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FC-Neuzugang Ondrej Duda: Klassischer Zehner, kleiner Künstler, sensibler Spielmacher

Foto: 1. FC Köln

Eine klaffende Lücke im Kader des 1. FC Köln ist geschlossen worden: Spielmacher Ondrej Duda wechselt von Hertha BSC zu den „Geißböcken“ und soll im Offensivzentrum die Angriffsbemühungen der Mannschaft von Trainer Markus Gisdol orchestrieren. Der 25 Jahre alte Slowake, der zuletzt auf Leihbasis für ein halbes Jahr bei Norwich City in der englischen Premier League aktiv war, unterschreibt am Geißbockheim einen Vierjahresvertrag und wird auf der Position hinter den Spitzen Mark Uth nachfolgen. Der gebürtige Kölner musste nach einem sechsmonatigen Intermezzo beim FC zu Schalke 04 zurückkehren.

„Ondrej ist ein klassischer Zehner. Er hat in der Bundesliga bereits bewiesen, dass er nicht nur Tore vorbereiten kann, sondern auch selbst welche schießt. Er ist laufstark, kann das Spiel schnell machen und hat eine sehr gute Spielübersicht. Dazu tritt er unheimlich starke Standards“, erklärte FC-Sportgeschäftsführer Horst Heldt bei der Verkündung der Verpflichtung, die sich die Kölner Medienberichten zufolge fast sieben Millionen Euro kosten lassen. Der 37-fache slowakische Nationalspieler geht damit den umgekehrten Weg, den Jhon Cordoba zu Beginn der Woche gegangen war. Der kolumbianische Angreifer, dessen Vertrag im kommenden Sommer ausgelaufen wäre, verließ die „Geißböcke“ für über 15 Millionen Euro Richtung Hertha BSC.

Duda: “Am liebsten spiele ich auf der Zehn”

Mit Duda holt sich der FC einen wahrlich klassischen Spielmacher an Bord, der im Offensivzentrum den Takt seiner Mannschaft angeben will und auch über Standardsituationen für Gefahr sorgen kann. „Am liebsten spiele ich auf der ‘Zehn’. Dort kann ich am besten mein Kombinationsspiel einbringen. Meine Flanken und Torschüsse sind auch nicht so schlecht“, charakterisierte der Rechtsfuß seine Stärken auf der Hertha-Homepage einmal selbst. Das Spiel lenken und gestalten, die eigenen Angreifer in Szene setzen und darüber hinaus selbst für Torgefahr sorgen: Das ist Dudas Jobbeschreibung. „Ich denke, ich habe Fähigkeiten, die andere vielleicht nicht haben: Der erste Kontakt, der finale Pass, die Torgefahr. Das kann ich am besten einbringen, wenn ich in der Mitte spiele“, ist sich der Slowake seiner Qualitäten bewusst.

“Ich denke, ich habe Fähigkeiten, die andere vielleicht nicht haben: Der erste Kontakt, der finale Pass, die Torgefahr. Das kann ich am besten einbringen, wenn ich in der Mitte spiele.”

Qualitäten, die der kleine Ondrej im ostslowakischen Snina entwickelt. Dort am 4. Dezember 1994 geboren wird er von seinem gleichnamigen Vater, der ebenfalls als Spieler aktiv war, mit dem Fußballvirus infiziert. „Ich war vier, als ich erstmals gegen den Ball trat. Zuerst habe ich nur zuhause gespielt, dauernd Sachen kaputtgeschossen. Ich kann nicht so schlecht gewesen sein, denn mein Vater sagte schon damals, dass ich später Fußballer werde“, erinnert sich Duda junior an seine Anfänge. „Solange ich denken kann, habe ich mit Fußballschuhe geschlafen. Mein Vater gab sie mir anstelle eines Kuscheltiers. Das ist vermutlich der Grund, weshalb ich immer Fußballer werden wollte“, erklärt er. Sein Vater ist Trainer beim MSK Snina, wo Duda junior auch bald spielen wird. Es ist der Start in die Karriere des Ondrej Duda. Es ist der Start in die Karriere eines der vielversprechendsten Talente der jungen slowakischen Fußballgeschichte.

In den Fußstapfen von Hamsik und Skrtel

Nach der achten Klasse verlässt Duda den MSK Snina – und seine Heimat. Für ihn geht es beim MFK Kosice weiter, der heute als FC VSS Kosice bekannt ist. Duda plagt Heimweh, hat auch disziplinarische Probleme, doch der Fußballer, der für Steven Gerrard und den FC Liverpool schwärmt, beißt sich in der zweitgrößten Stadt der Slowakei durch. Mit 17 dann der große Durchbruch: Kosices Coach Jan Kozak, später auch Nationaltrainer Dudas, bringt den jungen Offensivmann in der ersten Mannschaft des Spitzenclubs. Eine Entscheidung, die er nicht bereuen wird, überzeugt der Spielmacher doch vom Start weg bei den Blau-Gelben. 2014 wird er mit dem Peter-Dubovsky-Preis für den besten U21-Spieler der Slowakei ausgezeichnet – benannt nach dem ehemaligen slowakischen Spieler, der unter anderem für Real Madrid aktiv war. Eine Ehrung, die zuvor Stars wie Marek Hamsik oder Martin Skrtel erhalten hatten.

