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Ultra-Kultur in Europa: Fankurven als Repressionslabore?

Foto: Srdjan Stevanovic/Getty Images

Der Fußball steht vor einer Zeitenwende: Wie lange wird es eine lebendige Fankultur noch geben? Unser Longread beleuchtet die Geschichte der Ultras und Formen der Repression, denen sie sich ausgesetzt sehen.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte eine Interessensgemeinschaft aus aktiven Fußball-Fans, man mag sie Ultras nennen oder eben nicht, fünf Positionspapiere, die sie an DFL und DFB weiterleitete (effzeh.com berichtete). In diesen Positionspapieren ging es um die Kritik an der Kommerzialisierung des Sports, den Umgang mit Stadionverboten durch die Sportsgerichtsbarkeit, Fanrechte und die zunehmende Zerstückelung des Spieltags in Bezug auf die Anstoßzeiten – Themen, die aktive Fußballfans seit längerer Zeit intensiv beschäftigen, allerdings auf Führungsebene eher weniger wichtig zu sein scheinen.

Zwar ist hierzulande der Ärger über die großen Fußball-Verbände verständlicherweise sehr groß, allerdings hilft bei der Einordnung ein Blick in europäische Nachbarländer: Dass aktive deutsche Fußball-Fans überhaupt in den Dialog mit den leitenden Fußball-Institutionen treten können, sucht dort seinesgleichen. In Italien nähern sich Ultras und Verband langsam erst wieder an, die Abschaffung der „tessera del tifoso“ (Fanausweise) war ein erster Schritt. In Frankreich nehmen repressive Maßnahmen seit Jahren immer mehr zu, das Klima zwischen Fans und Verband scheint aufgrund von Verfehlungen auf beiden Seiten vergiftet. Während französischen Nachbarland beispielsweise um die Wiedereinführung von Stehplätzen gekämpft werden muss, sind die Probleme in Deutschland ganz anders gelagert.

Was daher alle europäischen Länder eint, ist das schwierige Verhältnis zu den „Ultras“, jenen organisierten Fans, für die die Liebe zu ihrem Fußballverein über die 90 Minuten am Wochenende hinausgeht. Von Öffentlichkeit und Presse oftmals als „Gewalttäter“ verschrien sind es jedoch diese leidenschaftlichen Fans, die den Stadionbesuch an sich erst zum Erlebnis machen. Sie passen allerdings nicht zum Unterhaltungsprodukt Fußball, weswegen sie sich mit immer stärkeren Repressionsmaßnahmen seitens der Politik auseinandersetzen müssen.

Öffentlichkeit und Medien: Meist ein negativer Blick auf Ultras

In Deutschland spricht man immer noch davon, eine lebendige Fankultur zu haben, volle Kurven an jedem Wochenende und eine Stimmung, die in Europa ihresgleichen sucht. Die Frage ist jedoch: Wie lange sind die wohl wichtigsten Faktoren für diese Stimmung, die Ultras, noch dazu bereit? Wie lange wollen sie es noch erdulden, durch Politik und Öffentlichkeit in eine Ecke gedrängt zu werden und sich (zumeist) unbegründeten Anfeindungen ausgesetzt zu sehen? Auch auf gesellschaftlicher Ebene kann man fragen, wieso gerade die so bedeutsame Jugendkultur der Ultras derart repressiv behandelt wird – wieso wird der Stadionbesuch häufig mit Krawallen gleichgesetzt, warum stehen Wasserwerfer außerhalb eines Stadions?

Wenn man so will, wurde also durch die Veröffentlichung der Positionspapiere die andere Seite der Medaille aktiv und unternahm Versuche, um mit der Unterhaltungsmaschinerie Profifußball in Kontakt zu treten, um eine konstruktive Entwicklung herbeizuführen. Dieser Text beschäftigt sich daher mit der Situation der Ultras im Jahr 2018: Mit einem Schlaglicht auf die Entwicklung der Ultra-Bewegung in Italien, die wesentlichen Unterschiede in der Fankultur in Europa und eine These eines Historikers, der sich mit Ultras auskennt wie kein anderer. Gleichzeitig soll versucht werden, die oben gestellten Fragen zu beantworten.

