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Teil 1: FC-Teammanagerin Nicole Bender: “Unsere Mädels sind hervorragend mit der Situation umgegangen”

Nicole Bender mit Alexander Wehrle | Foto: imago images / foto2press

Der Abstieg war ein Rückschlag für die FC-Frauen. Doch Teammanagerin Nicole Bender blickt optimistisch in die Zukunft. Zum großen Interview mit effzeh.com treffen wir uns an ihrem Arbeitsplatz – in den Katakomben des Franz-Kremer-Stadions.

Frau Bender, die FC-Frauen haben in der vergangenen Saison einen Punkterekord aufgestellt und sind trotzdem abgestiegen. Woran lag’s?

Wir hatten zunächst mal einen Kader, der viel stärker war als der der Vorjahre. In denen wurden wir mehrfach, einfach gesagt, abgeschossen. Der Punkterekord ist ein Resultat des stärkeren Kaders und natürlich freut uns das auch. Leider hat es nicht gereicht, weil wir mit 17 Punkten genauso viele wie Duisburg und Leverkusen hatten, aber das schlechteste Torverhältnis. Das zählt nun einmal auch. Somit sind wir dann abgestiegen. Das ist ein unglücklicher Abstieg, aber es gehört zum Sport und zum Fair-Play dazu, das zu akzeptieren. Wir sehen viele kleine Schritte, die wir trotzdem positiv bewerten.

Womit waren Sie zufrieden, wenn Sie auf die Saison 2019/20 zurückblicken?

Zunächst bin ich damit zufrieden, wie der Trainerwechsel zwischen Willi Breuer und Sascha Glass von der Hin- zur Rückrunde lief. Der Wechsel war nicht unbedingt notwendig, aber Sascha ist ein modernerer Trainer. Er brachte zudem einen frischen Wind, den wir uns damals schon von ihm erhofften. Zufrieden waren wir insbesondere mit der Corona-Zeit. Da bin ich wirklich ziemlich stolz auf die Mädels. Wir mussten unter ganz besonderen Voraussetzungen arbeiten, weil wir das Hygienekonzept einhalten mussten. Das war eigentlich 1:1 das der DFL. Das sah etwa eine einwöchige Quarantäne, beziehungsweise ein ‘Trainingslager’, vor und während der Vorbereitungszeit für den Neustart mussten wir unter anderem alle 3-4 Tage eine PCR-Testung mit dem kompletten Team durchführen. Für unsere Spielerinnen bedeutete das, dass sie elf Werktage Urlaub nehmen und sich isolieren mussten. Das heißt, niemand durfte die Familie besuchen. Das finde ich als Privatperson schon heftig. Vor dem Hintergrund des Programms mit acht Spielen in vier Wochen, wobei wir davon zwei Nachholspiele bestreiten mussten, fand ich es sehr stark, wie positiv das Team damit umgegangen ist. Der psychische Stress war krass. Es sind ja nicht alles Profifußballerinnen, 60 Prozent unseres Kaders gehen arbeiten. Unsere Mädels sind hervorragend mit der Situation umgegangen.

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Was hat Ihnen denn neben dem bereits betonten Zusammenhalt sportlich gut gefallen?

Die Disziplin und die Einstellung der Spielerinnen. Als wir nicht wussten, wie es weitergeht, hat jede individuelle Aufgaben erhalten. Sobald das Teamtraining wieder losging, haben wir gesehen, dass sich die Fitnesswerte deutlich verbessert hatten. Dabei war die Umstellung von Team- auf Einzeltraining, bei dem alle zuhause arbeiten, schwierig. Vor diesen Ergebnissen ziehe ich wirklich den Hut – auch vor unserer Co-Trainerin Mirella Junker, die diese Pläne erstellt hat. Zudem haben wir schnell gemerkt, dass Sascha ein moderner Trainertyp ist. Er hat uns taktisch neue Impulse gegeben, die die Mannschaft gut umsetzte. Die akribische Arbeitsweise des neuen Trainerteams färbt deutlich auf die Mannschaft ab und wir haben uns auch taktisch weiterentwickelt.

Foto: imago images / Beautiful Sports

Was würden Sie rückblickend anders machen, wenn sie noch einmal vor der Saison stünden?