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Auf Duda wartet längst eine neue Herausforderung: Hatte er sich eigentlich mit Kosice auf eine Vertragsverlängerung geeignet, die aber dann auf sich warten ließ, nutzt Legia Warschau die Chance und sichert sich die Dienste des talentierten Youngsters. „Ich würde gerne im Januar schon wechseln“, verkündet Duda öffentlich – auch, um Kosice noch eine Ablösesumme zu bringen. Für knapp 300.000 Euro geht es für den Slowaken in die polnische Hauptstadt, bei Legia unterschreibt er einen Viereinhalbjahresvertrag und hat wenig Anpassungsprobleme beim Spitzenclub der Ekstraklasa. Mit zwölf Einsätzen und drei Toren trägt Duda maßgeblich zur Titelverteidigung bei. „Er ist ein kluger Junge. Von Kosice, wo 200.000 Menschen leben, in die Millionenmetropole Warschau umzuziehen hat ihn kein bisschen verändert. Er kann mit dem Druck umgehen“, ist sein Vater, der mittlerweile auch als Berater fungiert, zufrieden mit dem Wechsel seines Sohnes.

Bei Legia ist Duda Stammspieler, Spielmacher, Leistungsträger. Trainer Henning Berg nennt ihn sogar den besten 19-Jährigen in ganz Europa. Insgesamt gewinnt er in seiner Zeit beim Hauptstadtverein gleich vier Titel: zwei Meisterschaften (2014 und 2016) und zwei Pokalsiege (2015 und 2016). Und zieht mit seinen Auftritten das Interesse ausländischen Spitzenclubs auf sich: Der AC Florenz will für ihn im Sommer 2015 die polnische Rekordablöse von sechs Millionen Euro auf den Tisch legen, Inter Mailand ist sich mit Duda und Legia sogar bereits einig. Der Wechsel platzt – aus finanziellen Gründen. „Ich war praktisch schon ein Inter-Spieler, doch dann haben sich die Verantwortlichen umentschieden“, schilderte der Slowake die damalige Gefühlsachterbahn. Auch in der Bundesliga wächst das Interesse an Ondrej Duda: „Wir haben ihn auf dem Schirm“, bestätigt beispielsweise Peter Stöger, der den talentierten Offensivmann gerne in den Reihen des 1. FC Köln sehen würde.

Duda schreibt Geschichte für die Slowakei

Doch Duda bleibt noch ein Jahr in Warschau – und verabschiedet sich nach dem Doublegewinn Richtung Berlin. Bei Hertha BSC, das knapp fünf Millionen Euro in den umworbenen Spielmacher investiert, unterschreibt dieser einen Fünfjahresvertrag. Schon zuvor hatte Duda bei der EM auf sich aufmerksam gemacht, schoss das erste slowakische Tor bei einem großen Turnier. Das erste von aktuell 37 Länderspielen hatte er bereits im November 2014 absolvieren dürfen – ausgerechnet unter Jan Kozak, der ihn bereits in Kosice debütieren ließ. „Ich habe immer davon geträumt, eines Tages die Nationalhymne singen und für mein Land spielen zu dürfen. Wann immer ich die Gelegenheit habe, zögere ich keinen Moment, um das slowakische Trikot anzuziehen“, betonte Duda später seine Verbundenheit zur Slowakei und zur Nationalmannschaft, deren fester Bestandteil er mittlerweile geworden ist.

Foto: imago images / Eibner Europa

Bei Hertha läuft es jedoch zu Beginn gar nicht gut für den erfolgsverwöhnten und umschwärmten Kicker: Hartnäckige Verletzungsprobleme lassen den Slowaken nach dem Wechsel komplett aus dem Tritt kommen, erst Ende Februar 2017 kann Duda sein Debüt für die „Alte Dame“ feiern. „Es war die schlimmste Zeit meiner Karriere. Weil es so eine komplizierte Verletzung war“, betonte er später einmal und resümierte die Anlaufschwierigkeiten: „Ich war der Typ, der für fünf Millionen zu Hertha kam und dann nur verletzt in der Reha war. Es war schwierig, sich zu integrieren“, so Duda. Der Wertschätzung in Berlin tat das allerdings keinen Abbruch, Hertha-Coach Pal Dardai wusste um die Qualitäten des Offensivmanns, der diese zum damaligen Zeitpunkt lediglich aufgrund von Verletzungen noch nicht unter Beweis stellen konnte.