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Sébastien Louis: Ein luxemburgischer Ultra-Forscher

Wenn man verstehen möchte, wie die Ultra-Bewegung in Europa entstehen konnte, sollte man sich ein Ende November auf Französisch erschienenes Buch durchlesen. Dessen Autor Sébastien Louis stammt ursprünglich aus Luxemburg und hat an der ortsansässigen Universität vor kurzem als Historiker ein neues Standardwerk herausgebracht. Dieses Buch trägt den Titel „Ultras – Les autres protagonistes du football“ (Ultras – die anderen Protagonisten des Fußballs). Bereits am Titel ist zu erkennen, dass Louis eine ultra-affine Position einnimmt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er zwischen 1994 und 2007 selbst ein Teil der Marseiller Ultra-Gruppierung „Commando Ultra 84“ gewesen war.

Gegenüber der französischen Tageszeitung „Libération“ und dem Fußballmagazin „SoFoot“ äußerte sich Louis nun zu seinem Buch, der Entwicklung der Ultra-Bewegung in Europa und über die Faszination, die eine Auseinandersetzung mit dieser jugendlichen Gegenkultur mit sich bringt. Sein Werk ist deshalb interessant, weil es die historisch-politisch-soziologische Perspektive mit den Erfahrungen eines Ultras vermischt und daher ein hohes Maß an Authentizität aufweist – Louis betont, dass ihm die Kenntnis der Sprache, der Verhaltensweisen und der Personen im Ultra-Milieu dabei geholfen hätten, akzeptiert zu werden und seine Recherchen machen zu können.

Ultras: Hervorgegangen aus politischen Bewegungen in Italien

Seine erste eigene Stadion-Erfahrung hätte in ihm das Interesse ausgelöst, sich tiefergehend mit dem Thema auseinanderzusetzen – auch die Lektüre von zwei französischsprachigen Werken zum Fußballfan-Sein hätte geholfen. Seine eigene Recherche habe ihn dann vermehrt nach Italien getrieben, wo das Phänomen „Ultra“ geboren worden sei: „Je mehr ich das Thema studierte, desto mehr Sinn ergab es, dass es mit der derzeitigen Situation Italiens zusammenhängt“, konstatierte Louis gegenüber „SoFoot“.

Für ihn sei das Wort „Ultra“ in erster Linie einem politischen Kontext zuzuschreiben, wie er im Libération-Interview beschreibt. Einige Sportjournalisten hätten Anfang der 1960er Jahre den Begriff von ihren Kollegen aus dem Politik-Ressort übernommen, wo mit „Ultras“ vorher Extremisten beschrieben wurden, die politische Ziele verfolgten. Während der Saison 1970/1971 hätten dann junge Fans von Sampdoria Genua für ihre Gruppierung einen Namen gesucht – sie wählten schließlich das Wort „Ultra“ aus. Das unterstrich, so Louis, was sie gerne sein würden – Extremisten für Sampdoria Genua. Weiterhin geht Louis darauf ein, wie die Ultra-Bewegung überhaupt erst entstehen konnte.

1968: Beginn der Ultra-Bewegung als Protest

Bezugnehmend auf die Entwicklungen der 68er-Revolution und den politischen und sozialen Zustand im Land Italien kommt Louis zu folgendem Schluss: „Zwischen 1967 und 1972 wurde die Ultra-Bewegung geboren. Es gibt kein genaues Datum, weil die ersten Ultras nicht wussten, dass sie dabei waren, eine neue Art und Weise des Fan-Seins zu entwickeln. Eine neue Kultur entwickelte sich auf den Tribünen, diese ist mit der 1968er-Generation verbunden. Die Baby-Boomer stellten die herkömmlichen Strukturen der Vereine in Bezug auf ihre Fans in Frage.

