Zwei Niederlagen zum Auftakt versetzen die Anhänger des 1. FC Köln in große Sorge. Doch ist diese aus historischer Sicht überhaupt begründet? Wir wagen einen Blick in die Geschichte und fordern vor dem Hintergrund etlicher Fehlstarts: ganz ruhig bleiben!
Der große 1. FC Köln verliert seine ersten beiden Saisonspiele – die Aufregung rund ums Geißbockheim ist groß, von außen wird bereits die Transferpolitik hinterfragt, große Umstellungen innerhalb des Teams ausdrücklich gefordert. Die Sorgenfalten auf den Fan-Gesichtern scheinen ins Unermessliche zu wachsen. Natürlich ist das alles nicht ganz unbegründet. Spielerisch bot der effzeh in den beiden ersten Spielen eher Magerkost – die Frage, wer nach dem Abgang von Anthony Modeste das Tor treffen soll, ist noch immer nicht beantwortet. Etliche Spieler befinden sich anscheinend im Formtief, manche fühlen sich auf ihrer neuen Position auch noch nicht so wohl.
Fehlstarts als kölsche Tradition
Dennoch sind voreilige Schlüsse nicht angebracht, auch wenn der effzeh nach zwei Spieltagen als nur eines von drei Teams neben Mainz und Bremen noch keinen Punkt geholt hat. Wer einmal einen Blick in die Geschichtsbücher wirft oder in seinem Gedächtnis herumkramt, dem wird aufgefallen sein, dass ein Fehlstart jahrelang Teil kölscher Tradition war.
Durch die zuletzt so erfolgreichen Saisonstarts unter Peter Stöger, der in dieser Saison erstmals als FC-Trainer eine Auftaktpleite hinnehmen musste, ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dass der effzeh gerade in seinen goldenen Jahren zu den chronischen Fehlstartern der Liga gehörte. Seit Einführung der Bundesliga 1963/64 startete der 1. FC Köln insgesamt neunmal mit zwei Niederlagen in eine Saison, das Stöger-Team machte mit dem 1:3 gegen den Hamburger SV schließlich die zehn voll.
Zwei Auftaktpleiten als Meister
Doch zwei Pleiten zum Auftakt bedeuteten für den effzeh mitnichten eine insgesamt schlechte Saison – eher im Gegenteil. Bereits in seiner zweiten Bundesliga-Saison handelte sich das Real Madrid des Westens als frischgebackener erster Meister der neugegründeten Beletage des deutschen Fußballs zwei Niederlagen zum Start ein. 1964/65 ging die Truppe von Trainer Georg Knöpfle mit etwas zu viel Selbstbewusstsein an den Start, führte zum Auftakt bereits mit 2:0 gegen die Hertha, ehe der amtierende Meister sich in der letzten Viertelstunde leichtfertig noch zwei Gegentore fing und 2:3 verlor. Eine Woche später musste man sich Hannover 96 mit 0:2 geschlagen geben und war (wie in diesem Jahr) nach zwei Spieltagen mit null Punkten Vorletzter.
Und am Ende der Saison? Da hätte der effzeh beinahe seinen Titel verteidigt, wurde drei Punkte hinter Werder Bremen Zweiter. In der Folgesaison wieder das gleiche Spiel. Zwei Niederlagen zum Auftakt, dieses Mal gegen Hannover und in Kaiserslautern, doch am Ende stand das Knöpfle-Team wieder auf dem fünften Platz. Ähnlich der Saisonverlauf in der Spielzeit 71/72. Da gab es immerhin zwei Unentschieden zum Auftakt, dennoch befand sich die prominent besetzte Elf um Overath, Flohe und Co. nach zwei Spieltagen in der unteren Tabellenhälfte. Nach sechs Spieltagen stand noch immer nur ein Sieg und der 14. Platz, doch am Ende qualifizierte sich der effzeh trotz des Fehlstarts als Vierter wieder für den UEFA Pokal.
Weltmeister kommen nicht aus den Startlöchern
Drei Jahre später folgte einer der schlechtesten Saisonstarts der Vereinsgeschichte. Mit den drei frisch gekürten Weltmeistern Wolfgang Overath, Heinz Flohe und Bernd Cullmann im Team unterlag das Team von Tschik Cajkovski zum Auftakt dem krassen Underdog Rot-Weiß Essen, danach gab es ein 2:3 in Bochum. Es folgten ein Unentschieden in Bochum, eine Klatsche gegen die Bayern und eine peinliche Heimpleite gegen Offenbach. Zwei Punkte aus den ersten sechs Spielen – der große 1. FC Köln auf einem Abstiegsplatz. Doch wie so oft riss sich die Mannschaft zusammen, setzte nach einem weiteren Katastrophenstart zu einer beispiellosen Siegesserie an und wurde am Ende Fünfter – mit nur drei Punkten Rückstand auf den Zweiten aus Berlin.
