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China-Experte Cameron Wilson: “Modeste wird für den 1. FC Köln spielen”

Foto: Lennart Preiss/Bongarts/Getty Images

Es könnte alles so einfach sein, ist es aber (offensichtlich) nicht: Zwar hat der 1. FC Köln am Samstagabend die Verpflichtung von Anthony Modeste verkündet, doch bereits am Morgen darauf konterte Tianjin Quanjian mit einem kämpferischen Statement. Der chinesische Spitzenclub pocht weiter daraus, dass der französische Torjäger einen gültigen Kontrakt habe, und kündigte an, notfalls auch bis zum Internationalen Sportgerichtshof CAS auf Einhaltung des Vertrags zu pochen. Der 1. FC Köln ist dagegen der Ansicht, der Rückkehrer habe sein Verhältnis mit dem CSL-Club rechtmäßig gekündigt, und hofft auf baldige Freigabe durch die FIFA.

Eine anscheinend komplizierte Situation, in der zunächst Informationen über einen zurückdatierten Aufhebungsvertrag kursierten, die sich allerdings nicht bestätigten. Droht dem effzeh nun ein langwieriger Rechtsstreit, der den Einsatz des Publikumslieblings auf unabsehbare Zeit verhindert? Wir haben über das Thema mit China-Experte Cameron Wilson gesprochen – der Schotte lebt seit über zehn Jahren in Shanghai und ist Gründer von Wild East Football, dem größten englischsprachigen Magazin über den Fußball in China.

Ganz Köln war am Samstagabend aus dem Häuschen, als der 1. FC Köln die Verpflichtung von Anthony Modeste bekannt gab. Wie wurde die Nachricht in China aufgenommen?

Es gab jede Menge Kommentare über den Rechtsstreit – zumeist wurde dabei die Stellungnahme von Tianjin Quanjian zitiert. Aber auch die chinesischen Medien wissen, dass Spielerverträge eine Grauzone sind und haben sich nicht auf die Seite des Vereins geschlagen.

Aus meiner Sicht ist das lediglich ein gesichtswahrender Schritt. Ich habe große Zweifel, dass Tianjin, sollten sie diesen Disput vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS bringen, Recht bekommt.

Sonntagfrüh gab es dann die vermeintliche Ernüchterung: Tianjin Quanjian veröffentlichte das von dir erwähnte Statement, in dem sie auf den Vertrag mit Anthony Modeste beharren und rechtliche Schritte gegen den Spieler und den 1. FC Köln androhen. Ist das aus deiner Sicht lediglich Säbelrasseln oder doch die Aussicht für die kommenden Wochen?

Ich kenne auch nur die Details, die bereits öffentlich gemacht wurden. Aus meiner Sicht, basierend darauf, dass ich das schon häufiger im chinesischen Fußball gesehen habe, ist das lediglich ein gesichtswahrender Schritt. Ich habe große Zweifel, dass der Verein, sollte er diesen Disput vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS bringen, Recht bekommt. Dafür enthalten Spielerverträge in China zu oft irgendwelche Konditionen und Klauseln, die von der FIFA als unerlaubt angesehen werden.

https://twitter.com/fckoeln/status/1064080773081292801

Die hauptsächliche Frage, die uns in Köln umtreibt, ist: Warum kann Modeste ablösefrei zurückkehren, nachdem er im Sommer 2017 noch knapp 35 Millionen Euro gekostet hat?

Ich bin nicht mit allen Details vertraut, aber die offensichtliche Erklärung ist, dass sein Gehalt für mehrere Monate nicht bezahlt wurde und er deshalb seinen Vertrag gekündigt hat. Und soweit ich das verstehe, dürfte, sofern seine Einlassung stimmt, der Vertrag tatsächlich null und nichtig sein, so dass er ablösefrei wechseln darf.

Auf der nächsten Seite: Warum die FC-Fans optimistisch in
Sachen Modeste sein dürfen und was zwei Verträge damit zu tun haben

Der Konflikt zwischen Modeste und Tianjin Quanjian ist nicht neu. Er hat den Verein auf eigene Faust im Sommer verlassen und seinen Vertrag frühzeitig gekündigt. Beide Streitparteien haben daraufhin bei der FIFA um Klärung gebeten. Warum ist die ganze Geschichte nur ein Jahr nach der Verpflichtung derart eskaliert?