Foto: Francesco Pecoraro/Getty Images

Die erste Inspiration dabei sei, wie so häufig bei jugendlichen Subkulturen, das Vereinigte Königreich gewesen. Mit dem Aufkommen des Hooliganismus, der insbesondere durch den Europapokal auch auf dem Kontinent seine Verbreitung fand, veränderten sich die Praktiken der europäischen Fußball-Fans. Insbesondere, so Louis, hätte die Hooligans charakterisierende Aggressivität verführend auf die Ultras gewirkt. Aber neu war auf jeden Fall auch, dass im Stadion ein Meer aus Schals zu sehen war und aktuelle Popsongs, umgedichtet auf den jeweiligen Verein, gesungen wurden.

Ultras beeinflusst von beiden politischen Lagern

Eine weitere Einflussgröße war die damalige Situation im Land. Der politische Kontext in Italien war zu dieser Zeit extrem aufgeheizt, die Studentenunruhen seien gerade erst beendet gewesen, als die ersten Anschläge das Land erschütterten, wie Louis gegenüber „Libération“ beschreibt. „Die Spannungen und der Konflikt eroberten die Öffentlichkeit, wo sich militante Aktivisten gewalttätig gegenüberstanden“, ergänzt er. Die ersten Ultras in Italien seien von dieser Militanz fasziniert gewesen und hätten einige Elemente übernommen. Die eigentliche politische Revolution der jungen Generation scheiterte, doch konnten sich die Jugendlichen laut Louis immerhin in zwei Bereichen durchsetzen: einmal in den selbstverwalteten sozialen Zentren der Städte – und in den Kurven.

Zu jener Zeit war die politische Linke in Italien ein wenig stärker, ein Jahrzehnt später änderte sich dies jedoch und die Rechte übte Einfluss auf die Entwicklung der Ultra-Gruppierungen aus. Seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre seien auch neofaschistische Tendenzen in Italiens Kurven zu finden gewesen, wie Louis erklärt. „Bei Inter zum Beispiel ergänzten die ‚Boys’ ihren Gruppennamen mit dem Zusatz ‚SAN’, was für eine neofaschistische Terroreinheit stand.“

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Linke und rechte Elemente finden sich bei den Ultras

Dementsprechend, so konstatiert er, würden sich heute noch linke wie rechte Elemente in der Ultra-Kultur finden. Dem linken Spektrum seien Dinge zuzuordnen wie der rote Stern als Emblem, der sich bei vielen Gruppierungen findet, sowie die erhobene Faust. Aber auch Verhaltensweisen und Aktivitäten wie etwa gemeinsame Fanmärsche (wie bei einer politischen Demonstration), Banner und Slogans seien aufgrund des Einflusses der politischen Linken bei Ultra-Gruppierungen zu sehen. Hinzu kommt, dass die Ultras Grundwerte vertreten, die prinzipiell eher links sind. Louis beschreibt dies wie folgt: „Solidarität zwischen allen Mitgliedern, Verteidigen des Fußballs als Volkssport, Brüderlichkeit und Inklusion“ seien tendenziell linke Elemente, während das Recht des Stärkeren und die identitfikationsstiftende Dimension der Ultras eher dem Einfluss rechter politischer Gruppen zuzuschreiben wären.

Gewalttätigkeit an sich sei jedoch kein Ultra-spezifisches Problem, hält Louis fest – der Fußball in Italien sei hingegen immer von Gewalt begleitet gewesen. „Zu viele Leute glauben, dass die Ultras die Gewalt in die Stadien gebracht hätten und dass es ein goldenes Zeitalter vor ihnen gegeben hätte, in dem man friedlich ins Stadion gehen konnte. Das ist schlichtweg falsch“, fasst der Historiker zusammen. Gewalt habe es schon seit langer Zeit gegeben, bereits zu Beginn des Jahrhunderts sogar. „Man muss den ganzen historischen und sozialen Kontext in den Blick nehmen, um Klischees über die Ultras und deren Bezug zu Gewalt zu vermeiden.“

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Wesentliches Ziel: Unterstützung der eigenen Mannschaft

Die politischen Einflüsse auf die Ultra-Bewegung ließe sich zwar nicht leugnen, allerdings hätten die Ultras die Praktiken und Verhaltensweisen von ihrem politischen Inhalt befreit, wie Louis gegenüber „SoFoot“ unterstreicht: „Es sind in erster Linie militante Fußball-Aktivisten, ihr Grund ist ihre Mannschaft.“ Deswegen sei es auch nicht ungewöhnlich, dass sich linke wie rechte Gruppierungen in den Kurven fänden.

