Die Eintracht will “sozialverträglich” das Stadion ausbauen, die Hertha das letzte Wort den Mitglieder überlassen. Das sind gute Signale, doch in Köln könnte es anders laufen.
Die Bundesliga-Saison ist vorbei, die sportlichen Aspekte der Branche rücken also für ein paar Monate erst einmal in den Hintergrund. Ob in Berlin, Frankfurt oder Köln – überall haben die Fußballclubs auch im Sommer große Aufgaben vor der Brust. Seien es Spielertransfers, Sponsorendeals oder gar noch größere Weichenstellungen für die Zukunft wie eben Planungen zum Aus- oder Neubau des eigenen Stadions.
Beim 1. FC Köln, der sich gerade sensationell erstmals seit 25 Jahren wieder für das internationale Geschäft qualifizieren konnte, läuft die Debatte um die Zukunft der eigenen Heimspielstätte derweil schon länger. Im Wesentlichen geht es darum, ob ein Ausbau des Müngersdorfer Stadions möglich und den Anwohnern zuzumuten ist, oder ob ein neues Stadion an anderem Standort gebaut werden muss. Eine Arena könnte das dann werden – modern, nachhaltig, umsatzstark. Am jetzigen Standort wäre dafür aber weder Platz noch Toleranz für einen Neubau vorhanden.
Also prüfen die Kölner gerade sowohl die Ausbaumöglichkeiten in Müngersdorf, als auch, ob es andere geeignete Standorte für einen eventuellen Neubau im Stadtgebiet gibt. Oder zur Not eben auch außerhalb. Denn das RheinEnergie-Stadion mit seinen 50.000 Plätzen, in den letzten Jahren oft ausverkauft, ist den wiedererstarkten Kölnern zu klein geworden. Die für den Club letzte, wirtschaftlich sinnvolle große Möglichkeit, den Umsatz weiter zu steigern, sei ein größeres Stadion, wie man aus Geschäftsführung und Vorstand des Traditionsclubs vernehmen kann.
Stadionpläne in Frankfurt, Berlin und Köln
Analog dazu verhält es sich bei der Frankfurter Eintracht – die vergleichbar große Commerzbank-Arena ist oft genug ausverkauft, um davon auszugehen zu können, dass man mehr Tickets verkaufen könnte, wenn man den dafür notwendigen Platz im Stadion denn bloß hätte. Und auch Hertha BSC plagen derzeit Stadionsorgen. Ironischerweise liegt der Grund für die Unzufriedenheit beim Hauptstadtclub im gegenteiligen Extrem. Das Olympiastadion ist zu groß, nur selten ausverkauft und zum Leidwesen der “alten Dame” kein reines Fußballstadion.
Während die einen also quantitative Probleme plagen, ist es bei den Berliner eher die Qualität des Stadionbesuchs, die erhöht werden soll. Doch auch wenn die Gründe sich unterscheiden: Bei allen drei Clubs erzeugt die Situation einen gewissen Handlungsdruck. Ein guter Ökonom wäre schließlich kein guter Ökonom, wenn er Umsatzpotentiale nicht ausreizen würde – ob nun wegen zu wenig vorhandenen Plätzen oder zu hoher Miete für zu viele Plätze.
Ein Fußballclub, das weiß man im Jahre 2017 mittlerweile überall, ist ein mittelständisches Unternehmen und handelt eben auch so. Und mit diesem Allgemeinplatz könnte man, würde man die soziale Einbettung von diesen oft über lange Zeit gewachsenen Vereinen komplett ignorieren, das Thema schon begraben. Es gibt Potential, Firmen reizen es aus? Eine ganz normale Sache im Kapitalismus. Und damit Ende.