Das passiert ehrlich oft im chinesischen Fußball. Die Regeln für Spielertransfers werden von der FIFA gemacht, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass der chinesische Verband CFA solche Regeln gern ignoriert. Zum Beispiel existieren oft zweierlei Verträge: Einer zwischen Spieler und Verein, der komplett mit den FIFA-Regularien übereinstimmt und dort auch eingereicht wird, und einer zwischen Spieler und Verein, der die tatsächlichen Bedingungen beinhaltet. Das passiert für gewöhnlich bei chinesischen Spielern, die sich aufgrund der Kultur im heimischen Fußball nicht bei der CFA oder der FIFA beschweren, wenn etwas falsch läuft. Sie wissen ganz genau, dass sie dann niemals mehr einen Profivertrag bei einem chinesischen Club erhalten würden. Bei einem ausländischen Spieler liegt die Sache anders: Dort kann der chinesische Club wenig tun, um ihn davon abzuhalten, zur FIFA zu gehen.

Modeste und der 1. FC Köln sagen, dass die Kündigung des Vertrags rechtens ist und warten auf die Freigabe durch die FIFA. Glaubst du angesichts deiner Erfahrungen mit den chinesischen Fußballclubs, dass die FC-Fans ihren Publikumsliebling bald auf dem Platz sehen werden?

Die Realität in China ist: Die Clubs beschäftigen Spieler für gewöhnlich auf quasi-legaler Basis – sie würden damit vermutlich jeden Rechtsstreit außerhalb des Landes verlieren. Sie sind es nicht gewohnt, dass ihre Autorität auf diese Weise angegriffen wird. Daher verlegen sie sich darauf, diese großen Ankündigungen und Klagedrohungen zu veröffentlichen, um es einerseits einfach zu versuchen und andererseits ihr Gesicht zu wahren. Die Probleme sind alsbald klammheimlich vergessen. Daher wäre ich äußerst überrascht, wenn in eurem Fall irgendetwas als der normale Verlauf der Dinge passieren würde. Das ganze Ding wird bei Tianjin Quanjian ad acta gelegt und Modeste wird ohne Verzögerung für den FC spielen.

Die Realität in China ist: Die Clubs beschäftigen Spieler für gewöhnlich auf quasi-legaler Basis – sie würden damit vermutlich jeden Rechtsstreit außerhalb des Landes verlieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass chinesische Clubs Probleme mit Spielern haben, die sich über ausbleibende Gehälter beschweren. Holen sie sich Stars aus den europäischen Ligen mit Märchenangeboten an Land und können oder wollen dies dann nicht bezahlen?

Es geht dabei nicht darum, dass das Geld nicht vorhanden wäre. Es sind zumeist politische Dinge auf Vereinsebene und im lokalen Umfeld, die den Wunsch, die vereinbarten Vertragsdetails zu erfüllen, behindern. Dazu kommt der von mir geschilderte Unterschied im Machtgefüge zwischen ausländischen und einheimischen Spielern – letztere beschweren sich eben bei solchen Problemen nicht.

https://twitter.com/amodeste27/status/1063871436857724931

Im Sommer wechselte aus Tianjin bereits Axel Witsel nach Deutschland, schloss sich Borussia Dortmund. Dieser Transfer lief etwas geräuschloser ab – doch war auch dort dasselbe Problem vorhanden?

Meinen Informationen zufolge hat Witsel einem Wechsel in die Chinese Super League nur zugestimmt, wenn sein Vertrag eine Ausstiegsklausel enthält. Diese hat der BVB dann offensichtlich ausgenutzt. Das scheint auch zu stimmen, denn sein Abgang erfolgte nach Schließung des chinesischen Transferfensters, so dass Tianjin keinen Ersatz mehr verpflichten konnte. Das ist für die Clubs hier sehr wichtig, weil sie nur vier ausländische Spieler beschäftigen dürfen und diese zumeist die besten Spieler der Teams sind.

Um noch einen sportlichen Eindruck zu erhalten: Wie hat sich Modeste in der CSL überhaupt gemacht? 16 Tore klingen auf den ersten Blick jetzt nicht allzu schlecht.

Modeste hat sich definitiv von seiner guten Seite präsentiert. Auf jeden Fall war er bei den Fans und Medien bei Tianjin Quanjian sehr geschätzt, aber letztlich war er wohl zu kurz hier, um wirklich einen außerordentlich bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

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