Ein für das Verständnis dieses Phänomens wichtiges Konzept erläutert Louis im Anschluss. Der US-amerikanische Schriftsteller Hakim Bey (mit bürgerlichem Namen Peter Lamborn Wilson) entwickelte das Konzept der „Temporären Autonomen Zonen“ (TAZ) in seinem gleichnamigen Buch, in dem er sich mit sozialen und politischen Aktionsformen auseinandersetzte, die einen kurzfristigen Freiraum von den ansonsten geltenden Gesetzen des umgebenden Systems ermöglichten. Eine TAZ wird in seinem Werk als Situation definiert, in der herrschende Ordnungen, Gesetze und Rituale zeitweise und ortsgebunden außer Kraft gesetzt werden – Autoritäten verlören darin ihre Macht, neue und bis dahin nicht vorhersagbare Erfahrungen würden möglich. Diese Vorstellung wird in den von Ultras belebten Kurven jedes Wochenende umgesetzt. Ansonsten finden sich die TAZ beispielsweise in den Loveparades, Hausbesetzungen, Flashmobs oder auch im Kölner Karneval, der seine Existenz ja aufgrund des Außer-Kraft-Tretens von normalen Regeln aufrechterhalten kann.

Die Umsetzung findet daher in der Gegenwart regelmäßig in einer der größten Jugendkulturen des Westens seine Umsetzung – in den Kurven können Drogen genommen, Banner hochgehalten und unflätige Gesänge gesungen werden, wie Louis es nennt. „In ganz Europa sind diese Kurven der Ort für die Freiheit der Jugendkultur. Diese Gruppierungen sind im Großteil sehr inklusiv. In einer Gesellschaft, in der die soziale Vermischung immer seltener wird, kann man in den Kurven junge Leute mit verschiedensten Biographien finden, mit eingeschränkter Mobilität oder Migrationshintergrund“, konstatiert er. Dass viele Ultra-Gruppierungen sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind, erkennt man deutschlandweit auch an unterschiedlichen Hilfs-Aktionen und dem Einsatz für soziale Zwecke vieler Gruppen – beispielhaft sei an dieser Stelle die Kleidersammlung für Kinder genannt, die eine Kölner Ultra-Gruppierung jedes Jahr aufs Neue durchführt.

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Deutschland: Eigentlich paradiesische Zustände für Fans

Doch auch wenn der Ruf der Ultras in Deutschland nicht gut ist, könnte es schlimmer sein: In Italien beispielsweise, der Geburtsstätte der Ultra-Bewegung, wurde erst vor wenigen Monaten beschlossen, die ungeliebte „Fan-Karte“ (tessera del tifoso) in den nächsten drei Jahren abzuschaffen. In der Saison 2009/2010 war diese eingeführt worden, um „Gewalttäter“ aus dem Stadion fernzuhalten und wieder mehr Familien zu locken, wie es Kai Tippmann auf seinem Blog altravita.com beschreibt. Er konstatiert: „Als Sieg würde ich die Abschaffung der Tessera aber nur bezeichnen, wenn sich die italienischen Ultragruppen in ihren Protesten nun gemeinsam auf die tatsächlichen und weiter bestehenden Repressionsmaßnahmen konzentrieren würden, anstatt sich in sterilen Kämpfen von „Tesserati“ gegen „Non-Tesserati“ aufzureiben.“ Über mehrere Jahre also war es in Italien nicht möglich, sich für ein Auswärtsspiel seines Vereins spontan eine Karte zu kaufen. Dort bleibt es aber trotzdem an der Tagesordnung, dass alle Eintrittskarten namensgebunden verkauft werden – man stelle sich diese Zustände einmal in Deutschland vor.

