Wer etwas zu verkaufen hat, das womöglich nicht zu den besten Produkten auf dem Markt gehört, der muss sich etwas einfallen lassen. Zumeist endet das in grotesker Lobhudelei, die mit der Realität wenig zu tun hat. Ähnlich dachte wohl auch der 1. FC Köln, als er am Dienstagmittag zur Vorstellung der neuen sportlichen Leitung rief. Allzu große Freude hatte die Verpflichtung von Trainer Markus Gisdol und Sportchef Horst Heldt in der Domstadt nicht ausgelöst.
Dennoch kommentierte FC-Präsident Werner Wolf den personellen Doppelschlag der „Geißböcke“ überaus beschwingt: „Die Situation, die wir Ihnen heute vorstellen, erfüllt uns mit Freude. Wir haben uns Zeit genommen, eine neue sportliche Führung zu finden. Das systematische Vorgehen ist belohnt worden“, schlussfolgerte das Vereinsoberhaupt sichtlich erleichtert. Auch Finanzchef Alexander Wehrle sprach davon, dass dies ein guter Tag für den 1. FC Köln sei, und war zufrieden mit der gefundenen Lösung: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Markus Gisdol und Horst Heldt hier beim FC Ruhe und Stabilität erzeugen können.“
Ruhe und Stabilität: Danach sah es beim 1. FC Köln in den vergangenen Wochen so ganz und gar nicht aus. Erst stürzte der Bundesliga-Aufsteiger wieder einmal in eine sportliche Krise, verlor die direkten Duelle bei der Abstiegskonkurrenz aus Mainz und Düsseldorf und verabschiedete sich beim 1. FC Saarbrücken mit einer peinlichen Pleite aus dem Pokal. Turbulenzen im direkten Umfeld der Mannschaft kamen hinzu: FC-Sportchef Armin Veh verkündete seinen Abschied zum Saisonende, Trainer Achim Beierlorzer wackelte ohne Rückhalt im Verein bedenklich. Nach dem 1:2 gegen Hoffenheim zog der effzeh dann die Notbremse und trennte sich gleich von beiden sportlich Verantwortlichen.
Nun soll es also Markus Gisdol auf der Trainerbank richten. Seit seinem Rausschmiss in Hamburg Anfang 2018 war der gebürtige Geislinger ohne Engagement geblieben, auch beim 1. FC Köln stand er zunächst nicht auf der Wunschliste. Die „Geißböcke“ holten sich zunächst eine Abfuhr von Bruno Labbadia, der sich auf keinerlei Gespräche mit seinem ehemaligen Verein einlassen wollte. Danach buhlten die Rheinländer um die Dienste von Hertha-Urgestein Pal Dardai, der im Sommer in Berlin aufgehört hatte. Nach diversen Spekulationen, ob der Ungar nun den effzeh übernehmen wolle oder eben nicht, gab es für den derzeitigen Tabellen-17. eine Absage.
Am Ende einigten sich die Entscheider um Frank Aehlig, der als Leiter der Lizenzabteilung nach Vehs Abgang federführend für die Suche verantwortlich zeichnete, auf Gisdol. Einen Trainer, dessen Spielphilosophie gänzlich anders ist als die der zunächst umworbenen Kandidaten Labbadia und Dardai, wie der „kicker“ beim Aufkommen des Gerüchts hervorragend analysierte. Ein Trainer, dem nach seinen vorherigen Engagements in Hamburg und in Hoffenheim wenig Gutes hinterhergeschickt wurde. Ein Trainer, der auch dank der wenig ansehnlichen Vorschusslorbeeren als „dritte Wahl“ schon vor Antritt seines Amts im schwierigen Kölner Umfeld nur wenig Rückhalt genießt.
