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Das #KOEB04-Auswärtsspiel: “Roger Schmidt hat sich abgenutzt”

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Das letzte Spiel des Jahres 2016 steht an: Mit dem Duell gegen Bayer 04 Leverkusen erwartet die effzeh-Fans eine emotional besonders intensive Begegnung. Mit Kevin Scheuren von meinsportradio.de haben wir über Roger Schmidt, die bisherige Saison von Bayer und mögliche Verbesserungsmaßnahmen diskutiert.

Zu den Spielen unseres geliebten und glorifizierten ersten Fußballclubs Köln werden wir auch in dieser Saison einem Fan der gegnerischen Mannschaft ein paar Fragen stellen. Und weil Gegner ja immer irgendwie “auswärts” sind, egal ob der effzeh zu Hause oder auf fremdem Platz antritt, und weil die Sichtweise von “auswärts” kommt, heißt die Kategorie folgerichtig “Auswärtsspiel”. Wir sind nicht nur gespannt, wieviel effzeh in den Anhängern der anderen Bundesligisten steckt, sondern erwarten auch eine Einschätzung zur Situation der eigenen Mannschaft.

Es ist Derbyzeit! Zumindest fast oder so ähnlich. Auf jeden Fall spielt der effzeh im letzten Spiel vor der Weihnachtspause gegen Bayer 04 Leverkusen, dessen Trainer Roger Schmidt bereits öffentlich angezählt wurde. Es ist also durchaus unruhig am Autobahnkreuz, weswegen wir uns mehr denn je darüber freuen, mit Kevin Scheuren einen kompetenten Werkself-Fan finden konnten. Kevin moderiert auf meinsportradio.de das Bundesliga-Special und ist für die Werkskantine, einen Bayer-Podcast, verantwortlich. Mit ihm haben wir uns über das anstehende Spiel, die handelnden Personen und die Entwicklung des effzeh unterhalten.

Erst einmal die wichtigste Frage vorab: was ist in deinem Leben falsch gelaufen, dass du Fan von Bayer 04 Leverkusen geworden bist? Wie verlief deine Fansozialisation?

Ich glaube, dass das Wort „Fansozialisation“ so ziemlich das Schlimmste ist, was ich seit Langem gehört habe. Wie dem auch sei – Fan von Bayer 04 bin ich, wie so viele Kinder, durch meinen Vater geworden. Er war bereits vor mir Jahrzehnte lang Fan und hat mich, als ich fünf oder sechs war, mit ins Stadion genommen. Mein erstes Spiel im Haberland damals war ein 4:2-Sieg gegen die Bayern, da war ich natürlich direkt begeistert und bin bei Bayer 04 geblieben. Da ist nix falsch gelaufen, denn es ist, wenn man sich vom ganzen Geplänkel rundherum, ein verdammt cooler Club.

Kommen wir zum Wesentlichen: Hämische Gesänge gegen das eigene Team bei Heimniederlagen (wie zuletzt gegen Ingolstadt) sind uns ja auch in Köln nicht ganz unbekannt. Wie ist die Lage momentan unter’m Bayer-Kreuz?

Insgesamt war es schon mal besser in Leverkusen. Die Mannschaft tut sich in dieser Saison unheimlich schwer und das, obwohl der Kader, auch in meinen Augen, der Beste seit Jahren ist. Wir waren nicht umsonst sowas wie ein Geheimfavorit auf die Meisterschaft in dieser Saison. Diesen Traum haben wir begraben und die Realität ist sehr bitter. Ich finde die Situation sehr prekär. Sie ist gefährlich, weil es auch wieder ein wenig verwässert wird, woran es wirklich liegt und das sind die Gesamtstrukturen im Verein, die absolut verkrustet sind und aufgebrochen werden müssen. Diesen Prozess habt ihr ja beispielsweise hinter euch und siehe da, es hat sich was entwickelt. Bis dahin müssen wir das irgendwie aussitzen, so scheint es mir.

“Die Entwicklung in Leverkusen ist negativ”

In der Liga hinkt Leverkusen den eigenen Ansprüchen hinterher. Woran ist die sportliche Misere festzumachen? Was sind die wesentlichen sportlichen Gründe?

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Am Trainer. Das ist meine feste Meinung, dass Roger Schmidt in den vergangenen Jahren zwar für einen schnellen, spielfreudigen Fußball gesorgt hat, die Entwicklung insgesamt aber stagniert beziehungsweise sogar negativ ist. In meinen Augen werden viele Spieler nicht auf den Positionen eingesetzt, auf denen sie der Mannschaft wirklich helfen würden. Das System Schmidt ist sehr stur und engstirnig, da gibt es wenig Chancen auf eine große Anpassung, auch wenn sich das auszahlen würde.