Vielleicht hätten wir im Winter, als wir gemerkt haben, dass es sehr eng wird, nicht nur Johanna Tietge holen sollen, sondern noch eine weitere Spielerin. Das haben wir zwar versucht, aber wir hätten uns vielleicht noch mehr trauen müssen, da nehme ich mich mit in die Verantwortung. Diese Investition wäre sicher besser gewesen als ein Abstieg. Andererseits kann man es natürlich nicht zwingend an einer Person festmachen. Ich glaube, wir müssen insgesamt einfach mutiger und entschlossener handeln. Und hinterher ist man ja sowieso immer schlauer. Schauen wir auf einzelne Spiele, etwa das in Duisburg, frage ich mich: Was wäre gewesen, wenn wir in den letzten drei Minuten besser verteidigt und gewonnen hätten? Hätten wir dann diesen Last-Minute-Sieg gegen Essen eingefahren? Wir wissen es nicht. Natürlich hatten wir viel Pech, aber eben auch eine Menge Glück, auch beim späten Sieg gegen Jena. Am Ende hat sich die höhere Qualität unserer Konkurrenz leider durchgesetzt.

Wie lautet Ihr Fazit der Saison?

Wir haben auf unseren Kader geschaut und die Stärken und Schwächen analysiert. Dabei fiel uns auf, dass der Kader zu unausgewogen besetzt war. Es gab zwar eine ordentliche erste Elf, dahinter wurde es aber schnell dünn. Unser Ziel zur neuen Saison war es daher auch, dass wir nicht nur einzelne Mannschaftsteile verstärken, sondern den Kader bei 18-19 Spielerinnen auch so aufstellen, dass wir auf jeder Position jederzeit gut besetzt sind.

Welche Mannschaftsteile (Tor, Abwehr, Mittelfeld, Angriff) haben Sie letztlich als ausschlaggebend für den Abstieg gesehen? Ich hatte beispielsweise den Eindruck, dass sich gerade nach dem Trainerwechsel die Defensive noch einmal verbesserte. Allerdings haperte es vorne, gerade im letzten Angriffsdrittel kam es oft auf Einzelaktionen mancher Spielerin an. Haben Sie das ähnlich gesehen?

Ja. Wir hätten sehr von einer eiskalten Knipserin profitiert. Wir hatten ja in den meisten Spielen gute Chancen und es lag auch nicht an ‘der’ einen Spielerin. Mit Mandy Islacker bekommen wir nun jemanden, der diese Qualität hat. Es war allerdings nicht nur die Offensive, sondern auch teilweise auch die Defensive. Nehmen wir mal das 1:1 in Duisburg: Klar springt da jemand nicht im Strafraum hoch, aber die Flanke aus dem Halbfeld hätten wir auch schon unterbinden müssen. Insofern: Ja, wir sind defensiv stabiler geworden, allerdings auch, weil wir teilweise von einer Vierer- auf eine Fünferkette umgestellt haben und das Angreifen darunter litt. Mit Sharon Beck kommt nun noch eine torgefährliche, hängende Spitze hinzu, die 1,80 Meter groß und kopfballstark ist und dazu einen guten Schuss hat. Somit sind unsere Stürmerinnen wie Eunice Beckmann oder Amber Barrett nicht mehr so sehr auf sich allein gestellt.

Foto: imago images / Beautiful Sports

Sie haben den Trainerwechsel von Willi Breuer zu Sascha Glass im Winter bereits angesprochen, ich frage trotzdem noch einmal nach: Was bewog Sie dazu und wie schätzen Sie den Wechsel nun ein?

Wir wussten am Anfang der Saison, dass Willi Breuer zum Ende der Saison aufhören wird. Er sagte damals selbst, dass er nach der Saison frischen Wind befürwortet. Daraufhin habe ich mit den Klubverantwortlichen überlegt, wen wir ab 2020/21 als Cheftrainer einstellen sollten. Ich musste da allerdings gar nicht suchen, denn ich habe Sascha Glass schon länger beobachtet und gemerkt, dass er mit seiner emotionalen Art sehr gut zum FC passen würde. Er schafft es zum einen, die Spielerinnen zu pushen. Zum anderen hat er ein hohes taktisches Verständnis und allgemein ein großes Fußballfachwissen, zudem legt er viel Wert auf Standardsituationen. Ich fand es daher auch einfach spannend, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir wollten den Wechsel dann aber schon zur Winterpause durchführen, da wir den Kader der neuen Saison zusammen mit dem neuen Trainer planen wollen – auch wenn ein Trainerwechsel zur Winterpause im Frauenfußball sehr ungewöhnlich ist. Ich bin nach wie vor extrem froh, dass das geklappt hat und es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Ich schätze Willi Breuer sehr, wir kennen uns ja auch schon viele Jahre und der Verein ist ihm für seine Arbeit sehr dankbar. Der Übergang im Winter lief sehr gut ab. Böses Blut gab es nicht, da wir mit allen immer offen und transparent umgegangen sind.

