Das Osterfest hatte sich der 1. FC Köln wahrlich anders vorgestellt: Nach den Ergebnissen der Konkurrenz am Samstag war zwar klar, dass die “Geißböcke” den Aufstieg am Ostersonntag bei Dynamo Dresden nicht würden klar machen können, doch hätte ein Sieg bei den abstiegsbedrohten Sachsen einen Matchball vor den eigenen Fans zur Folge gehabt. Gegen Darmstadt hätte dann in Müngersdorf die große Party rund um die Rückkehr des glorreichen 1. FC Köln, seines Zeichens der erste Meister der Bundesliga-Geschichte, steigen können.
Doch es kam nun wahrlich anders als gedacht: Statt eines Fußball-Fests am Feiertag lieferte der effzeh in Dresden eine desaströse Vorstellung ab und unterlag auch in der Höhe verdient mit 0:3 gegen ein Dynamo, das aus seinen Möglichkeiten das Beste machte. “Es hat an allem gefehlt, das muss man mal ganz ehrlich sagen. Dynamo war uns in allen Belangen überlegen”, konstatierte auch der Kölner Coach Markus Anfang nach der ersten Niederlage seit Mitte Februar. Ein gebrauchter Tag sei es gewesen, den es aufzuarbeiten gilt – dass das nicht gänzlich der Wahrheit entspricht, zeigt unsere Analyse.
Diese Defensive ist ein einziges Chaos
Abstiegskandidat gegen Aufstiegsfavorit – wer sich nach den ersten 45 Minuten die Frage stellte, auf welches der beiden Teams an diesem Ostersonntag in Dresden welches Label passt, der hätte den 1. FC Köln vermutlich eher im Existenzkampf verortet. Wobei von Kampf zu sprechen angesichts der gezeigten Leistung wahrlich nicht der Realität entsprechen dürfte. Eigentlich könnte hier in diesem Absatz stehen, was schon so häufig an dieser Stelle analysiert wurde: Dem effzeh fehlt es in der Defensive an Tempo, an Qualität im Zweikampfverhalten, an Konsequenz in der Rückwärtsbewegung, an grundsätzlicher Stabilität im System. Ein Hühnerhaufen bei den “Geißböcken”.
Sich die einzelnen Dynamo-Treffer an diesem Zweitliga-Mittag anzuschauen, reicht in der Einfachheit der Entstehung völlig aus, um sich das Dilemma vor Augen zu führen. Die Anfang-Elf versuchte früh zu stören und entblößte dabei die wichtigen Räume vor der Abwehr. Ein langer Ball, ein schwacher Zweikampf, ein verlorenes Laufduell reichten aus, um Dresden den Weg zum Tor freizumachen. Mitunter schien jeder halbwegs temporeich vorgetragene Angriff zu einer großen Chance zu führen. Dass die effzeh-Defensive vor den Treffern der Gastgeber nicht auch noch Kaffee und Kuchen serviert hat, war letztlich wohl der einzige Unbill für die Sachsen an diesem Ostersonntag. Servicewüste Deutschland.
Immer weiter auf dieselbe Stelle
Dass dieser komplette Systemabsturz – wenn man das, was der 1. FC Köln auf den Rasen bringt, denn überhaupt System nennen will – sorgte allerdings nicht für Umstellungen bei den „Geißböcken“. Wer dachte, dass effzeh-Coach Markus Anfang frühzeitig reagieren und die wacklige Grundordnung, die grundsätzliche Herangehensweise oder etwa das Personal verändern würde, der sah sich bitter enttäuscht. Mit dem wenig subtilen Taktik-Vorschlaghammer immer auf dieselbe Stelle – irgendwann wird die Mauer, die es zu durchbrechen gilt, schon fallen. Eine Strategie, die bereits der deutschen Nationalmannschaft ein grandios erfolgreiches Auftreten bei der WM 2018 garantierte.
Foto: Thomas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images
Die Überzeugung in die eigene Fähigkeiten spiegelte sich bei den Kölnern lediglich im sturen Festhalten an den Vorgaben wider. Alles andere an diesem Ostersonntag überschritt die Arroganzgrenze leichter als EU-Bürger seit dem Schengen-Vertrag die Landesgrenzen. Waren es gegen den Hamburger SV noch die Anpassungen des Gegners nach dem Seitenwechsel, die den Aufstiegsfavoriten neben der schier unmenschlichen Belastung eines Spiels fünf Tage zuvor vor geradezu unlösbare Probleme stellte, schien Dynamo die Schwachstellen der Kölner perfekt ausgekundschaftet zu haben. Tief stehen, das Zentrum verdichten, nach Ballgewinnen schnell und konsequent kontern. Simpel, aber effektiv und effizient.
Modeste und Terodde funktionieren nicht zusammen
Die Defensive versank im Chaos, doch im Angriff sah es kaum besser aus: Markus Anfang setzte erstmals von Beginn an auf das Sturmduo Anthony Modeste und Simon Terodde, Jhon Cordoba durfte zunächst auf der Bank durchschnaufen. Zwei äußerst torgefährliche Knipser sollten dem effzeh die nötige Durchschlagskraft verleihen. Ein Experiment, das so rein gar nicht aufging: Zu ähnlich sind sich die Abschlussstürmer Modeste und Terodde offenbar in ihrer Spielanlage, als dass sie gemeinsam zum Einsatz kommen sollten. Im Kombinationsspiel waren beide Angreifer an diesem Ostersonntag Totalausfälle, zu gefährlichen Szenen im Strafraum kamen gegen eine konzentriert und zupackend verteidigende Dynamo-Abwehrreihe weder der Top-Torjäger der 2. Bundesliga noch der französische Rückkehrer.