Wie im Vorjahr (auch in der Saison 73/74 startete der effzeh mit nur einem Punkt aus den ersten drei Spielen und wurde am Ende dennoch 5.) waren die Spieler mächtig down. Nach der Heimniederlage gegen Offenbach schien die Welt unterzugehen“, erinnerte sich Tschik Cajkovski in So ein Tag…
Vor diesem Hintergrund war es nur logisch, dass Heinz Flohe wenige Jahre später die Double-Saison als eine „typische FC-Saison, d.h. zu Anfang eine Niederlagenserie, dann die kaum zu stoppende Aufholjagd“ bezeichnete. Auch 1977/78 war der effzeh denkbar schlecht gestartet. Im ersten Spiel gab es eine 1:5-Klatsche bei Fortuna Düsseldorf. Nach dem 34. Spieltag stand aber überraschenderweise kein Abstieg, sondern der bis heute größte Triumph der Vereinshistorie.
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Auch in den Jahren darauf blieb es dabei: Der typisch kölsche Fehlstart war kein Indikator für den weiteren Saisonverlauf. In der Saison 80/81 hatte der effzeh wieder nur vier Punkte aus sechs Spielen gesammelt und wurde Achter, 81/82 gab es zwar einen Auftaktsieg gegen Dortmund, danach aber Niederlagen gegen Nürnberg und Bochum – und am Ende der Spielzeit wieder mal ein zweiter Platz.
1993/94 folgte die fünfte Spielzeit der Geschichte mit zwei Niederlagen zum Auftakt. Erst ein 2:3 zuhause gegen Bielefeld, dann wieder einmal eine bittere Pleite in Düsseldorf – dennoch reichte es zum Schluss für Rang sechs. In der Saison 91/92 gelang dem von Erich Rutemöller trainierten Team um Illgner, Littbarski und Co. sogar das Kunststück erst im 14. Spiel (!) den ersten Sieg einzufahren (zuvor hatte es elf Unentschieden und zwei Niederlagen gegeben) und dennoch am Ende Vierter zu werden.
Auftaktsieg als völlig neues Gefühl
Ein Jahr später ein weiterer Katastrophenstart. Dieses Mal gab es erstmals drei Niederlagen zum Auftakt, nach sieben Spielen hatte die mittlerweile von Jörg Berger trainierte Mannschaft gerade einmal einen Zähler auf dem Konto und als Tabellenletzter bereits vier Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Doch wie so oft zog der effzeh den Kopf aus der Schlinge, auch wenn dieses Mal letztlich „nur“ ein zwölfter Platz stand.
Als der 1. FC Köln 1996/97 mit einem Sieg gegen Düsseldorf die Saison begann, titelte die Kölnische Rundschau „Ein ganz neues Start-Gefühl“. Fehlstarts waren in der Domstadt zur Gewohnheit verkommen, erst recht, wenn es gegen die Fortuna ging. Der effzeh gewann auch die nächsten beiden Spiele, war nach drei Spieltagen ungeschlagen Tabellenführer, wurde allerdings nicht mit 30 Punkten Vorsprung Meister, sondern letztendlich Tabellen-Zehnter.
Die Abstiegssaison ein Jahr später wurde schließlich mit einem Sieg in Duisburg eingeläutet und irgendwie war jegliche Wechselbeziehung zwischen schlechten Starts und guten Saison dahin, weil der effzeh fortan meistens nur noch schlecht war (wir erinnern uns schmerzlich). In der Saison 03/04 beispielsweise gab es auch zwei Niederlagen zum Saisonauftakt, allerdings auch einen kläglicher Abstieg als Tabellenletzter am Saisonende.
Stöger bringt die Arithmetik durcheinander
Ebenso 11/12 unter Stale Solbakken. Null Punkte und ein Torverhältnis von 1:8 stand nach den beiden ersten Spielen gegen Wolfsburg und Schalke. Der effzeh fing sich im Anschluss, holte bis zur Winterpause noch 21 Punkte, in der Rückrunde aber nur noch neun – am Ende stand der nächste Abstieg. Den gab es auch am Ende der Spielzeiten 01/02 und 05/06, die der effzeh aber jeweils sehr stark mit vier bzw. sechs Punkten aus den ersten beiden Spielen eröffnete.
Mit der Ankunft von Peter Stöger schien der effzeh seine Startprobleme schließlich gänzlich abgeschüttelt zu haben. Irgendwie ist es nach einem Blick in die Geschichte also fast schon beruhigend, dass die alte kölsche Tradition des Fehlstarts endlich wieder in die Domstadt zurückgekehrt ist. „Back to the roots“ quasi oder eine Reminiszenz an die großen Legenden um Schäfer, Overath, Flohe oder Littbarski, die auch zumeist schlecht starteten. Das gibt doch irgendwie ein Gefühl der Sicherheit in dieser sich ständig verändernden, neumodischen Fußballwelt.
Und noch ein letzter Fakt am Rande: 1974/75 verlor der effzeh zwar vier seiner ersten fünf Bundesligaspiele, dafür ging es im UEFA-Pokal aber bis ins Halbfinale. Keine allzu schlechten Vorzeichen also für den Europapokal!