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Das zu hören, ist sehr schön! Der Trainerwechsel signalisiert abseits der Interna ja auch Ambitionen, um den Frauenfußball weiter zu stärken – gerade vor dem Hintergrund, dass Sascha Glass schnell verdeutlichte, dass er mit in die zweite Liga gehen würde. Viele Leistungsträgerinnen bleiben ebenfalls. Aber wie wirkt sich der Abstieg auf das Standing der FC-Frauen im Verein aus?

Nun, wir wussten schon Winter, dass die Chancen auf den Klassenerhalt bei 50:50 liegen. Der Vertrag von Sascha Glass läuft ligaunabhängig bis 2022, weil wir ihn nicht als Retter, sondern langfristig als Trainer für den 1. FC Köln sehen. Dass der Abstieg kommen kann, wussten alle, auch die Vereinsführung. Der Abstieg ist für uns ein ärgerlicher Umweg, aber von unserem Ziel, den Frauenfußball beim 1. FC Köln zu professionalisieren, kommen wir dadurch nicht ab. Und dafür haben wir Rückendeckung von allen. Das betrifft den Vorstand, den Mitgliederrat, die Geschäftsführung und alle anderen im Geißbockheim – egal in welcher Abteilung.

Ich glaube, dass wir rückblickend die richtige Entscheidung getroffen haben, auch wenn sie für die Mädels schmerzhaft war und einige Tränen flossen.

Sie haben das Thema Corona eben schon ein paar Mal erwähnt, ich möchte es trotzdem noch einmal hervorheben. Wir leben in einer Pandemie historischen Ausmaßes, die sich auf die komplette Gesellschaft auswirkt. Mal ganz allgemein gefragt: Wie haben Sie diese Phase erlebt und was bleibt besonders in Erinnerung?

Am Anfang hing ich eigentlich ununterbrochen am Telefon und habe Einzelgespräche mit den Spielerinnen geführt. Da waren ganz einfache Dinge nicht klar: Wie geht es weiter? Darf ich zu meiner Familie? Wir haben schnell festgelegt, dass wir alle in Köln halten wollen – sowohl um die Spielerinnen als auch um ihre Familien zu schützen. Wir wussten ja auch nicht, ob die Spielerinnen nach einer Reise zu ihren Familien, etwa nach Österreich, in die Schweiz, die Slowakei oder nach Irland, zurückkommen durften. Manche hatten Angst um ihre Familie und wollten sie besuchen. Aber wir wussten nicht, wie die Rückkehr ablaufen würde. Ich glaube, dass wir rückblickend die richtige Entscheidung getroffen haben, auch wenn sie für die Mädels schmerzhaft war und einige Tränen flossen. Wie sie trotzdem weitergemacht haben, hat mir imponiert. Schau dir Amber Barrett an: Sie durfte nicht zu ihrer Familie nach Irland, wohnt hier alleine, trainierte dann alleine und durfte niemanden treffen. Das ist für jemanden, der erst im Sommer kam und nur wenig Deutsch spricht, brutal. Dem Team tat es gut, wenn beispielsweise unsere Co-Trainerin Mirella eine 45-minütige Fitness-Videokonferenz abgehalten hat, weil sich da alle zuschalten und sehen konnten. Ich habe mich auch dazu geschaltet, allerdings erst am Ende (lacht).

Foto: Sylvia Ruscher

Mit anderen Worten wurde der Trainingsbetrieb zumindest teilweise auch digitalisiert?

Ein wenig schon, ja. Die Zeit war für alle hart, weil niemand wusste, wie es weitergehen wird. Die Mädels waren auch oft unruhig, weshalb wir oft in Einzelgesprächen auf sie eingewirkt haben. Wenn du hier deine Familie hast, lässt sich das leichter aushalten, aber wenn du komplett alleine wohnst, macht das etwas mit dir.

In der Abstimmung über die Fortführung der Saison enthielt sich der FC als einziger Verein. Es ist ja inzwischen bekannt, dass Sie sehr skeptisch bei der Fortsetzung waren. Hat sich diese Skepsis bestätigt?