Gisdol zeigt sich selbstbewusst
Gisdol ficht das allerdings nicht an, wie er bei seiner Vorstellung bewies: „Natürlich nehme ich die Reaktionen auf meine Verpflichtung wahr. Ich habe mir aber auch vorgenommen, gewisse Dinge auszublenden. Ich kann sagen: Ich weiß, warum ich hier bin, was mich erwartet und was ich leisten kann“, gab der 50-Jährige auf seiner ersten Pressekonferenz als FC-Trainer selbstbewusst zu Protokoll: „Ich kenne die Situation, zu einem Verein zu kommen, wo es nicht so gut läuft. Es ist wichtig, Ruhe reinzubringen und das Team zu entwickeln, um aus dieser Situation rauszukommen. Ich bin sehr glücklich, dass ich ausgewählt wurde, um die Situation hier zu meistern. Wir müssen jetzt gewissenhaft und grundlegend arbeiten in vielen Bereichen.“
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Gewissenhaft und grundlegend arbeiten: Das gilt auch für den neuen Sportchef am Geißbockheim. Nach diversen Spekulationen, bei denen etliche Interna nach außen drangen, fiel die Wahl der Kölner auf Horst Heldt. Der ehemalige FC-Spieler hatte zuletzt ein wenig erfolgreiches Intermezzo bei Hannover 96 hinter sich gebracht, zuvor stand der 49-Jährige beim FC Schalke 04 und dem VfB Stuttgart in der Verantwortung. Auch um die Bestellung Heldts zum Geschäftsführer gab es bei den „Geißböcke“ hitzige Debatten. Bereits vor zwei Jahren wollte der effzeh den erfahrenen Manager nach Köln holen, der zwischenzeitlich sicher geglaubte Deal scheiterte allerdings am Veto von Hannovers Vereinschef Martin Kind.
Schlammschlacht um Heldt
Dass ein mögliches Engagement nun auch im zweiten Anlauf nicht bei jedem auf Gegenliebe stieß, hat auch mit der damaligen Schlammschlacht im Jahr 2017 zu tun. Denn nicht alle am Geißbockheim hatten den Eindruck, Heldt wolle mit aller Macht zurück zum 1. FC Köln. Im Gegenteil: Manch einer vermutete, der gewiefte Funktionär wollte mit der Offerte aus der Heimat seine Verhandlungsposition in Hannover stärken. Das alles – und die Tatsache, dass das Interesse an Heldt bereits brühwarm in den Kölner Medien landete – schwang mit, als der Gemeinsame Ausschuss der Verpflichtung des einstigen Mittelfeldspielers der „Geißböcke“ eine Absage erteilte. Woher der Meinungsumschwung wenige Tage später rührte, bleibt trotz etlicher durchgestochener Informationen ein Rätsel.
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„Ich war nicht dabei, aber ich hätte für mich gestimmt“, betonte Heldt mit schelmischem Grinsen auf diese Episode angesprochen. „Fakt ist, dass die Entscheidung auf mich gefallen ist, und darüber freue ich mich außerordentlich. Ich brauche die Einzigartigkeit des FC gar nicht zu erklären. Das wissen die Leute. Wer mich kennt, weiß, dass der FC für mich eine Herzensangelegenheit ist“, bemühte der neue starke Mann beim Aufsteiger seine Verbindung zu seinem alten, neuen Club und schob jovial hinterher: „Ich möchte die Leute mit meiner Arbeit überzeugen, damit sie eines Tages sagen: Leck mich am Ärmel, mit dem Heldt hat es Spaß gemacht.“
Von Spaß waren sie rund um den 1. FC Köln in den vergangenen Tagen vermutlich weit entfernt. Die sportliche Situation ist prekär, der Aufsteiger liegt mit lediglich sieben Punkten auf Platz 17. Auch finanziell sind die „Geißböcke“ nach dem Kraftakt im Sommer, als das Transferbudget um mindestens zehn Millionen Euro überzogen wurde, nicht auf Rosen gebettet. Und in der Krise nach dem Abschied der sportliche Leitung machte das neue Präsidium um Werner Wolf nicht den sattelfestesten Eindruck. Dass nur zwei Tage nach einem Ruhe ausstrahlenden Interview mit Kölner Tageszeitungen das neue Duo Heldt/Gisdol unter solchen Umständen in ihre Positionen gehoben wurde, ließ nach den harten Machtkämpfen der jüngsten Vergangenheit einige Unterstützer sprachlos bis entsetzt zurück.
Wehrles Wunsch wurde wahr
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Mit Horst Heldt hat FC-Finanzchef Alexander Wehrle, der sich dem Vernehmen nach am vergangenen Wochenende noch einmal ausdrücklich für eine Verpflichtung des ehemaligen Stuttgarters stark gemacht hatte, abermals seinen Wunschkandidaten für den Platz neben sich in der Geschäftsführung erhalten. Interne Stimmen, die nach den Erfahrungen mit Armin Veh eher einen vereinsfremden und weniger mit Seilschaften behafteten Sportchef gefordert hatten, konnten sich in der Diskussion letztlich nicht durchsetzen. Die erste Entscheidung, die Heldt in Köln mitverantwortet? Seinem alten Weggefährten Markus Gisdol die „Mission Klassenerhalt“ anzuvertrauen. „Wir kennen uns. Ich bin in die Trainerfindung involviert gewesen und um meine Meinung gebeten worden“, erklärte der neue FC-Sportchef bei seiner Vorstellung.
