datenschutzverstoß in den Jahren 2016 bis 2018 mit Mitgliederdaten, wenn er denn so stattgefunden hat, wäre für mich ein nicht zu akzeptierender Tabubruch und würde kein gutes Licht auf unseren VfB Stuttgart werfen“, betonte Dietrich-Nachfolger Claus Vogt. Es bleibt abzuwarten, ob die Ermittlungen, die ausgerechnet die vom skandalgeprüften DFB empfohlene Kanzlei Esecon führt, weitere Erkenntnis bringen wird. Aber grundsätzlich dürfte gelten: Was bei einem Bundesligist ein durchaus denkbares Vorgehen ist, dürfte im Profibereich allgemein nicht unüblich sein.

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