Dieses „System“ von Roger Schmidt hat keine Balance, es wirkt zu oft hektisch und ungeordnet. Das Pressing funktioniert auch nur gegen Teams, die selber eher offensiv eingestellt sind (Dortmund, Leipzig, Bayern, Tottenham), aber danach wird’s eng. Sicher haben wir viele Verletzte, aber das darf auf keinen Fall eine Ausrede sein. Umso mehr müsste der Trainer dann nach den Stärken der Spieler aufstellen und nicht auf Teufel komm raus an seinem gescheiterten System festhalten. Das tut er nicht, also stehen wir da, wo wir stehen.

In der Champions League konnte sich Bayer allerdings für das Achtelfinale qualifizieren. Gegner wird Atletico sein, sicherlich keine Laufkundschaft. Ist auch dort im Februar die Herrlichkeit vorbei oder gibt es die Revanche für das Achtelfinalaus 2015?

Das kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten. Wenn sich die Form nicht verbessert, Roger Schmidt noch im Amt ist, das Wintertrainingslager und die zurückkehrenden Spieler nicht fruchten, wird es eher eine bittere Geschichte gegen Atletico. Unangenehme Mannschaft, bin auf die Spiele gespannt und erwarte erstmal nix.

Lest auf der nächsten Seite: Kevin über die Kaderzusammenstellung, die handelnden Personen und die Außendarstellung von Rudi Völler. 

Bist du mit der Kaderzusammenstellung zufrieden?

Ich bin natürlich immer noch todtraurig, dass der Verein Kyriakos Papadopoulos hat ziehen lassen. Das ist ein Spieler, den wir in sehr vielen Spielen hätten gebrauchen können. Sein Herz und sein Einsatz, auch seine Durchsetzungskraft im offensiven Kopfball sind schon ein Brett. Aber das liegt auch daran, dass er mein absoluter Lieblingsspieler ist. Ansonsten ist das an und für sich alles sehr gut. Wir haben alle Leistungsträger halten können und haben uns punktuell richtig gut ergänzt. Leider kam ein Volland noch nicht richtig zur Entfaltung (falsche Position) und auch ein Baumgartlinger tut sich noch schwer, weil ihm schlichtweg noch die Qualität fehlt. Aber bis auf die altbekannten Probleme in der Kaderbreite (auch qualitativ) ist der Kader in den ersten 12, 13 Spielern toll besetzt und sollte in der Lage sein, eine Menge zu erreichen.

Wie stehst du zu den handelnden Personen? Sind Rudi Völler und Roger Schmidt überhaupt noch tragbar?

Beide absolut nicht mehr. Roger Schmidt hat sich abgenutzt und man sollte sich schnellstmöglich eingestehen, dass eine Trennung das Beste für beide Seiten ist. Rudi Völler ist für mich ein Sinnbild der Leverkusener Klüngelei und der Komfortzone.

Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

Da wird nicht sonderlich Druck aufgebaut, sondern sich darauf berufen, dass es ja noch die Rückrunde gibt und das bereits nach Spieltag 13 oder so. Auch in den letzten Jahren ist Völler für mich nur noch durch irgendwelche bescheuerten Interviews aufgefallen und nicht damit, womit ich ihn eigentlich erwarten würde: Sinne schärfen, Druck hochhalten und auch den Finger in die eigenen Wunden legen. Matthias Sammer hat das in München bspw. richtig gut gemacht.

Das würde ich von Völler erwarten. Das ist aber in den letzten Jahren schon nicht mehr so gewesen. Ich habe in den vergangenen Tagen bei Twitter mal geschrieben, dass eigentlich von oben (beginnend im Gesellschafterausschuss mitsamt Vorsitzendem Werner Wenning) bis zum Stadionsprecher (der ja echt eine Frechheit ist) alles ausgetauscht werden sollte. Frische Köpfe, neue Ideen, ein kompletter Neuanfang. Dass das nicht passieren würde, ist mir klar. Aber es wäre der Schritt in eine bessere Zukunft für Bayer 04 Leverkusen. Zu viele Personen hängen schon zu lang an ihren Posten. Das muss ein Ende haben.

“Rudi Völler und Roger Schmidt fehlt die Selbstreflexion”

Wie beurteilst du denn die Außendarstellung von Rudi Völler? Lenkt er damit geschickt von eventuellen sportlichen Schwächen ab oder macht er neue Baustellen auf?

Keiner redet Situationen besser schön als Rudi Völler. Er meldet sich gerne zu Wort, wenn es nicht läuft, aber dann schießt er eben gegen Gegner, Schiedsrichter oder die Presse. Also irgendwie fehlt mir da, wie oben bereits beschrieben, die Selbstreflexion über den Verein, die Leistungen und Entwicklungen. Ernst nehmen kann man den sowieso schon lange nicht mehr. Dann geht er mal hoch und dann verpufft es wieder – Choleriker eben.