Bereits auf Schalke hatten sich die Wege der beiden nun entscheidenden Kölner Figuren gekreuzt. Heldt war Sportchef der „Königsblauen“, während Gisdol unter Ralf Rangnick als Co-Trainer fungierte. Als der aufgrund seiner Burnout-Erkrankung seinen Posten als Chefcoach aufgeben musste, beförderte der jetzige FC-Sportgeschäftsführer allerdings nicht den Assistenten, sondern holte sich mit Huub Stevens einen erfahrenen Fahrensmann an Bord. Eine Entscheidung, die dem Vernehmen nach nicht ohne Folgen blieb: Als der Hamburger SV Anfang 2017 einen neuen Sportchef suchte, soll auch Horst Heldt für den Posten im Gespräch gewesen sein. Letztlich holte der Bundesliga-Dino Jens Todt – auch weil sich Gisdol angeblich gegen eine Zusammenarbeit mit seinem jetzigen Vorgesetzten gesträubt hatte.
Auch deshalb wirkt die heutige Realität am Geißbockheim, als wären sich drei Verzweifelte zum vermeintlich richtigen Zeitpunkt über den Weg gelaufen. Das oberste Ziel beim 1. FC Köln lautet nun für das neue Duo: Klassenerhalt. „Wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen jetzt an den richtigen Rädchen drehen, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen“, fordert Heldt – und sieht bei den „Geißböcken“ einen Kader, der das Zeug für den Verbleib in der Bundesliga hat. Dass der Klassenerhalt große Priorität beim FC hat, zeigt bereits die Vertragssituation der beiden Neuen: Gisdol ist zwar bis 2021 an die Kölner gebunden, sein Kontrakt gilt allerdings nur für die Bundesliga. Und auch bei Horst Heldt soll es laut einem „Express“-Bericht eine Ausstiegsklausel für den kommenden Sommer geben.
“Erfolgreicher Fußball spielen!”
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Zwei Hauptaufgaben hat der neue Sportchef im Club bereits identifiziert: Zum einen müsse der 1. FC Köln wieder eine Gemeinschaft werden, erklärte Heldt. Von außen fühle es sich so an, als sei das “nicht der Fall”. Zum anderen laute die Devise nun vor allem aber schlicht und einfach: Erfolgreicher Fußball spielen! Dafür verantwortlich ist seit Montagabend Markus Gisdol, der die komplizierte Aufgabe am Rhein mit der nötigen Portion Selbstbewusstsein und Gelassenheit angeht: „Wir brauchen uns nichts vormachen, es ist eine schwierige Situation. Ich muss schauen, was zur Mannschaft passt, wie ich ihr helfen kann. Dafür bin ich da“, so der erfahrene Fußballlehrer, der bereits Hoffenheim und den HSV aus prekärer Lage noch zum Klassenerhalt führte.
Eine Einheit zu bilden – auf und neben dem Platz, das sei nun eine seiner wichtigsten Aufgaben. „Es darf kein ‚Ich‘ sein, es muss ein ‚Wir‘ sein. Wir müssen es zusammen angehen“, betonte Gisdol, zeigte sich allerdings ebenfalls realistisch: „Ich kann jetzt die tollsten Dinge erzählen. Am Ende der Saison ist es das Wichtigste, dass wir in der Bundesliga bleiben“, so der 50-Jährige. Und wenn das gelingt, dann wird auch das Gerede von der „dritten Wahl“ und dem Panikknopf, den der FC vermutlich am vergangenen Wochenende gedrückt hat, bloß nur noch Geschwätz von gestern sein. Dann, so darf jetzt schon festgehalten werden, war dieser kalt-nasse Dienstag wirklich ein Grund zur Freude und ein guter Tag für den 1. FC Köln.
Lest auch die beiden effzeh.com-Kommentare zum Thema: Moritz Zimmermann findet die Entscheidung für Gisdol und Heldt gut – und nennt hier fünf Gründe dafür. Christopher Kohl hingegen macht Schwächen beim neuen Vorstands aus und erklärt hier warum.