Als Mitte April bekanntgegeben wurde, dass Markus Anfang ab Sommer die Geschicke beim 1. FC Köln übernehmen würde, war die Erwartungshaltung groß. Ein mit vielen überdurchschnittlich guten Spielern gespickter Kader, dazu einer der am meisten gehypten Coaches in der Bundesliga und das klare Ziel, den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen – die Ausgangssituation, in die der Geschäftsführer Sport Armin Veh seinen neuen Klub gebracht hatte, erschien durchaus rosig. Denn wenn man die Kalamitäten der Abstiegssaison und die Gründe für den Niedergang ausblendet und sich einzig und allein auf die Vorbereitung und Durchführung der Saison 2018/2019 bezieht, kommt man um eine bis dato positive sportliche Bilanz nicht umhin – denn heute ist Markus Anfang genau 100 Tage im Amt, der Trainingsauftakt war am 25. Juni.
Die sportliche Verantwortung liegt seit dem Sommer bei ihm und seinen beiden Co-Trainern Tom Cichon und Florian Junge. Torwarttrainer Andreas Menger hatte sein Amt bereits im Januar übernommen. Angetreten mit einem reinen Profikader bestehend aus 23 Spielern ist für sie die Zielsetzung, einen der ersten beiden Plätze in der aktuellen Zweitligasaison zu belegen – um nichts anderes als den direkten Wiederaufstieg geht es in dieser Saison beim 1. FC Köln. Und nach acht absolvierten Spielen und damit etwa einem Viertel der Saison lässt sich festhalten: Der effzeh ist unter Markus Anfang auf einem guten Weg.
In welchen Bereichen der 1. FC Köln statistisch unterwegs ist
Das beweist zuerst ein Blick auf die Tabelle: Mit 19 Punkten aus acht Spielen ist der effzeh momentan bereits sogar mit einem leichten Vorsprung Tabellenerster. Markus Anfangs Team stellt mit 21 Treffern die beste Offensive und mit Simon Terodde den besten Torschützen (zwölf Treffer). Insbesondere die Auswärtsbilanz ist mit vier Siegen aus vier Spielen und zwölf zu vier Toren makellos. Zuhause hingegen gab der effzeh bereits fünf Punkte ab – die Niederlage gegen Paderborn und das Unentschieden gegen Union Berlin ließen erste Zweifel wachsen. Doch gerade die Ergebnisse der Englischen Woche sorgten für Beruhigung im Kölner Lager.
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Geht man über die nackten Zahlen in der Tabelle ein wenig hinaus, zeigen sich weitere statistische Aspekte, in denen der effzeh in der Spitzengruppe der zweiten Liga agiert. In Sachen Ballkontakte pro Spiel muss man nur dem HSV den Vortritt lassen, ähnlich ist es bei den gespielten Pässen und der Passquote. In Bezug auf die Zweikampfquote ist der effzeh führend, wenn es um die Anzahl der gewonnenen Duelle geht. Insgesamt führte Anfangs Team bis dato die zweitmeisten Zweikämpfe im deutschen Unterhaus. Die Laufleistung der Kölner Spieler liegt im durchschnittlichen Bereich, in der Fairnesstabelle liegt man insbesondere aufgrund der beiden Ampelkarten gegen Meré und Hector im unteren Drittel.
Insbesondere die Offensive funktioniert blendend
Eine der augenfälligsten Werte findet sich jedoch woanders: Die Kölner Offensive ist mit Abstand die effizienteste. Terodde und Co. brauchen für ein Tor im Durchschnitt nur etwa fünf Schüsse aufs Tor – damit ist man den anderen Mannschaften weit voraus. Auf Grundlage dieser Daten weist das Statistikmodell von “FiveThirtyEight” Stand jetzt auch eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 78 % aus, was den Aufstieg angeht. Zu 58 % wird der 1. FC Köln laut diesem Modell die zweite Bundesliga als Spitzenreiter abschließen. Simuliert man die restlichen 26 Spiele auf Grundlage der bis dato gesammelten Daten, kommt man beim effzeh auf einen Wert von 68 Punkten am Ende der Saison – dies würde genau einem Punkteschnitt von zwei Punkten pro Spiel entsprechen. Mit diesem Wert wäre man in den letzten sechs Jahren immer aufstiegen, um das Ganze mal ins Verhältnis zu rücken.
