Mit den Protestaktionen gegen die Ansetzung des Montagsspiels haben die Fans von Eintracht Frankfurt gehörig auf sich aufmerksam gemacht – das Lob gebührt aber auch dem Vorstand der SGE. Unser Kommentar.
Die Fußball-Bundesliga meint, in dieser Saison Spiele am Montagabend austragen zu müssen – als weiterer Schritt auf dem Weg in die finanziell motivierte Zerfaserung des Spieltages. Das ruft natürlich Proteste hervor. Dass die zunächst fünf Montagsspiele von DFL-Boss Christian Seifert allen Ernstes mit der Teilnahme deutscher Klubs am Europapokal begründet werden, nimmt nicht gerade Feuer vom Protest-Kessel. Während des ersten Montagsspiels in diesem Spieljahr, ausgetragen von der nicht für Europa qualifizierten Frankfurter Eintracht und dem Europa-League-Vertreter aus Leipzig, sind die Unmutsbekundungen immens. Und sie sind beeindruckend.
Die Fans der Frankfurter Eintracht machen es dem Rest der Republik gerade vor. Genau so geht guter, kreativer Fan-Protest. Da war zum Einen die Laustärke: Trillerpfeifen, Buh-Rufe, ein Pfeifkonzert, dass keiner, der es gehört hat, so schnell vergessen dürfte. Das war richtig, richtig laut. Das war richtig, richtig nervig. Das haben alle im Stadion mitgekriegt; Fans, Spieler, Offizielle. Und alle vor dem Fernseher sowieso. Und das dürfte auch bis zu den in Rufweite situierten Räumlichkeiten der Deutschen Fußball-Liga und des Deutschen Fußball-Bunds geklungen sein.
Ein kreativer und vor allem friedlicher Protest
Dann war gefühlt das ganze Stadion voller Banner. Spruchbänder ohne Ende. Das große Haupt-Banner war quasi das Motto der Veranstaltung: “Wir pfeifen auf das Montagsspiel.” Ein angemessenes Motto. Ansonsten war der Kreativität der Anhänger – oder besser der Gegner der Spielansetzung – keine Grenzen gesetzt und Frankfurt zeigte sich von seiner dichterischen Seite. Goethe wäre stolz auf euch. Beispiele? “Vallah Montag ist haram”, was ich als gebürtiger Frankfurter mit “Ich schwöre, Montag ist Sünde” übersetzen würde. “Alles außer Samstag ist scheiße”, war da schon eher ein Klassiker. Und für Kenner des Frankfurter Bahnhofsviertels gab es dieses nette Exemplar: “Moseleck statt Montagsdreck”. Zu Spielbeginn durften die Fans der Eintracht aus der Kurve bis an den Spielfeldrand rücken und dort ihre Banner wütend vorzeigen. Der Protest blieb friedlich. Wie die ganze Zeit über.
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
Das Highlight folgte dann nach der Halbzeitpause, als dutzende Tennisbälle aus der Kurve auf den Rasen flogen. Liebe Entscheider, zu denen übrigens alle (!) Vereine der Fußball-Bundesliga gehören, die alle für die Einführung des Montagsspiels gestimmt hatten, geht Tennis spielen, wenn ihr Montag abends noch nichts vorhabt! Die Tennisbälle im Strafraum von Leipzig-Keeper Péter Gulácsi sorgten für eine 15-minütige Spielverzögerung. Und damit erfüllten auch sie vollkommen friedlich ihren Zweck.
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Wer sich an dieser Art des Protestes etwas abschauen will, ist herzlich dazu eingeladen. Der Protest war laut, bunt, kreativ und friedlich. Die Frankfurter Fans kamen ohne Gewalt aus. Sie kamen ohne übermäßige Provokationen aus, zum Beispiel auch ohne Pyrotechnik. Und die Anhänger der SGE schafften es mit ihrem Verein, in einen Dialog zu treten. Viele der Aktionen, etwa das Herzeigen der Banner bis heran an den Spielfeldrand, waren abgesprochen. Möglich ist so etwas nur, wenn sich beide Seiten weitestgehend über den Weg trauen. Dafür gebührt den Anhängern der Eintracht Respekt.
Auf der nächsten Seite: Der Umgang mit dem Protest auf offizieller Seite.
Ein Gewinner der Veranstaltung: Die Frankfurter Vereinsführung
Und ebenso gebührt der Respekt natürlich erneut der Frankfurter Vereinsführung, die wir bereits an anderer Stelle gelobt haben. Wer so mit Protesten umgeht, der hat verstanden, dass den Leuten ein Thema wichtig ist. Alle Aktionen wurden zumindest von der Eintracht geduldet. Das ist ein Verhalten einer Vereinsführung, die so manchem glorreichen Club aus dem Westen Deutschlands kaum zuzutrauen ist. Im Dialog mit den Fans wurde ein Protest möglich, der nachhaltig beeindruckt. Es ist die nächste clevere Aktion der Frankfurter Entscheider nach dem Vorstoß Peter Fischers gegen Rechts.
