Eintracht Frankfurt gewinnt den DFB-Pokal und der Fußball ist um jede Menge weitere Anekdoten reicher: Der Sieg des Underdogs, Leidenschaft auf den Rängen und Kopfschütteln über den VAR. Unsere Eindrücke des Abends.
Man kann ja vom Fußball halten, was man will. Man kann auch von Eintracht Frankfurt halten, was man will. Und ja, man darf auch gewiss geteilter Meinung darüber sein, wie Niko Kovac seinen Wechsel zum FC Bayern München angegangen ist. Man kann und muss an diesem Abend darüber diskutieren, wie sinnvoll der sogenannte Video Assistant Referee ist, der den Fußball ja besser und gerechter machen sollte – naja!
In jedem Fall ist die Bundesliga-Saison vorbei, von daher fehlt wie üblich ein wenig Stoff für die Geschichtenfabrik „Fußball“, aber der Abend im DFB-Pokal entschädigte sofort. Trotz oder gerade wegen allen Diskussionen rund um das Pokalspiel steht fest: Es war ein Abend, um sich in den Fußball zu verlieben.Denn in der Sozialisation eines jeden Fans gibt es vielleicht den einen Moment, an den man sich erinnert, der einen sein Leben lang prägt, weil man sich einerseits in den Fußball verliebt und andererseits in einen Verein.
Niemand kommt als Fan vom 1. FC Köln oder von Eintracht Frankfurt zur Welt, alles eignet man sich an. Und meistens sind es Abende wie dieser, an die man sich später mit einer Gänsehaut erinnert, die dafür sorgen, dass der Fußball sich von einer akuten zu einer chronischen Erkrankung entwickelt und man irgendwann nicht mehr davon los kommt.
“Solche Geschichten schreibt nur der Fußball!”
Wenn man als kleines Kind damit anfängt, sich damit auseinanderzusetzen, was dieser Fußball, von dem die Erwachsenen da immer reden, beginnt man mit den kleinen Dingen: Man erkennt ein Wappen, beschäftigt sich mit einem (hoffentlich) lebendigen Maskottchen eines Vereins und lernt die ersten Spielernamen auswendig. Manchmal ist die örtliche Nähe zu einem Bundesligisten, manchmal auch ein verrückter Onkel oder ein zufällig gekauftes Trikot – die Gründe können ganz vielfältig sein.
Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images)
In der fußballerischen Neuzeit ist es jedoch schwierig, gegen die Omnipräsenz des FC Bayern München anzukommen und damit gegen einen Verein, der seit Jahren in Deutschland Titel um Titel holt und dessen alleiniges Interesse sich auf die Königsklasse richtet. Das ist ja auch gut so, allerdings für ein Kind nicht nachzuvollziehen. Da geht es nur ein singuläres Ereignis, ein einziges Finale, Weiß gegen Rot.
Eintracht Frankfurt siegt für seine Fans – mit etwas Glück und ganz viel Herz
Nicht nur aus Sicht eines Kindes, das nicht zum FC Bayern hält, ist man davon ausgegangen, dass die Roten vom FC Bayern sich auch in diesem Jahr den Pokal sichern würde. Der Gegner aus Frankfurt hatte zuletzt eher mit sich selbst und mit einigen Nebenkriegsschauplätzen zu kämpfen, während die Bayern vor einigen Wochen noch Real Madrid am Rande des Ausscheidens hatten und zuvor durch die Liga schwebte. Und dann gewinnt am Ende doch der Underdog: Mit viel Glück, der Unterstützung des Aluminiums und des Schiedsrichters. Ein großer Abend, alleine aus dieser Perspektive.
Auf der nächsten Seite: Ein historischer Abend mit vielen Aspekten zum Diskutieren.
