Acht Tage vor dem Saisonauftakt gegen den VfL Bochum absolvierte der 1. FC Köln am Freitagabend im Bonner Sportpark das siebte und letzte Vorbereitungsspiel. Gegen den Bundesligisten aus Mainz gewann die Mannschaft von Markus Anfang mit 5:3 (3:1) und setzte damit ergebnistechnisch ein Ausrufezeichen. Nach fünf Wochen intensiver Trainingsarbeit folgt nun am Wochenende zwei Trainingseinheiten, bevor der trainingsfreie Montag als kleine Ruhepause vor der Trainingswoche in Vorbereitung auf das erste Punktspiel gegen Bochum genutzt werden kann. Dann wird nicht mehr im Grundlagenbereich gearbeitet, sondern in spezifischen Anforderungssituationen simuliert, wie der effzeh den Gegner knacken kann – der VfL absolvierte heute sein letztes Testspiel gegen Millwall FC aus der zweiten englischen Liga (Bochum verlor mit 0:1).
Die Generalprobe, wenn man sie denn so bezeichnen kann, ist dem Gegner aus Köln geglückt – nach dem 1:0-Erfolg gegen Werder Bremen kann sich der effzeh nun auch auf die Fahnen schreiben, mit Mainz 05 einen zweiten Bundesligisten geschlagen zu haben. Doch um das Ganze gleich mal zu relativieren: Für die Rheinhessen startet die Saison zwei Wochen später als für die “Geißböcke”. Erst am 18. August trifft die Mannschaft von Sandro Schwarz im DFB-Pokal auf Erzgebirge Aue. Daher ist es völlig natürlich, dass die Mainzer leistungsmäßig noch weit davon entfernt sind, für den Bundesligastart gerüstet zu sein. Momentan wird der Fokus von Sandro Schwarz wohl auch nicht auf den Ergebnissen in der Vorbereitung liegen.
Stetige Steigerung des 1. FC Köln in der Vorbereitung
Durchwachsene Ergebnisse in der Vorbereitung hatte auch der 1. FC Köln aufzuweisen. Das sieglose Wochenende gegen Bonn und Wuppertal sorgte für viel Stirnrunzeln bei einigen Beobachtern, auch die erste Halbzeit gegen Watford war nur eingeschränkt positiv. Gegen Werder Bremen drehte sich dann das Blatt, viele Fans erkannten erstmals Anfangs Spielidee und waren auch ergebnismäßig überzeugt. Und jetzt, nach fünf Toren gegen einen Bundesligisten, kann der Auftakt in die zweite Liga ja eigentlich nicht schnell genug kommen – oder etwa nicht?
Bei brütender Hitze hatte das Spiel früh eine Eigendynamik angenommen, als sowohl Guirassy als auch Brosinski sehenswert per Freistoß trafen. Danach durfte jede Mannschaft noch einmal per Foulelfmeter treffen. Die Mainzer erzielten alle ihre drei Tore nach Standardsituationen, weil auch der zwischenzeitliche Ausgleich nach einem Eckball fiel. Marcel Risses Freistoßtor war das insgesamt sechste Tor in diesem Spiel nach einem ruhenden Ball. Das Ergebnis als solches sollte deswegen also nicht überbewertet werden.
Die Positionen scheinen sich gefunden zu haben
Fest steht aber: Die anspruchsvolle Spielidee von Markus Anfang ist den Spielern mittlerweile vertraut und in der Umsetzung fühlen sie sich einigermaßen sicher. Insofern gab es also schon einen Fortschritt in Sachen Spielentwicklung beim 1. FC Köln. Das verdeutlichte sich auch daran, dass Markus Anfang mittlerweile wohl seine Stammelf gefunden hat.
Im Gegensatz zu den anderen Testspielen gab es spätere Wechsel, der ganz große Umbruch im Team vollzog sich erst in den letzten zehn Minuten, als Anfang fünf Mal austauschte. Zuvor war bis auf den verletzungsbedingten Wechsel von Schmitz und die Hereinnahme von Terodde für Cordoba nur vereinzelt rotiert worden.