Na ja, wir haben es gemeistert. Als ich das Hygienekonzept zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich nur: Wie soll man so etwas hinbekommen? Ich hätte nie gedacht, dass wir so etwas schaffen, das Hygienekonzept war ja extrem streng und eigentlich nicht auf den Frauenfußball ausgelegt. Was die Enthaltung angeht: Es war eine interne Abstimmung, deswegen möchte ich gar nicht so viel dazu sagen. Nur so viel, die Gesundheit unserer Spielerinnen steht an erster Stelle und zu diesem Zeitpunkt waren noch sehr viele Fragen offen, wie man das Hygienekonzept auf den Frauenfußball übertragen soll. Wir haben in dem Sinne ja keine Frauen-Profimannschaft, sondern 60 Prozent unserer Spielerinnen gingen hauptberuflich arbeiten. Wir mussten zum Beispiel zwei Spielerinnen aus dem Kader streichen, weil die eine im Krankenhaus arbeitet und die andere als Physiotherapeutin und beide somit die Auflagen nicht erfüllen konnten. Viele mussten von ihren Arbeitgebern für die Quarantänewoche vor dem Restart auch erst einmal Urlaub bekommen. Deswegen haben wir uns im gesamten Team abgesprochen und so entschieden, wie es der DFB anschließend veröffentlicht hat.

Aber auch hier haben wir gesehen, wie sehr der Verein hinter uns steht: Die Geschäftsführung war da, der gesamte Vorstand und Vertreter des Mitgliederrats.

Wie fühlten sich denn die Geisterspiele an? Hat es einen Unterschied gemacht, dass der, tendenziell eher wenige, Support weggebrochen ist?

Ich habe dazu anfangs scherzhaft gesagt, dass es fast egal ist, ob wir Geisterspiele haben oder Werbung machen (lacht). Aber es ist natürlich nicht so, denn wir haben ja auch treue Fans. Selbst wenn nur 500 Leute auf der Tribüne sitzen, macht das schon einen Unterschied zu zehn, worunter dann auch ein Sanitäter ist. Gerade im Abstiegskampf hätten wir uns sehr über Unterstützung gefreut, egal ob durch Freunde, Familie oder Fans. Aber auch hier haben wir gesehen, wie sehr der Verein hinter uns steht: Die Geschäftsführung war da, der gesamte Vorstand und Vertreter des Mitgliederrats. Aber auch Kollegen aus dem Geißbockheim sind gekommen und haben uns unterstützt. Das haben die Spielerinnen schon sehr positiv aufgenommen. Leider waren die Delegationen limitiert.

Eine letzte Frage zur abgelaufenen Saison und Corona: Wie wirkt sich die Pandemie auf die berufliche Situation der Spielerinnen aus?

Für diejenigen, die Bürotätigkeiten nachgehen, war eine Umstellung ins Home-Office schnell machbar. Zwei Spielerinnen wurden sogar freigestellt, weil sie im Verkauf arbeiten und das nicht zum Hygienekonzept passte.

Ich will auf etwas anderes hinaus: Die Spielerinnen müssen sich ja auch anderen Vereinen zeigen, um Angebote zu erhalten. Diese ‘Coronaspiele’ sind aber nur wenig aussagekräftig. Es ist zudem unklar, wann die neue Saison losgeht. Wie planen die gerade ihre Zukunft?

Das ist gerade extrem schwierig. Wir hatten beispielsweise das letzte Spiel am letzten Juniwochenende, wobei die Verträge am Dienstag, den 30. Juni ausliefen. Das stellte viele vor große Probleme. Bei uns gab es auch einige Wackelkandidatinnen, da bin ich ehrlich. Wir mussten abwarten, auch weil wir nicht wussten, ob wir in der ersten oder in der zweiten Liga spielen werden. Die Termine haben wir deshalb auf die Tage nach dem letzten Spiel gelegt. Lucia Ondrusova ist das beste Beispiel: Wir haben ihr mitgeteilt, dass wir ihren Vertrag nicht verlängern, worauf sie direkt danach ihre Wohnung kündigen musste. Sie hat uns aber ein paar Tage später mitgeteilt, dass sie Optionen für Vereinswechsel hat. Auf diesem Level kann das also funktionieren. Auf dem Level darunter sieht es allerdings für viele anders aus.

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