2018/19 Durchbruch in der Bundesliga

Wie gut Duda sein kann, das zeigt der Slowake allerdings erst nach einer weiteren von Blessuren geprägten, reichlich durchwachsenen Spielzeit beim Hauptstadtverein. Erst in der Saison 2018/19 startet der Spielmacher richtig durch, wird mit elf Treffern und sechs Assists Herthas Topscorer und ist über das Jahr der Dreh- und Angelpunkt der Berliner Offensive. Wieder steht Duda im Schaufenster, wieder sind internationale Spitzenvereine wie der FC Sevilla heiß auf den torgefährlichen Regisseur mit dem starken rechten Fuß. Doch der Blondschopf zahlt das Vertrauen, das die Hertha in ihn gesetzt hat, zurück und verlängert seinen Vertrag bei den Blau-Weißen vorzeitig um zwei Jahre. Der Wohlfühlfaktor: Er ist für den sensiblen Spielmacher, den Dardai als „kleinen Künstler“ bezeichnete, in Berlin endlich vorhanden.

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Doch der Absturz des Hauptstadt-Himmelstürmers sollte alsbald folgen: Unter Dardais Nachfolger Ante Covic kam Duda nicht zurecht, verlor nach schwachem Saisonstart seinen Stammplatz. In der turbulenten Phase unter Jürgen Klinsmann, der Covic bei der Hertha beerbte, spielte der Slowake dann gar keine Rolle mehr. Die Konsequenz: Duda sucht das Gespräch mit dem Weltmeister von 1990, drängt danach auf einen Wechsel. „Wenn dich jemand nicht will, ist es nicht möglich zu bleiben“, lässt er öffentlich verlauten. Trotz anderer Angebote geht es für den Slowaken auf die Insel – auf Leihbasis wechselt er für ein halbes Jahr zu Norwich City, die in der Premier League gegen den Abstieg spielen. Mehr Spielpraxis, wieder Spaß am Fußball finden: Das ist Dudas Ziel bei den „Kanarienvögeln“ im Osten Englands.

„Ich hatte nie gedacht, dass ich jemals in England spielen werde. Das galt aber auch für Deutschland. Um ehrlich zu sein, mochte ich früher die italienische und spanische Liga mehr, weil sie mir als Spielertyp mehr liegen dürften“, bekennt Duda freimütig, sieht die Zeit in der Premier League aber als Herausforderung für die Zukunft. Vor der Corona-Pause zählt der Slowake dann auch zum Stammpersonal bei Norwich, ohne allerdings persönlich oder mit der Mannschaft Erfolgserlebnisse feiern zu können. Bei der Fortsetzung des Spielbetriebs ist der Spielmacher jedoch schnell außen vor – spätestens, als der Abstieg der „Kanarienvögel“ feststeht, ist der Ofen für Duda aus. Dennoch sieht der 25-Jährige das Intermezzo auf der Insel als „wichtige Erfahrung“, die ihn auch für zukünftige Aufgaben weiterbringen soll.

Neuanfang für Duda beim 1. FC Köln

Die liegen zunächst in Berlin. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jetzt einen Neustart bei Hertha machen muss. Ich werde einfach das tun, was ich auch vorher getan habe. Ich werde versuchen, mein Bestes zu geben, und bin immer noch der gleiche Typ“, verkündet er bei seiner Rückkehr in die Hauptstadt. Eine neue Chance bekommt er vor allem dank des neuen Trainers Bruno Labbadia, der um die Qualitäten des Slowaken weiß. Spielintelligenz, Torgefahr, Passschärfe: Die Tür für Duda ist bei der „Alten Dame“ wieder offen, der sensible Spielmacher soll in der Vorbereitung Werbung in eigener Sache machen. Die Konkurrenz in Berlin ist jedoch offenbar zu stark, Duda steht hinter dem Brasilianer Matheus Cunha lediglich in der zweiten Reihe. Eine Situation, die der 25-Jährige ändern möchte – und sich zum 1. FC Köln verabschiedet.

Foto: imago images / Eduard Bopp

Nun also der Neuanfang bei den „Geißböcken“, die große Stücke auf ihren Neuzugang halten. „Es ist für uns eine Schlüsselposition. Wir sind sehr glücklich, dass wir mit Ondrej jetzt einen Spieler haben, der sie schon hervorragend gespielt hat“, schwärmt Markus Gisdol über die neue Nummer zehn in seinem Team: „Ondrej ist ein klassischer Zehner, der das Spiel unfassbar schnell machen kann, einen guten Überblick hat und starke Standards tritt – egal ob Freistöße oder Eckbälle. Er hat bewiesen, dass er nicht nur Tore vorbereiten, sondern auch selbst erzielen kann“, so der FC-Coach. Duda tritt in große Fußstapfen: Fünf Tore, fünf Vorlagen konnte Mark Uth in der zurückliegenden Rückrunde zum Klassenerhalt beitragen. Eine zweistellige Anzahl an Scorern: Es wäre dem FC wie auch Ondrej Duda zu wünschen, dass der Slowake dies schultern kann. Für den „kleinen Künstler“, den Wohlfühlspieler, keine leichte Ausgangslage.

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