Betrachtet man die Saison des 1.FC Köln in der Saison 2018/19 oberflächlich, so erblickt man einen letztlich ungefährdeten Aufstieg, der vorzeitig am 32. Spieltag in Fürth eingetütet werden konnte. Ein wenig unterfütternde Statistik: Mit 63 Punkten hat man nach 34 Spieltagen komfortable sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, zudem traf man sensationelle 84-mal ins gegnerische Tor, alleine Simon Terodde schoss rekordverdächtige 29 Tore in 33 Spielen. Hinzu kam die Auferstehung von Jhon Cordoba.
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Schaut man jedoch genauer hin, schießen einem einige Fragezeichen in den Kopf: Ganze neun Spiele wurden verloren. Unter Peter Stöger waren es in der Aufstiegssaison 2014 lediglich vier. Und man bekam 47 Gegentore eingeschenkt, das sind genau so viele wie beispielsweise Erzgebirge Aue kassiert hat. 2014 waren es lediglich 20.
Eine Saison mit “Spitzelaffäre” und drei Krisen
Auch abseits dieser sportlichen Kennziffern kommen einem zuerst drei Krisen, einige verstörend unbeholfene Auftritte und wenig individuelle Entwicklung des Kaders in Erinnerung. Trotz Aufstieg und Meisterschaft! Insbesondere im Mittelteil der Saison gab es neben vielen ungefährdeten und zum Teil auch schön herausgespielten Siegen sportliche Dürrephasen, die letztlich sogar Trainer Markus Anfang sein Amt trotz Tabellenführung kosten sollten. Im Kader war die Stimmung ebenfalls nicht so gut, wie man sich das von einem Aufsteiger eigentlich erwartet hätte.
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Hinzu kam eine vermeintliche, vom Boulevard so genannte “Spitzelaffäre” in der Kabine, eine sich ewig ziehende Transferposse um Anthony Modeste und ein Trainergespann, welches es sich mit der Mannschaft grundlegend verscherzte. Eine Saison, der man das Prädikat “besonders wertvoll” verleihen möchte, war die Spielzeit 2018/19 also ganz bestimmt nicht. Durch die immer mal wieder eingestreuten sportlichen Offenbarungseide lag auch ein ständig vernehmbares Grundrauschen über der Saison. Selten gab es Gewissheit darüber, ob das nächste Spiel auch gewonnen werden würde. Kurzum: Nicht nur auf der administrativen Ebene, sondern auch im sportlichen Bereich war die abgelaufene Saison für den Fan eine enorm anstrengende.
Dabei begann die Spielzeit mit zehn Punkten aus den ersten vier Spielen auf dem Papier gut, auch das 9:1 in der ersten Pokalrunde beim BFC Dynamo kann man in die Kategorie “souverän” einstufen, auch wenn man zwischendurch 0:1 zurücklag. Die Taktik von Anfang war im Spätsommer zwar noch weit davon entfernt das von Dominik Drexler versprochene „Bessermacher“-System zu sein. Aber der neue Trainer ließ auch früh wissen, dass das Team das Gewinnen nach der Abstiegssaison erst neu lernen müsse. Eine irgendwie diskutable Ansicht, nach dem Vorjahresdesaster aber keine ganz unlogische.
Nie den Nimbus der Unbesiegbarkeit ausgestrahlt
Erste fundamentale Risse im Glauben an das System gab es ausgerechnet beim munteren 5:3-Auswärtssieg am Millerntor im September. Ein vogelwildes Spiel, in welchem der FC aus einem 0:2 Rückstand ein zwischenzeitliches 4:2 machte, das Spiel dabei aber nie unter Kontrolle bekam und erst mit dem 5:3 in der 96. Minute endgültig für sich entscheiden konnte. Offensiv lief es. Der zunächst noch zögerlich gestellten Frage, wie man die Defensive stabilisieren wolle, blieb Anfang jedoch bereits im September eine Antwort schuldig. Die fand er im übrigen bis zu seiner Entlassung im April nicht mehr. Als es eine Woche nach dem Spiel in Hamburg in einem ähnlich wildem Spiel gegen den SC Paderborn bei der 3:5-Niederlage für jeden erkennbar viel zu oft hinter Timo Horn einschlug, wurden die Fragen an den Trainer schließlich erstmals lauter.
Nach drei mehr oder weniger überzeugenden Siegen in Sandhausen, zuhause gegen Ingolstadt und in Bielefeld krachte das Gebilde im Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Duisburg Anfang Oktober vorerst in sich zusammen: Mit einfachsten Mitteln wie frühem Pressing schaffte es der MSV im ersten Spiel von Neu-Trainer Torsten Lieberknecht die Kölner Offensive aus dem Spiel zu nehmen und in Müngersdorf verdient mit 2:1 zu gewinnen.
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Das 4-1-4-1-System von Anfang war fortan endgültig dechiffriert, nach weiteren äußerst dürftigen Leistungen in Kiel (1:1) und zuhause gegen Heidenheim (ebenfalls 1:1) sowie einem etwas unglücklichem Ausscheiden im Pokal gegen Schalke kam es zum vorläufigen Tiefpunkt beim Spitzenspiel in Hamburg. Die “Geißböcke” verloren mit 0:1 und ließen so ziemlich alles vermissen, was es braucht, um im Profifußball bestehen zu können. Entsprechend polterte Armin Veh nach der Partie: „Das Spiel war einfach grottenschlecht“ oder “Ich kann nur sagen, dass man so nicht spielen kann. Und dass man, wenn man aufsteigen will, etwas ändern muss, was das anbelangt“ kritisierte der Kölner Geschäftsführer drauf los. Von einer Entwicklung des Anfangschen Systems konnte kaum mehr die Rede sein, folgerichtig wurde es zum nächsten Spiel (auf wessen Initiative auch immer) beerdigt.