Auf der nächsten Seite: Anfangs Spielidee ist erkennbar und der Weg vorgezeichnet.
Unter Rückgriff auf die eben genannten Ergebnisse zeigt sich, dass Markus Anfangs Spielidee nach 100 Tagen im Amt durchaus bereits sichtbar geworden ist. Der Fokus auf die Raumkontrolle, das Aufbauspiel in der 2-3-4-1-Stellung und der Wunsch nach dominantem Auftreten haben zwar nicht in allen Spielen für Begeisterung gesorgt, Anfangs Ansinnen, wie er Fußball spielen lassen möchte, kann man jedoch deutlich erkennen. Und es ist gut so, dass der derzeitige Tabellenplatz nicht daher rührt, dass man zugegebenermaßen viele Ausnahmerspieler in den eigenen Reihen hat.
Die Ergebnisse der Lernprozesse werden sichtbar
Es hat nämlich auch schon Mannschaften gegeben, die den Wiederaufstieg mit dem vom Ex-effzeh-Sportdirektor Volker Finke geprägten Begriff “Heroenfußball” geschafft haben: Zusammengestellt wurden dort Teams nur nach Namen, eine übergeordnete Idee gab es nicht und zielgerichtetes Training fand auch nicht statt. Doch wenn man Markus Anfangs Arbeit in Köln ein wenig verfolgt, fällt auf, dass gewisse Dinge in unterschiedlicher Besetzung mittlerweile schon routinierter ablaufen als vorher – klares Zeichen eines Lernprozesses. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Innenverteidigung und vor allem Timo Horn mittlerweile nicht mehr allzu überfordert scheinen, wenn sie flach aufbauen müssen.
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Dass es eben genau diese Lernprozesse brauchen würde, hatten wir bereits im Juli in mehreren Texten erläutert – nach den beiden Testspielen gegen Regionalligisten, die der effzeh nicht erfolgreich bestreiten konnte, schrieben wir: “Es wird auch am ersten Spieltag der neuen Saison noch nicht so sein, dass die Mannschaft alle Regeln und Abläufe so verinnerlicht hat, dass man in der zweiten Bundesliga alles locker weghauen wird, dazu ist der Fußball zu komplex. Dies sollte jedoch auch nicht als allgemeingültige Entschuldigung verwendet werden, weil der Kader des 1. FC Köln noch nicht auf allen Positionen so besetzt ist, dass man von einem ausgewogenen Team sprechen kann – eher eine Baustelle für Armin Veh, der sich darum kümmern müsste, einen Spieler für die linke Außenbahn zu verpflichten.”
Sportliche Bilanz mehr als zufriedenstellend
Dieser Spieler wurde dann mit Dominick Drexler noch ins Boot geholt – und der stellte bereits unter Beweis, warum er eine Verstärkung ist. Denn zu Saisonbeginn war auch häufig die Frage aufgekommen, ob die beiden Kieler Neuzugänge (Czichos und Drexler) nur aufgrund von Proporz hinzugeholt worden wären. Mittlerweile kann man allerdings mit Fug und Recht behaupten, dass beide sich zu absoluten Leistungsträgern entwickelt haben. Während Rafael Czichos der uneingeschränkte Abwehrchef ist, überzeugt Drexler durch seine Aktionen in der Offensive.
Nach 100 Tagen Markus Anfang beim 1. FC Köln kann man dementsprechend ein positives Zeugnis ausstellen. Rein sportlich betrachtet liegt der effzeh absolut im Soll, die Mannschaft erscheint leistungsfähig und in der Lage, dieses Level auch über einen längeren Zeitraum beizubehalten. Die Zielsetzung bis zur Winterpause muss nun lauten, in den verbleibenden neun Spielen mindestens 18 Punkte zu holen, um den Schnitt von zwei Zählern pro Spiel zu wahren. Denn dann ginge der 1. FC Köln mit einer glänzenden Ausgangsposition ins neue Jahr 2019, um dann hoffentlich im Mai als Aufsteiger festzustehen und den bizarrsten Abstieg der Geschichte schnell ausgebügelt zu haben.