Nur knapp verpasste Tim Lemperle den Ball, den Jan Thielmann gefühlvoll in den Münchener Strafraum gehoben hatte. Es lief die letzte Minute der Partie zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Köln, der vehement auf den Ausgleich drückte. Auf der Kölner Bank sprang Jonas Urbig, der Ersatzkeeper der “Geißböcke”, auf und klatschte aufmunternd Beifall. Zu Hause vor seinem Fernseher verfolgte Martin Heck, Trainer der U17 des 1. FC Köln, diese Szene – und verspürte eine Mischung aus Freude und Stolz. Alle drei Spieler hatten im Kader seiner U17 gestanden, die 2019 mit ihm Deutscher Meister geworden war.
„Das macht einen extrem glücklich, wenn man die Jungs da auflaufen sieht“ sagt er. „Die haben das aber auch verdient, nicht nur von ihren fußballerischen Qualitäten her. Das sind einfach feine Kerls, charakterlich absolut top. Und so eine Jugendzeit, die geht ja nicht spurlos an einem vorbei. Schließlich hat man die Jungs in einer wichtigen Phase ihrer sportlichen und persönlichen Entwicklung begleitet. Das verbindet.“ Er hält kurz inne, dann sagt er: „Es ist ein bisschen so, als ob ein guter Freund von Dir auf den Platz aufläuft.“
Früher Abbruch der letzten Saison – ein Rückblick
Saisonabbruch – wie ein Damoklesschwert hing dieses Wort über der Saison 2020/21 der U17-Bundesliga West. Am 24. Oktober, dem 5. Spieltag, war es dann soweit. Beim 5:2-Heimsieg gegen die U17 des Wuppertaler trat Hecks junges Team zum vorerst letzten Mal zu einem Punktspiel an. Danach ruhten sowohl Spiel- als auch Trainingsbetrieb, bis im Januar 2021 zumindest in Kleingruppen wieder trainiert werden durfte. Eine schwierige Zeit für Trainer, Staff und Spieler. „Das war wirklich eine große Herausforderung“, sagt Heck. „Wir mussten uns einiges einfallen lassen, um die Jungs bei Laune zu halten. Neben Spielformen haben wir verstärkt athletische Elemente in die Übungseinheiten eingebaut und auch das „Schwächen-Training“, bei dem wir gezielt mit jedem Einzelnen an seinen Defiziten arbeiteten.“
“Das war wirklich eine große Herausforderung. Wir mussten uns einiges einfallen lassen, um die Jungs bei Laune zu halten.”
Was im Training nicht abgebildet werden konnte, war der Wettkampf. „Das war das, was die Jungs am meisten vermissten“, erläutert Heck. „Sie kamen zwar gerne zum Training, aber da sie zunächst keine Spiele bestreiten durften, fehlte das Ziel, auf das sie hintrainieren konnten.“ Dies änderte sich im März 2021, als die U17 einige Freundschaftsspiele unter anderem gegen Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund und Fortuna Düsseldorf bestritt, um sich wieder an den Wettkampfmodus zu gewöhnen.
Kaderveränderungen – Zu- und Abgänge
Wie in jedem Jahr gab es auch vor der Saison 2021/22 eine riesige Personalrochade. So verließen 20 Spieler die U17, von denen alleine 13 Akteure zur U19 des FC aufrückten, darunter mit Kapitän Meiko Wäschenbach, Nicolas Bajlicz und Damion Downs absolute Stützen des Teams. Den Verein verließen Luis Mankartz, der sich Fortuna Düsseldorf anschloss, Maximilian Bluhm und Tom Wieschebrock, die für die U19 des Bonner SC auflaufen werden, Luca de Meester de Tilbourg, den es zur Kölner Viktoria zog, Nick Rasoulinia, der zum FC Augsburg wechselte, sowie Tobias Pawelczyk, der zukünftig das Tor der U19 des SV Wehen Wiesbaden hüten wird.
Damion Downs beim Testspiel der U17 des 1. FC Köln gegen die U17 des BVB am 21.3.2021 (Foto: IMAGO/Herbert Bucco)
Dem stehen 22 Neuzugänge gegenüber, von denen alleine 14 Spieler von der U16 zur U17 des FC aufrückten. Darunter befinden sich mit Innenverteidiger Marlon Monning und Stürmer Aaron Bayakala zwei Akteure, die zum erweiterten Kader der neuen U17-Nationalmannschaft gehören. Aus der eigenen U15 stoßen mit Torwart Luis Hauer, Defensivakteur Nick Zimmermann und den beiden Mittelfeldspielern Fayssal Harchaoui und Abdul Malik Yilmaz vier Spieler zur U17 – eine außergewöhnlich hohe Zahl.
