Roter Stern ist der optimale Gegner für die Heimspielrückkehr im Europapokal – treue Fans, mystische Stadien und ein historisches Duell verbinden die Clubs.
Seit der 1. FC Köln im letzten Mai die umjubelte Rückkehr ins internationale Geschäft geschafft hat, wird nicht nur in der Domstadt gerne und ständig betont, wie lang es nun her gewesen ist, dass die Geißböcke zuletzt auf der großen Bühne randurften. Genau! Fünf-und-zwan-zig Jahre! Das muss man sich mal vorstellen.
Wenn am kommenden Donnerstag zum ersten Mal wieder für ein Europapokalspiel in Müngersdorf der Vorhang fällt, treffen die Kölner passenderweise auf einen Gegner, der sich damit auskennt, nostalgisch von den alten Zeiten zu träumen. Während man in Köln gerne mit Wehmut an die späten 1980er und frühen 1990er Jahre und die damaligen Erfolge auf nationaler Ebene zurückdenkt, ist die Fallhöhe der Erinnerungen beim FK Crvena zvezda, in Deutschland eher als Roter Stern Belgrad bekannt, allerdings ungleich höher.
Darko Pancev 1991 | Foto: Simon Bruty/Allsport
Ein Jahr bevor der 1. FC Köln das letzte Mal auf internationale Bühne die Schuhe schnürte, 1991 also, strahlte der rote Stern am hellsten: Belgrad gewann den Europapokal der Landesmeister und später auch den Weltpokal. In der mittlerweile 72-jährigen Geschichte des Clubs bleibt dieser Triumph der Mannschaft um Darko Pancev bis heute der absolute Höhepunkt. Im Folgejahr reichte es für die damaligen Jugoslawen zwar noch einmal für eine Finalteilnahme im Europapokal, dann folgte jedoch der Zerfall des sozialistischen Landes, der internationale Niedergang des Belgrader Clubs ging damit Hand in Hand.
Köln und Roter Stern: Erinnerungen an alte Zeiten
Rein sportlich betrachtet verbindet den serbischen und den kölschen Club dennoch relativ wenig: Während Roter Stern national als Rekordmeister eher die Rolle des serbischen FC Bayern bekleidet, gehört der 1. FC Köln seit jeher zwar zu den größten und beliebtesten Clubs Deutschlands, ist mit lediglich drei Meistertiteln allerdings von nationalen sportlichen Meilensteinen aber doch recht weit entfernt.
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Dennoch verbindet beide Mannschaften, dass die Europa-League-Saison 2017/18 für sie eine gefühlte Rückkehr in sportliche Höhen ist, in denen man sich bei beiden Clubs traditionell durchaus zu Hause fühlt. Während man in Köln seit 1992 nicht mehr international ran durfte, mussten die Zvezda-Fans seit der Saison 2008 auf die Teilnahme an einer internationalen Gruppenphase warten. Beide Vereine haben derzeit also die größten Erfolge seit langer Zeit zu feiern, beide schauen nostalgisch auf die gute alte Zeit zurück und beide sind sich in genau dieser sogar bereits einmal begegnet.
Video: Die Highlights vom UEFA-Pokal-Rückspiel gegen Belgrad
In der UEFA-Pokal-Saison 1989/90 gab es das bisher einzige Aufeinandertreffen zwischen dem 1. FC Köln und Roter Stern Belgrad – mit dem besseren Ende für den FC. Nachdem die Geißböcke das Hinspiel in Belgrad vor rund 100.000 frenetischen Zuschauern mit 0:2 verloren hatten, gelang im Rückspiel mit einem 3:0-Sieg das Comeback. Es blieb das bisher einzige Duell der Clubs, die beide traditionell in Rot und Weiß auflaufen.
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Neben den gleichen Vereinsfarben, gibt es bei beiden Clubs aber auch am Spielfeldrand durchaus ein paar Gemeinsamkeiten – wenngleich bei den Serben wohl alles noch ein bisschen leidenschaftlicher, verrückter und fanatischer zugeht als im beschaulichen Köln. Dennoch verfügen beide Clubs über eine außergewöhnlich starke Verankerung in ihrer Stadt.
Während der absolute Erzivale mit Partizan Belgrad bei Zvezda in der eigenen Stadt zu finden ist, blickt der 1. FC Köln auf die traditionelle Rivalität mit Borussia Mönchengladbach, ebenfalls geographisch in greifbarer Nähe angesiedelt, zurück. Das Fansein wird sowohl bei den FC- als auch bei den Zvezda-Fans quasi mit der Geburt in die Wiege gelegt, auch der größte Feind ist da sofort definiert. Das Duell zwischen Partizan und Roter Stern gilt als eines der heißesten Derbys dieses Planeten und produziert regelmäßig Szenen, die in Bundesliga-Stadien undenkbar sind. Die Folge dieser sozialen Verankerung ist sowohl am Rhein als auch an der Donau aber ähnlich: Besonders leidenschaftliche und treue Anhänger.
Foto: ANDREJ ISAKOVIC/AFP/Getty Images
Während die ausufernden Pyro-Shows der Roter-Stern-Fans im heimischen Rajko-Mitic-Stadion weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt sind, haben die Kölner Anhänger derweil mangels internationaler Möglichkeiten vor allem in Deutschland mit fast masochistischer Treue und leidenschaftlicher Stimmung im Müngersdorfer Stadion von sich Reden gemacht.
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Diese Treue geht bei beiden Clubs einher mit den traditionellen Heimspielstätten. Bei Roter Stern mag mit dem umgangssprachlich Marakana von Belgrad genannten Stadion Rajko Mitic zwar alles ein wenig größer sein als in Köln, doch ähnlich wie der effzeh in Müngersdorf verfügt auch Zvezda über eine nahezu mythisch aufgeladene, sagenumwobene geographische Heimat, die fester Bestandteil der DNA des Clubs ist.
Zeit für neue Sternstunden in Müngersdorf
Die Stimmung, die von den “Delije” genannten Belgrader Anhängern bei Heimspielen des Clubs seit jeher an diesem Ort erzeugt wird, ist berüchtigt, und hat schon für viele Auswärtspleiten renommierter Vereine gesorgt – auch wenn heute keine 100.000 Zuschauer im vor einiger Zeit sanierten Belgrader Stadion mehr Platz finden. Und ja, die Stimmung im Müngersdorfer Stadion mag zwar nicht ganz so hitzig und ganz sicher nicht von auch nur annähernd so viel Pyrotechnik untermalt sein, wie das im Marakana von Belgrad regelmäßig der Fall ist. Dennoch hat auch das Kölner Publikum mittlerweile ausreichend bewiesen, dass es zu den absoluten Support-Höhepunkten Fußball-Deutschlands gehört.
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
Nachdem die Kölner Fans mit ihrer 20.000 Mann starken Invasion Londons beim Spiel gegen Arsenal Europa bereits einen Vorgeschmack gegeben haben, zu was sie in der Lage sind, kommt für sie nun also der Zeitpunkt, Müngersdorf endlich wieder in internationalem Glanz erstrahlen zu lassen. Und mit Roter Stern Belgrad hätte es kaum einen passenderen Gegner dafür geben können. Wenn am Donnerstagabend um 19 Uhr also endlich wieder der große Vorhang fällt, wird Müngersdorf nach ewig langen Jahren bereit sein für neue europäische Sternstunden. Es ist ja schließlich nun auch lang genug her. Fünf-und-zwan-zig Jahre! Das muss man sich mal vorstellen.