Positiv ist, dass Zuschauerzahlen und Dauerkartenverkäufe in Italien langsam aber sicher wieder ansteigen, auch mehr Trommeln und Banner sind in den Stadien wieder zu verzeichnen. In Frankreich haben die Repressionsmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten derweil ebenfalls zugenommen, seit Beginn der 2010er Jahre sogar „explosionsartig“, wie Louis es nennt. Diverse Gesetze erschwerten es den Fans, sich frei zu bewegen, von einem Dialog mit den Sicherheitsbehörden kann nach wie vor nicht die Rede sein.

Louis: Stadien als Labore für Repression

Fasst man alle die von Louis vorgetragenen Fakten und Entwicklungen zusammen, muss man mit einer der wichtigsten Thesen des Autors schließen: Er ist der Meinung, dass Sicherheitsbehörden in europäischen Ländern in den Fußballstadien Versuchslabore sehen. In diesen Versuchslaboren würden Maßnahmen umgesetzt, die man sich im Umgang mit normalen Bürgerinnen und Bürgern nicht erlauben würde – mit Billigung der Öffentlichkeit und der Medien, die Ultras immer wieder als „gewalttätig und gefährlich“ darstellen würden. „Die Ultras sind eine perfekte Kategorie, um verschiedenste Methoden der Wahrung der öffentlichen Sicherheit umzusetzen.”

Verfassungsrechtliche Prinzipien werden in Frage gestellt unter dem Vorwand, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.“ Im November wurde beispielsweise ein Banner mit dem Schriftzug „Supporters, pas criminels“ verboten, was im etwa dem deutschen „Fußballfans sind keine Verbrecher“ entspricht. Für Louis sei dies ein Eingriff in die Meinungsfreiheit. In Italien sei es mittlerweile fast normal, dass heftig gepanzerte Fahrzeuge rund um die Stadien herum eingesetzt würden – diese sähe man sonst nur in Afghanistan oder dem Irak, so Louis.

Man geht nicht ins Stadion, um ein Spiel zu sehen, man geht dorthin für ein Erlebnis. Dazu gehört auch die Kurve.

Im Zuge der Entwicklung des Fußballs zu einer Unterhaltungsindustrie sei es ein Ziel geworden, die Ultras loszuwerden, die für den Fußball als Volkssport kämpfen. Louis nennt das wie folgt: Die Ultras „kämpfen für Werte, verlangen bezahlbare Eintrittspreise und stellen sich denen gegenüber, die im Fußball nur ein Mittel sehen, Geld zu verdienen oder geopolitische Interessen zu befriedigen. Sie möchten, dass ihr Klub jemandem gehört, der die Farben des Klubs liebt und nicht von jemandem, der den Klub für Eigeninteressen benutzt.“ Die Klubs hingegen seien sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sie Ultras oder andere organisierte Fangruppen benötigten: „Man geht nicht ins Stadion, um ein Spiel zu sehen, man geht dorthin für ein Erlebnis. Dazu gehört auch die Kurve.“

Knapp 50 Jahre nach dem Aufkommen der Ultra-Bewegung lässt sich festhalten: Das Rad der Kommerzialisierung lässt sich nicht zurückdrehen, der Sport ist längst heillos zum Spielball monetärer Interessen geworden. Über Jahrzehnte hinweg beherbergten die europäischen Kurven die größte Jugendkultur, die mit vielfältigen Aktionen auf sich aufmerksam machte. In vielen europäischen Ländern ist diese Kultur fast gänzlich zum Erliegen gekommen, einzig in Deutschland besteht noch ein einigermaßen funktionales Verhältnis zwischen Ultras und Verband – Zeugnis davon ist zumindest die Dialogbereitschaft, die DFB und DFL gegen Ende des vergangenen Jahres signalisiert haben. Das hoffentlich bald anstehende Gespräch zwischen Fanvertretern und Funktionären scheint allerdings so etwas wie eine letzte Chance zu sein, den Fußball auch in Deutschland einigermaßen sozialverträglich und fanfreundlich zu erhalten.

Das Buch von Sébastien Louis lässt sich unter anderem hier erwerben, es ist bislang allerdings nur auf Französisch verfügbar.

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