Dass es ein historischer Abend werden würde, darauf hatten vorher nur die wenigsten gehofft: Doch zum ersten Mal seit 30 Jahren kann sich Eintracht Frankfurt einen nationalen Titel sichern, nachdem man im Vorjahr noch verlor und dann eine eigentlich ziemlich gute, am Ende dann aber chaotische Saison mit Platz acht abschloss. Und trotz aller Rivalität zwischen Kölner und Frankfurter Fans: Man muss es den Anhängern der SGE einfach gönnen. Die Leidenschaft der Szene ist groß, die Unterstützung auch – von daher kann man ihnen nur wünschen, dass sie diesen Moment nun genießen können.
Auch der VAR schreibt Geschichte, aber keine schöne
Fairerweise sei jedoch auch angemerkt, dass sich Eintracht Frankfurt nicht hätte beschweren können, wenn die Bayern in der Nachspielzeit nach Foul von Boateng an Martinez einen Elfmeter zugesprochen bekommen hätten. Selbst in Realgeschwindigkeit sah es kritisch aus, Schiedsrichter Felix Zwayer entschied sich sogar nach Konsultation der Wiederholung dazu, eben nicht auf den Punkt zu zeigen.
An sich kein so großer Skandal, aber für viele Kritiker des Video Assistant Referees zusätzliches Wasser auf den Mühlen. Bei dessen Einführung versprach man sich ein größeres Maß an Gerechtigkeit, weil man klare Fehlentscheidungen würde ausschließen können – nun, man muss nicht nur an der Säbener Straße nachfragen, dass das jetzt nicht allzu gut geklappt hat.
Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images
Hinzu kommt, dass sich die Emotionalität des Spiels gänzlich verändert, denn man stelle sich vor, dass das Führungstor zum 2:1 von Ante Rebic nachträglich aberkannt worden wäre – warum auch immer. Spaß macht das alles aber wirklich keinem mehr. Einigermaßen witzig, dass das Konzept des VAR an einem solchen Abend vor einem Millionenpublikum wieder seine ganze Lächerlichkeit unter Beweis stellt.
Warum Eintracht Frankfurt den Pokalsieg verdient hat
Der Pokalsieg der Frankfurter ist dennoch insofern verdient, weil die SGE als einer der wenigen Vereine in der Bundesliga einen Stadionausbau plant, der in erster Linie sozialverträglich sein soll – das Fassungsvermögen soll in erster Linie um Stehplätze aufgestockt werden, damit auch Menschen mit schmalem Geldbeutel ins Stadion gehen können.
Weiterhin war Eintrachts Präsident Fischer in den vergangenen Monaten der einzige hochrangige Vereinsfunktionär in der Bundesliga, der sich offen gegen die AfD gestellt und damit auf das übliche diplomatische Rumlavieren verzichtet hat. Das spielt natürlich in Bezug auf sportliche Leistungen in einem Wettbewerb des DFB überhaupt gar keine Rolle, in die Geschichtenfabrik dieses Sports passt es dann aber doch ganz gut hinein.
Denn Anknüpfungspunkte für die nötige Empörung vieler Kommentierenden fänden sich genügend: Da wäre zuerst das Spruchband der Frankfurt Fans, auf dem zu lesen war, dass Jupp Heynckes „Stand jetzt“ noch lebe. Zu Beginn der zweiten Halbzeit fackelten beide Fanlager jede Menge Pyrotechnik ab, woraufhin sowohl der Stadionsprecher als auch die Kommentatoren in den Fernsehsendern die übliche Litanei gegen die Verwendung von Pyrotechnik begannen.
Nach dem Ende des Spiels und während der Siegerehrung regte man sich dann mehr oder weniger intensiv darüber auf, dass die Spieler des FCB für den Pokalsieger aus Hessen nicht Spalier standen – wirklich skandalös! Dabei hätte man sich einfach mal darüber freuen können, dass mit Eintracht Frankfurt ein großer deutscher Verein seit Ewigkeiten mal wieder einen Titel holt. Am Ende wird aber bei allen Diskussionen ein Bild in Erinnerung bleiben: Mijat Gacinovic’ Lauf vor dem 3:1, die komplett ausflippende Frankfurter Ersatzbank und die ungläubige, aber dennoch freudige Erwartung der SGE-Fans in der Kurve vor dem großen, vor ihrem Triumph. Man muss sich mit ihnen freuen.
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