Vier Spieler wurden von der U15 hochgezogen
„Das hatten wir schonmal bei den 2002ern, die dann hinterher U17-Meister geworden sind“, erläutert Heck. „Das machen wir nur, wenn wirklich alles stimmt, von der fußballerischen Seite her, von der Trainierbarkeit und der Bereitschaft, ein Jahr zu überspringen. Dadurch, dass die vier das jetzt schon tun, haben sie die Chance, perspektivisch ein Jahr zu gewinnen. Im Jahr darauf können sie dann aus einer Basis heraus agieren, die schon ein bisschen weiter ist. Und eines ist klar: Alle diese Jungs haben die Qualität, U17-Bundesliga zu spielen, ob das Luis Hauer im Tor ist oder Nick Zimmermann, der körperlich schon sehr weit ist, Fayssal Harchaoui, bei dem überhaupt nicht auffällt, dass er jüngerer Jahrgang ist, so gut ist er schon, oder Malik Yilmaz, der technisch eine Klasse für sich ist.“
Bei der Niederlage gegen den BVB gehörte gerade der letztgenannte Abdul Malik Yilmaz, der vom DFB in den Kader der U16-Nationalmannschaft für zwei Länderspiele gegen Österreich berufen wurde, zu den auffälligsten Akteuren in den Reihen der U17. Wer weiß, wie die Partie ausgegangen wäre, wenn der Pfosten nicht zweimal den Abschlüssen des offensiven Mittelfeldspielers im Weg gestanden hätte. „Malik ist ein Spieler, dem man aufgrund seines technischen Könnens gerne zuschaut“, sagt Heck. „Er hat schon etwas Außergewöhnliches an sich. Aber er weiß auch, dass er körperliche Themen hat, an denen er arbeiten muss, um sich auf diesem Niveau durchsetzen zu können.“
Schließlich sollen vier externe Neuzugänge Martin Hecks Team verstärken. Innenverteidiger Julian Pauli wechselte von Borussia Dortmund zur U17 des 1. FC Köln – sehr zur Freude des Trainers. „Julian ist für uns ein eminent wichtiger Neuzugang“, erklärt Heck. „Er ist sehr abgeklärt, ein ganz feiner Junge, der unheimlich aufmerksam trainiert und ganz viel Qualität mitbringt – auch perspektivisch in Hinblick auf die U19.“
Was sie sonst noch über die U17 des 1. FC Köln wissen müssen
Mittelstürmer Luis Cortijo-Lange ist von Eintracht Frankfurt an den Rhein gekommen. Ausgerechnet in seinem letzten Spiel für die Hessen zog er sich eine schwere Knieverletzung zu. „Das ist natürlich extrem schade für Luis“, sagt Martin Heck. „Er hatte sich sehr auf den Wechsel zu uns gefreut und fällt nun noch einige Monate aus. Auch für uns ist das bitter, weil er uns im Sturmzentrum sehr fehlt“. so der Trainer der FC-U17. Auch um diesen Ausfall zu kompensieren, wurden Stürmer Tim Birkenheuer von Fortuna Köln und der flexibel einsetzbare Paul Gelber von Fortuna Düsseldorf verpflichtet.
Der Kader – gut gerüstet in Abwehr und Mittelfeld, Sorgen im Sturm
Insgesamt umfasst der Kader der U17 des 1. FC Köln 24 Akteure. Mit Ben Dennerlein, Luis Hauer und Benjamin Bussmann stehen drei Torhüter zur Verfügung. Die Defensive scheint mit Spielern wie Julian Pauli, Marlon Monning und Neo Telle sowie Nick Zimmermann, Matti Wagner und Jakob Krautkrämer gut gerüstet für die neue Saison. In Mittelfeld und Angriff können nach den Eindrücken der Vorbereitungsspiele unter anderem Justin Welter, Fayssal Harchaoui und Abdul Malik Yilmaz genauso zu Stützen des Teams werden wie die schnellen Aaron Bayakala und Marlon Becker. Das Sturmzentrum scheint dagegen weniger gut besetzt zu sein. Dort werden die verletzten Luis Cortijo-Lange und Kai Vranken schmerzlich vermisst. Zusätzlich drohen Paul Gelber und der torgefährliche Luca Heise zum Saisonstart auszufallen.
Die Vorbereitung – eine Steigerung von Spiel zu Spiel
Am 19. Juli nahm Martin Heck mit seiner Mannschaft die Vorbereitung auf die Saison 2021/22 auf. Nur fünf Tage später traf die U17 auf ihre Altersgenossen vom VfB Stuttgart – und verlor 2:4. Gegen die U17 von Fortuna Köln gab es eine Woche später ein torloses Unentschieden. „Beide Spiele muss man richtig einordnen“, sagt Heck. „Wir befanden uns erst kurze Zeit im Training, als wir auf die Stuttgarter trafen, die drei Wochen vor dem Start der B-Junioren Bundesliga Süd/Südwest standen und schon voll im Saft waren. Und gegen die Fortuna haben wir sehr viel ausprobiert, entsprechend oft durchgewechselt und einige Male nur Pfosten oder Latte getroffen.“
Martin Heck, Trainer der U17 des 1. FC Köln (Foto: IMAGO/Eduard Bopp)
Besser lief es in den Partien des zum ersten Mal ausgetragenen NRW-Ligapokals, in denen zunächst der SV Lippstadt und dann Rot-Weiß Essen jeweils mit 5:1 besiegt wurden. Stürmer Aaron Bayakala konnte sich in beiden Partien in die Torschützenliste eintragen. Im entscheidenden Spiel um den Gruppensieg unterlag Hecks Team der U17 des BVB mit 0:2, zeigte jedoch eine ansprechende Leistung. „Die Begegnung gegen Dortmund mussten wir nicht verlieren“, sagt Heck. „Wir haben mit Ball die Dortmunder stellenweise dominiert, aber uns fehlt halt vorne im letzten Drittel die absolute Entschlossenheit, vielleicht auch die letzte Qualität. Doch wie bei den anderen Partien ging es auch in diesem Spiel in erster Linie darum, die Inhalte, die wir trainieren, auch auf den Platz zu bringen. Und das haben die Jungs gut gemacht.“
“Doch wie bei den anderen Partien ging es auch in diesem Spiel in erster Linie darum, die Inhalte, die wir trainieren, auch auf den Platz zu bringen. Und das haben die Jungs gut gemacht.”