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Ebenfalls beerdigt wurde mit dem Umstieg auf ein 3-5-2-System die erste sportliche Krise: Mit 8:1 besiegte man ein völlig überfordertes Dynamo Dresden, das nach dem frühen 1:0 von Jhon Cordoba allerdings auch alles falsch machte, was man gegen das offensivstarke Team aus der Domstadt falsch machen konnte. Danach lief es wieder beim FC. Die Offensive um Simon Terodde traf, wie sie wollte. Das letzte Spiel vor und die erste Partie nach der Winterpause gingen gegen Bochum und in Berlin jedoch wieder verloren und offenbarten, dass man sich als Fan nach wie vor nie sicher sein konnte – ob bei Führung oder nicht und komplett unabhängig vom Gegner. Dominanz und Überlegenheit findet man im Duden nun wirklich nicht unter diesen Schlagworten.
Es sollte schließlich wieder das Spiel gegen den späteren Mitaufsteiger aus Paderborn sein – die Defizite der Kölner in vielen Punkten wurden gnadenlos offen gelegt. Es war jene Partie, in welcher der FC sein kleines, eigenes urkölsches Drama mit dem Titel “Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt” aufführte. Den ersten Part übernahm Anthony Modeste, der in diesem Spiel das erste mal nach seiner Rückkehr im Kader stand. Nach seiner Einwechslung traf der Franzose prompt zum 2:0 und verbarg daraufhin minutenlang sein Gesicht unter Tränen. Diese spürbare Ergriffenheit des Stürmers war einer der seltenen wirklich schönen Momente rund um den Verein in dieser Saison. Momente, die einen erinnern, warum man Fan ist. Aber da im Spiel eben der 1.FC Köln der Saison 2018/19 spielte, gab es im Drama natürlich noch einen eher unnötigen zweiten Akt, in welchem der FC in den letzen zehn Minuten einen kollektiven Systemabsturz sondergleichen hinlegen sollte. Aus der komfortablen 2:0-Führung wurde ein 2:3-Rückstand, Florian Kainz sah zudem die Gelb-Rote Karte.
Auch sechs Siege sorgen nicht für Schulterschluss
„Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, ließ sich Veh nach der Niederlage prompt zitieren und zählt so Trainer Anfang an. Und dann war da ja auch noch die sogenannte „Spitzelaffäre“. Der “Sportbuzzer” hatte behauptet, Anfang hätte einige Spieler in der Kabine damit beauftragt, die Kollegen auszuspitzeln. Zudem habe es Krisensitzungen der Mannschaft mit Veh, aber ohne Anfang gegeben. Der Verein widersprach der Geschichte mit dem Spitzel in der Kabine energisch.
„Man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“
Zwar gewann der FC die folgenden sechs Spiele allesamt und setzte sich damit im März in der Tabelle von der schwachen Konkurrenz ab, mit dem 4:4 in Duisburg kehrten die Diskussionen jedoch schnell zurück. Erneut folgten vier Spiele ohne Sieg – eine Krise zu viel für Anfang, der nach einem eigentlich guten Spiel gegen Darmstadt (1:2) nicht mal das Saisonende in Köln erleben durfte. Der Aufstieg gelang schließlich unter dem U-21 Trainer Andre Pawlak vorzeitig und mühelos.
Ein gewichtiger Grund für Anfangs Scheitern wird im Auftreten von seinen Co-Trainern und dem Cheftrainer selbst auf dem Trainingsplatz vermutet. Wenig einnehmend und emphatisch vermittelten sie ihren Plan vom Fußball und vermochten dabei offenbar nicht, die Führungsspieler in ihrer Kommunikation entsprechend mitzunehmen. Soft Skills, welche heutzutage bei potentiellen Bundesliga-Trainern gefordert sind.
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So verwundert es unterm Strich auch kaum, dass die Mannschaft in der abgelaufenen Saison den Eindruck vermittelte, weit von einer echten Einheit, wie man sie noch beim Aufstieg unter Stöger auffinden konnte, entfernt zu sein. „Ich bin ehrlich: Es war eine komische Stimmung!“ fasste Modeste jüngst im Interview mit dem “Geissblog.Köln” die Lage unter der Saison relativ passend zusammen. “Ich will nicht wissen, wie es gewesen wäre, wenn es so gelaufen wäre wie beim HSV.” Aussagen, die wenig Interpretationsspielraum bieten und bei denen man nur drei Kreuze gen Himmel schickt, dafür dass die Saison mit einem unterm Strich halbwegs souveränen Aufstieg endete.
Der war Pflicht für die Kölner. Von einer schönen Kür war man allerdings oft meilenweit entfernt. Die Saison bot rein sportlich betrachtet nicht das, was man sich von ihr erhoffte. Jugendspieler wurden nicht bei den Profis integriert, ein funktionierendes Spielsystem wurde ebenfalls nicht entwickelt. Achim Beierlorzer wird nun wieder für eine andere Art Fussball stehen als noch Markus Anfang. Der neue FC-Trainer wird nun erst einmal wieder eine Einheit aus dieser Mannschaft formen müssen. Es gibt einige Baustellen und eine Menge zu tun, wenn der 1. FC Köln in der kommenden Saison den Klassenerhalt möglichst problemlos klar machen möchte.