Kann ein Sieg im abschließenden Spiel tatsächlich wieder dafür sorgen, dass in Leverkusen wieder Harmonie herrscht?

Es kann zumindest dafür sorgen, dass Roger Schmidt weiterarbeiten darf und die trügerische Ruhe über die Winterpause anhalten wird. Dann kommen Berlin und Gladbach in den ersten beiden Heimspielen und wenn die dann ebenso verloren gehen sollten, wie zuletzt gegen Ingolstadt, dann geht der gleiche Scheiß wieder von vorne los. Wir befinden uns halt in einem Hamsterrad, das sich immer weiter dreht.

Lest auf der nächsten Seiten: Kevin über die Derby-Frage, Teamwork und seinen Wunschtorwart.

In der Kölner Fanszene wird in jedem Jahr diskutiert, ob das Spiel gegen Leverkusen ein Derby ist oder nicht. Wie ist deine Meinung dazu?

Ist für mich ein Derby, ja. Die Nähe ist gegeben, es hat eine Tradition in der Bundesliga und ist ein sehr emotionales Spiel für viele Menschen.

“Ich bewundere die Entwicklung des effzeh”

Was muss passieren, damit Leverkusen am Mittwoch alle drei Punkte aus Köln entführt?

Tja, man muss erstmal alles besser machen, als zuletzt gegen Ingolstadt. Man muss kratzen, beißen und den Kampf annehmen. Die Spieler müssen sich aufreiben und Gas geben, sich den Arsch aufreißen, Chancen erarbeiten und diese dann nutzen. Alle müssen sich konzentrieren und frisch bleiben, dranbleiben und auch mal den Fuß dazwischen machen, eventuell auch mal ein dreckiges Foul ziehen und provozieren. Einfach mutig spielen, an die eigene Stärke glauben und darauf hoffen, dass der FC nicht zur Entfaltung kommt.

Wie stehst du ansonsten zum effzeh? Schaust du vielleicht etwas neidisch auf die kontinuierliche Weiterentwicklung in sportlicher und wirtschaftlicher Hinsicht?

Ich für meinen Teil empfinde keinen Hass und keine Zuneigung zum 1. FC Köln. Ich bin im Westmünsterland aufgewachsen, meine Feindbilder sind eher Dortmund und Schalke, aber ich bin auch keineswegs neidisch auf euch. Neid ist uncool. Ich bewundere aber eure Entwicklung, die in den letzten Jahren mit Schmadtke und Stöger (aber auch mit Spinner und Schumacher) vollzogen worden ist. Solide Vereinsführung, tolle Transfers, ein gutes System und ganz wichtig – Teamwork und Ruhe. Jahrelang hat euch das gefehlt, jetzt ist es da und den Erfolg verdient ihr auch, das muss man auch als Leverkusener anerkennen. Nicht umsonst steht ihr aktuell vor uns in der Tabelle, was sich hoffentlich noch ändern wird. Vor der Saison habe ich euch bereits auf einen sicheren, einstelligen Tabellenplatz getippt und das wird’s wohl auch werden. Und dann könnt ihr in der Tat in der kommenden Saison, wenn der Kader beisammenbleibt, auch Europa angreifen.

Welchen Kölner Spieler würdest du gerne bei Leverkusen sehen?

Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images

Sollte Bernd Leno den Verein verlassen, ist Timo Horn mein Wunschtorwart. Finde den Typen genial, auf und neben dem Platz. Ich finde es immer noch jammerschade, dass sich Marcel Risse damals nicht bei uns durchsetzen konnte. Fand den schon bei uns damals klasse und hätte ihm den Durchbruch sehr gewünscht. Aber jetzt wünsche ich ihm erstmal gute und schnelle Besserung.

Und jetzt Butter bei die Fische: Feiert Bayer besinnliche Weihnachten mit drei Punkten gegen den effzeh oder vergrößern die Geißböcke den Abstand in der Tabelle? Was für ein Ergebnis tippst du?

Ich finde es super schwer, dieses Spiel zu tippen. Das Spiel gegen Ingolstadt hat mir nur sehr wenig Hoffnung gemacht, dass wir in Köln was mitnehmen werden. Dazu seid ihr recht heimstark und böse Zungen würden jetzt behaupten, dass eine Niederlage mit Hinblick auf die Personalie Roger Schmidt nicht schlecht wäre. Wenn ich das wirklich versuche objektiv zu sehen und unsere aktuellen Stärken und Schwächen gegen eure abwäge und das versuche in ein Ergebnis zu pressen, dann gewinnt ihr mit 2:0. Und dann gehen wir nach der Winterpause hoffentlich mit einem neuen Trainer frisch ans Werk und überholen euch in der Rückrunde, damit am Ende wieder die einzige Macht am Rhein, nämlich Bayer 04 Leverkusen, in der Tabelle vor euch steht.

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