Fußballclubs sind keine ganz normalen Unternehmen
Doch normale Unternehmen sind Fußballvereine in Deutschland – zum Glück – immer noch nicht. Auch die oft in Kommanditgesellschaften ausgegliederten Profiabteilungen entstammen klassischen eingetragenen Vereinen, in denen am Ende des Tages vor allem die Mitglieder das Sagen haben. Und die Standorte der oft altehrwürdigen Heimstadien ebendieser Vereine haben eine große Bedeutung für ihre Anhänger und die Geschichte der Clubs. Ein Umzug an einen anderen Standort ist angesichts dieser Vorzeichen ein nicht annähernd so einfaches Unterfangen, wie es das für jede x-beliebige Firma, die in diesem Sinne keine Fans, sondern eben nur Kunden hat, wäre. Protest ist schließlich so sicher wie das Amen in der Kirche.
Foto: Rote Böcke
Während die Eintracht einen Umzug nie in Betracht gezogen hat und sich deshalb der besonders emotional geführten Standortdiskussion gar nicht erst stellen muss, hat man in Berlin und Köln durchaus erste Reaktionen zu spüren bekommen. Als man bei der Hertha laut darüber nachdachte, den Berliner Olympiapark zu verlassen, eventuell sogar eine Fußballarena in Brandenburg im Hauptstadt-Umland zu errichten, sorgte das für Entrüstung bei den eigenen Anhängern. In Köln prangte zuletzt angesichts möglicher Standorte auf der rechten Rheinseite oder im Kölner Umland ein nicht zu übersehendes „Standort Müngersdorf unverhandelbar!“-Banner in der Südkurve. Und auch bei einer Umfrage unter den Usern von effzeh.com mit mehr als tausend Teilnehmern zeigte sich eine klare Präferenz für den Verbleib in Müngersdorf.
Gegenwehr an Rhein und Spree
Die Umgang mit der Gegenwehr der Fans fällt an Rhein und Spree allerdings anders aus. Präsidium und Aufsichtsrat der Hertha gaben bei der Mitgliederversammlung am Dienstagabend dem stürmischen, teilweise aggressiven Drängen der Vereinsmitglieder nach und verpflichteten sich zu einer verbindlichen Mitgliederbefragung, sollte der Wegzug aus dem Olympiapark eine realistische Option werden. „Wir haben versucht, die Stimmung aufzunehmen und klar zu machen, dass es keine Entscheidung gegen die Mitglieder geben wird“, erklärte Präsident Werner Gegenbauer prompt. Und sogar die Vereinssatzung soll nun offenbar derartig geändert werden, dass die Mitgliederversammlung in der Stadionfrage – eigentlich Sache der ausgegliederten Kommanditgesellschaft und nicht des Vereins – das letzte Wort hat. Der Burgfrieden bleibt so vorerst gewahrt. Die Club-Führung kann das Umzugsszenario weiterhin als Druckmittel in Verhandlungen mit der Stadt einsetzen, gleichzeitig können die Hertha-Anhänger sich halbwegs sicher sein, dass sie es sein werden, die für die finale Entscheidung verantwortlich sind.
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In Frankfurt verfolgt man derweil einen ganz anderen Ansatz. Zusammen mit der Stadt präsentierte die Eintracht kürzlich ihren Anhängern die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie zum Ausbau der Commerzbank-Arena. Statt den bisher 51.500 Zuschauern sollen in Zukunft 61.000 Personen einen Platz im Stadion finden. Dass es dabei nicht nur um schnöde Profitmaximierung durch neue teure Sitzplätze geht, wird schnell deutlich. Die Eintracht plant in Zukunft statt den bisherigen 7.000 Stehplätzen derer 20.000 anbieten zu können. „Fußball für alle“ wolle man so möglich machen, erklärt Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann den Plan. Mit diesem „sozialverträglichen Ausbau“ soll es jungen Fans mit geringem Einkommen möglich sein, ein Fußballspiel der Eintracht zu besuchen, führte Eintracht-Vorstand Axel Hellmann weiter aus. Für die Umsetzung müssten nicht nur Sitzplätze, sondern auch der Logen-Ring in der Nord-West-Kurve dran glauben – ein für die kapitalistische Fußballwelt doch sehr ungewöhnlicher Plan, der angenehm wenig nach Profitorientierung klingt.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Letztere scheint in Köln gleichwohl wichtig zu sein – den Eindruck kann man zumindest bekommen. Nahezu mantraartig wird die wirtschaftliche Notwendigkeit eines größeres Stadions von Präsident Werner Spinner und Geschäftsführer Alexander Wehrle bei jeder sich bietenden Gelegenheit derzeit betont. Die Motivation für die Kölner Pläne scheint nicht unbedingt zu sein, mehr „jungen Fans mit geringem Einkommen“ einen Stadionbesuch zu ermöglichen. Ein dezenter Ausbau im Stile der Eintracht schien in Köln ohnehin von vornherein ebenso wenig ein Thema zu sein, wie eine deutliche Erhöhung der (wenig ertragreichen) Stehplätze jemals die Hauptmotivation für die Vergrößerungspläne gewesen sein dürfte.