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In der Viererkette sind die Positionen bis auf der rechten Seite (Marcel Risse dürfte dort Schmitz und Bader ersetzen) fix verteilt. Neben Kapitän Jonas Hector hat sich das spielstärkste Innenverteidiger-Pärchen bestehend aus Czichos und Meré durchgesetzt. Davor spielt Özcan in seiner Rolle als Sechser, der gegen Mainz zwar viele gute Aktionen hatte, in einer für ihn als 20-Jährigen aber leider noch typischen Aktion vor dem 1:1 durch Brosinski den Ball verlor, sodass ein Freistoß für Mainz entstand. Vor ihm spielten mit Schaub und Drexler die kreativen Fixpunkte des effzeh, die beide überzeugen konnten – Schaub eher als Kombinations- und Umschaltspieler (guter Pass auf Clemens vor dem 3:1), Drexler als Dribbler mit Gefühl für den richtigen Raum.
Wenn es funktioniert, sieht es gut aus beim 1. FC Köln
Das offensive Trio bestehend aus Guirassy, Clemens und Cordoba konnte ebenfalls Selbstvertrauen tanken: Während der Franzose in seiner Rolle als inverser Flügelspieler durch seine körperliche Präsenz den Gegner oft in komplizierte Situationen brachte und per Freistoß traf, scheint Clemens mit Anfangs Kombinationsfußball gut klarzukommen. Spätestens Laufweg und Abschluss beim 3:1 waren für den Trainer überzeugende Argumente, ihn auch im ersten Spiel einzusetzen. Ein enges Rennen dürften sich auch Jhon Cordoba und Simon Terodde liefern, die beide jeweils an einem Tor beteiligt waren. Cordoba leitete das 3:1 durch eine gute Bewegung selbst ein, bevor er den fälligen Foulelfmeter verwandelte. Terodde machte als Wandspieler vor Hauptmanns 4:3 den Ball fest.
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Insbesondere im Spiel mit Ball ist zu erkennen, dass der effzeh viel mehr Wert auf Kontrolle und sauberen Spielaufbau legt, als dass in den vergangenen Jahren der Fall war. Gegen Mainz war zu beobachten, dass die intensive Arbeit im Training Früchte trägt: Unter der Woche trainierte Anfang in verschiedenen mannschaftlichen Konstellationen das Aufbauspiel von hinten heraus bis in die Angriffszone. Gerade den Torhütern und den beiden Innenverteidigern kommt dabei eine interessante, aber auch schwierige Rolle zu: Unter teilweise hohem Gegnerdruck müssen sie in Ruhe und mit Fokus auf Flachpässen versuchen, den Ball ins Mittelfeld oder zu den Außenverteidigern zu bringen.
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Die Fortschritte sind definitiv erkennbar – auch gegen Bochum?
Gerade für Stammkeeper Timo Horn, bisweilen mit Schwächen mit Ball am Fuß, ist das eine Umstellung: Anfang fordert, dass er das Spiel zwar auch mit langen Bällen eröffnet, das Spielgerät aber auch nicht wild herausprügelt. Horn soll zielgerichtet die Spieler in höheren Räumen finden, die den Ball dann festmachen oder mit einem Kontakt zum Mitspieler weiterleiten sollen. Das erfordert ein hohes Maß an Ballkontrolle und Passgenauigkeit und genau diese beiden Aspekte sind es, die beim Zuschauer dann dafür sorgen, dass man von “ansehnlichem Fußball” spricht. Gegen den Ball waren aus Sicht des 1. FC Köln wieder Mannorientierungen zu erkennen, mit denen die Aufbauspieler des Gegners unter Druck gesetzt wurden – Mainz hatte mit dieser Form insbesondere im ersten Durchgang Probleme, bevor sie in der zweiten Halbzeit davon profitierten, dass der effzeh ein wenig nachließ und selbst eine höhere Zahl an Ballverlusten aufwies.
Was steht nun als Fazit unter der Vorbereitung des effzeh? Nach der zwischenzeitlichen Überforderung in psychischer und physischer Hinsicht ist die Mannschaft von Markus Anfang mittlerweile in der Lage, über längere Strecken dessen Spielidee (sichere Ballzirkulation, Mannorientierungen, flacher Aufbau) umzusetzen. Über zwei komplette Halbzeiten hat es in den Testspielen bisher noch nicht funktioniert, aber dafür ist der Input auch zu groß – der VfL Bochum wird aber auf eine Mannschaft treffen, die weiß, was zu tun ist und wie sie eine andere Mannschaft schlagen kann. Im Vergleich zur Vorsaison ist das doch schon einmal ein Fortschritt.