Ihren guten Willen unterstrich der Verein mit dem Abspielen des Songs “I don’t like Mondays” vor Spielbeginn. Klar, manch einer würde da jetzt als Heuchelei auslegen, weil der Club ja ebenfalls für die Montagsspiele gestimmt hatte. Man kann die Geste aber auch einfach als eine solche akzeptieren und dann zeugt sie von Größe. Ein Grund mehr, derzeit den Blick verstärkt nach Frankfurt zu richten.
Eintracht-Vorstand Axel Hellmann: “Wir haben nichts genehmigt”
Bei dem, was auf die Proteste folgte, lohnt sich ebenfalls ein genaueres Hinsehen. Eintracht-Vorstand Axel Hellmann sagte zwei sehr spannende Dinge: “Ich will nochmal klarstellen: Wir haben nichts genehmigt, weil es auch keinen Antrag gab und nichts, aber wir haben Dinge geduldet. Geduldet auch deswegen, weil wir uns sonst sicher gewesen wären, dass Proteste, die nicht in irgendeiner Form abgelaufen wären, möglicherweise hier ein ganz anderes Bild gezeigt hätten. Es war massiv. Aber am Ende ging der Ansatz auf, es zu tolerieren und auf die Leute zuzugehen.” Der Ansatz, auf die Leute zuzugehen, ging auf. Ich möchte das an dieser Stelle noch einmal hervorheben. Und zwar auf beide Seiten bezogen. Zu einem gemeinsam geführten Dialog gehören nämlich immer zwei. Fans genauso wie Offizielle.
Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images
Zudem sagte Hellmann: “So eine Atmosphäre ist eigentlich nicht die, die man bei einem Bundesliga-Spiel braucht. Das kann nicht zukunftsweisend sein.” Klingt ein wenig wie Kritik, ist aber eigentlich selbstverständlich. Wenn etwas Außergewöhnliches passiert, das erste Montagsspiel der Bundesliga beispielsweise, dann löst das außergewöhnliche Reaktionen hervor. Die Botschaft der Fans dabei ist klar: Wer nicht will, dass es klingt wie am Montag, der pfeift am Montag auch kein Bundesligaspiel an.
Ein wenig Reflexion würde den Verantwortlichen guttun
Kritik am Verhalten der Fans kam vor allem von Brause-Connaisseur Stefan Ilsanker. “Diese Stimmung hat alle 22 Mann beeinflusst. Das ist sicherlich keine Werbung für den Fußball, wenn ein paar Deppen meinen, sie müssten da Gegenstände aufs Spielfeld werfen.” Hoffentlich hat “diese Stimmung” alle 22 Mann beeinflusst und am besten noch ein paar mehr. Es würde sich schon lohnen, darüber nachzudenken, was die Fans mit solch einem Protest denn eigentlich aussagen möchten. Es sei denn, man hat kein gesteigertes Interesse an den Fans. Es sei denn, man identifiziert sich und den Fußball mit einem österreichischen Großkonzern. Kann man machen, muss man aber nicht.
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Wie gut, dass der Leipziger Trainer Ralph Hasenhüttl seinem Spieler direkt widersprach: “Die Lautstärke war für uns gar nicht so extrem. Wir haben schon Schlimmeres erlebt. Das Ganze war jedenfalls nicht spielentscheidend.” Einfach mal ein Gruß an Timo Werner an dieser Stelle. Niko Kovac, der Frankfurter Cheftrainer, schlug übrigens in dieselbe Kerbe: “Ich denke, dass das, was abgelaufen ist, sicherlich nicht alltäglich ist. Aber es ist alles im friedlichen Rahmen geblieben. Und ich denke, dass das keine Auswirkungen auf die Performance beider Mannschaften hatte.”
Was machen jetzt DFL und Sportgericht?
Bleibt noch ein letzter Blick nach Frankfurt, der schon gleich ein wenig in die Zukunft schielt. Denn wie ein Sprecher des DFB dem Hessischen Rundfunk am Dienstag bestätigte, berät nun der DFB, ob der Kontrollausschuss wegen der Vorfälle in Frankfurt Ermittlungen aufnimmt. Sollte das tatsächlich geschehen, würde sich der DFB vollends der Lächerlichkeit preisgeben. Einen solchen Protest zu bestrafen, in welcher Form auch immer, das wäre das völlig falsche Signal. Es wäre das Eingeständnis, dass die Vernunft beim DFB längst der Gier unterlegen ist. Denn eines haben die ausnahmslos friedlichen Proteste gezeigt: der Fußball in Deutschland lebt, die Kurve lebt, die Straße ist nicht bereit, sich ihren Fußball einfach so wegnehmen zu lassen.
So eine Atmosphäre ist eigentlich nicht die, die man bei einem Bundesliga-Spiel braucht. Das kann nicht zukunftsweisend sein.