Das erste Spiel – eine schwierige Aufgabe in Münster
Die B-Junioren Bundesliga West wird in der neuen Saison als einfache Spielrunde gespielt mit nur 17 Spieltagen und 16 Partien für jeden Verein – was bei Trainer Martin Heck wenig Begeisterung auslöst. „Dieser Modus hat seine Tücken, denn er macht gefühlt jedes Spiel zu einem Endspiel, jeder Punkt kann entscheidend sein.“ Die erste Partie führt Hecks Team zur U17 von Preußen Münster, die am 11. September um 15 Uhr Gastgeber der Geißböcke sein wird. Traditionell sind die Münsteraner eine unangenehm zu bespielende Mannschaft, die es jedem Gegner schwer macht, drei Punkte zu ergattern. Dies spiegelt sich auch in Martin Hecks Einschätzung zum Spiel wider: „Preußen Münster ist eine sehr kompakte Mannschaft, die körperlich sehr stark ist. Wir werden dort nur bestehen können, wenn wir über das Kollektiv kommen und neben unseren spielerischen Möglichkeiten auch kämpferisch entsprechend dagegenhalten und eine hohe Laufbereitschaft an den Tag legen.“
Der Ausblick – der eigene Nachwuchs als Lebensader für den 1. FC Köln
Die U17 des 1. FC Köln geht mit einem völlig veränderten Gesicht in die neue Saison. Die Mannschaft wird sich finden müssen, wobei die Spiele im NRW-Ligapokal Grund zur Hoffnung geben können, dass dieser Prozess stetig voranschreitet und sich ein Team herauskristallisiert, dass den Hochkarätern der Liga aus Dortmund, Mönchengladbach, Schalke und Leverkusen das Leben schwer machen kann.
“Ich gehe nicht in die Saison mit dem Anspruch, dass wir wieder um die Deutsche Meisterschaft mitspielen, das wäre auch nicht richtig.”
Trainer Martin Heck schätzt das Potenzial seiner Mannschaft so ein: „Ich gehe nicht in die Saison mit dem Anspruch, dass wir wieder um die Deutsche Meisterschaft mitspielen, das wäre auch nicht richtig. Wir wollen im oberen Drittel mitmischen, wissen aber, dass wir nicht die Einzelspieler haben, die ein Spiel alleine entscheiden können. Ich sehe uns eher in der Verfolgerrolle, wobei unser Anspruch sein muss, am Ende unter den ersten fünf in der Tabelle zu sein. Wenn wir das weiter so machen wie bisher, mache ich mir keine Sorgen, dass uns das auch gelingen wird.“
Meiko Wäschenbach beim Testspiel der U17 des 1. FC Köln gegen die U17 des BVB am 21.3.2021 (Foto: IMAGO/Herbert Bucco)
Wichtiger noch als Punkte, Tore und Meistertitel ist die individuelle Entwicklung der Spieler, die Heranführung an das Leistungsniveau der U19 durch gezieltes Fördern und Fordern. Hier zeigt sich der Coach durchaus optimistisch. „Wenn die Jungs weiter hart an sich arbeiten und von Woche zu Woche besser werden, bin ich zuversichtlich, dass sie eine gute Entwicklung nehmen. Und da glaube ich, dass wir zwei, drei Spieler im Kader haben, die frühzeitig in die U19 hochgehen können.“
Die Verantwortlichen des Geißbockclubs werden dies gerne hören, sind doch die eigenen Talente gerade für einen finanziell so gebeutelten Klub wie den 1. FC Köln so etwas wie eine Lebensader, die für einen weiteren Verbleib in der Beletage des deutschen Fußballs unerlässlich scheint. Auch deshalb, aber nicht nur deswegen ist es Trainern wie Martin Heck zu wünschen, dass die Quelle an begabten Nachwuchsspielern beim FC nie versiegen möge, damit der Zustrom an Spielern wie Jan Thielmann, Tim Lemperle und Jonas Urbig ungebrochen bleibt. Zur Steigerung der sportlichen Qualität der Profimannschaft, zur Sicherung der finanziellen Existenz des Vereins – und zur Freude seiner Fans.