“Mehreinnahmen von bis zu 15 Mio. Euro”
In der Domstadt will man lieber direkt eine Kapazität von 75.000 Plätzen erreichen. Warum ein Aus- oder Neubau für den Verein so wichtig ist? „Das würde Mehreinnahmen pro Saison von bis zu 15 Millionen Euro bedeuten”, erklärt Wehrle im Gespräch mit der “Kölnischen Rundschau”. Dass dann vor allen Dingen mehr Fans die Spiele verfolgen könnten, scheint in Köln offenbar nur als positiver Nebeneffekt des Hauptziels namens Gewinnsteigerung eingeplant zu sein.
Gleichzeitig mutet die derzeit laufende Machbarkeitsstudie, ob ein Ausbau des RheinEnergie-Stadions in Müngersdorf möglich wäre, ein wenig so an, als sei sie vom Club nur in Auftrag gegeben worden, um zu beweisen, dass ein Neubau an einem anderen Standort das Beste für alle Beteiligten sei. Schließlich weiß man am Geißbockheim, dass der Ausbau in Müngersdorf das wohl anstrengendste und konfliktreichste aller möglichen Unterfangen wäre – infrastrukturelle Probleme und Krach mit den Anwohnern drohen. Von einer Mitgliederbefragung oder gar Satzungsänderung, damit schlussendlich die Anhänger darüber entscheiden könnten, ob die Geißböcke weiterhin in Müngersdorf oder eben bald in Frechen, Porz oder Hürth kicken werden, hört man in Köln derweil wenig. Lediglich, dass man die Entscheidung „nicht einsam im Elfenbeinturm“ treffen wolle, ließ Wehrle die Anhänger beruhigenderweise schon einmal wissen.
Merkwürdige Olympia-Fantasie in Köln
Alexander Wehrle ist es auch, der sich kürzlich öffentlich einer merkwürdigen Fantasie hingab: Der Neubau eines für Leichtathletik geeigneten Olympiastadions, das in eine Fußballarena umgebaut werden könne und somit Faktor einer potentiellen NRW-Bewerbung für die Sommerspiele sein könnte, sei “technisch machbar”, erklärte der Kölner Geschäftsführer im “Express”. Dass spätestens dieser abstruse feuchte Traum mit den Wünschen der Kölner Fans nichts mehr zu tun hat, scheint bei den Überlegungen weder aufzufallen, noch eine größere Rolle zu spielen – auch wenn Wehrle erklärt, dass es bei den Planungen in erster Linie immer um den Fußball gehen werde.
Sich leicht größenwahnsinnigen Visionen hinzugeben, scheint beim 1. FC Köln, bei dem die aktuelle Führungsriege zu Dienstbeginn vor ein paar Jahren genau dieses altbekannte Kölner Phänomen bekämpfen wollte und auch erfolgreich damit war, plötzlich wieder erlaubt zu sein. Angesichts des sportlichen Erfolgs und der wirtschaftlich ebenso prächtigen Entwicklung des Clubs in der jüngeren Vergangenheit, ist Bescheidenheit offenbar nicht mehr die oberste Prämisse im Grüngürtel. „Das Geld liegt auf der Straße, nur können wir es nicht einsammeln” bringt Wehrle die offensichtliche Hauptmotivation für die Kölner Zukunftspläne schließlich auf den Punkt. Darum, die “sozial verträglichste” Lösung zu finden, scheint es jedenfalls nicht vorrangig zu gehen.