Auf der nächsten Seite: Der einzige Gewinner des
Desasters, fehlende Einheit und das beruhigende Punktepolster
So hieß in einer nahezu ausschließlich enttäuschenden Kölner Mannschaft der einzige Gewinner wohl Jhon Cordoba, der im Angriff der „Geißböcke“ mittlerweile nicht zu ersetzen scheint. Seine Qualitäten gegen Ball und Gegenspieler sind für den effzeh derzeit elementar, die Dynamik und Wucht des Kolumbianers verleihen dem sehr eindimensionalen Spiel des Tabellenführers eine eigene Note, die in Dresden lange fehlte. Aus dem Trio Cordoba-Modeste-Terodde ist es aktuell definitiv der schon als Fehlkauf geschmähte Ex-Mainzer, der seinen Platz in der Startformation sicher haben sollte. Das hätte vor der Saison sicherlich kaum jemand für möglich gehalten. Dass der effzeh trotz dieser Besetzung in der Offensive und eines auch sonst hochkarätig besetzten Kaders solche Offenbarungseide wie an Ostern abliefert, allerdings auch nicht.
Keine Einheit auf und neben dem Platz
Das liegt allerdings auch daran, dass beim 1. FC Köln in dieser Saison auch vier Spieltage vor dem Ende kein halbwegs konstant funktionierendes Gebilde auf dem Rasen steht. Die „Geißböcke“ setzen weiterhin fast ausschließlich auf individuelle Qualität, die die Partien zu ihren Gunsten entscheiden soll. Wie störanfällig dies ist, wenn Einstellung Aufstellung auch dauerhaft überlistet, durften alle effzeh-Fans am Ostersonntag in Dresden bewundern. Dass das Team auf dem Feld längst noch keine Einheit ist, wurde dabei mehr als offensichtlich: Die Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen, die Automatismen in den Abläufen an beiden Ende des Spielfelds, der Zusammenhalt unter den Spielern – all das scheint brüchiger zu sein als die Eisdecke des Decksteiner Weihers nach dem ersten Winterfrost.
Dazu muss nicht einmal Dominick Drexlers frustgeschwängerte Äußerung nach der Partie, man solle doch die Stars nach der Leistung in Dresden fragen, herangezogen werden. Es scheint zu knirschen im effzeh-Gebälk. Auf dem Rasen giften sich Florian Kainz und Drexler nach einer misslungenen Aktion an, neben dem Platz offenbart die Mannschaft erstmals auch öffentlich Uneinigkeit. Von einem Aufstieg wie 2014, als die „Geißböcke“ als geschlossene Einheit in die Bundesliga gingen, ist der Verein mittlerweile meilenweit entfernt. Aufstiegseuphorie? Weit gefehlt. Stattdessen werden die Verantwortlichen und besonders Trainer Markus Anfang mit einer gehörigen Portion berechtigter Kritik in die Sommerpause gehen. Beste Voraussetzungen sehen anders aus.
Einzig das Punktepolster ist beruhigend
Dennoch: Auch nach dem Desaster in Dresden thront der 1. FC Köln souverän an der Tabellenspitze der 2. Bundesliga. Zwar hat er die Möglichkeit vertan, für einen Matchball vor den eigenen Fans zu sorgen und in Müngersdorf die Bundesliga-Rückkehr perfekt zu machen, doch ist der Vorsprung auf die Konkurrenz weiterhin komfortabel. Das liegt allerdings zu großen Teilen auch an der Schwäche der Verfolger aus Hamburg und Berlin. So richtig den Anschein, als würde jemand aus dieser Liga wirklich aufsteigen wollen, macht derzeit niemand. Und auch, wenn nach dem Auftritt vom Sonntag so mancher das Teilnahmerecht an der höchsten deutschen Spielklasse lieber nicht wahrnehmen würde: Es ist immer noch sehr, sehr wahrscheinlich, dass die „Geißböcke“ im Sommer wieder erstklassig sind.
Foto: Thomas Eisenhuth/Bongarts/Getty Images
Damit würde das Saisonziel letztlich halbwegs souverän erreicht werden – und doch darf am Geißbockheim nicht die Devise lauten, dass am Ende keiner danach fragen wird, wie die „Mission Wiederaufstieg“ erfüllt wurde. Gerade die letzten Partien haben noch einmal deutlich gezeigt, dass der Kader höheren Ansprüchen einfach nicht genügt. Die Diskrepanz zwischen den eigenen Ambitionen und dem doch eher gräulichen Alltags ist mehr als offensichtlich – und sollte im Sommer Konsequenzen haben. Wie dünn das Nervenkostüm angesichts der eigenen Schwächephase im Saisonendspurt auch bei den Spielern ist, verdeutlichen neben Drexlers Verbalattacke auch zwei weitere Szenen aus Dresden: In der ersten Halbzeit holte sich Hector auf der rechten (!) Seite nach einem Foulspiel und anschließendem Wortgefecht mit dem Schiedsrichter eine Verwarnung ab, in der Nachspielzeit sah dann Kainz die überflüssigste Gelbe Karte des Jahres. Der Österreicher fehlt am Freitag gegen Darmstadt damit gesperrt. Beruhigend ist auch das nicht.