Mitarbeit: Lisa Lormann
Am Ende ging es dann abermals richtig schnell für Sebastiaan Bornauw: Hatte der 20-jährige Abwehrspieler Ende Juli noch beim Auftaktspieltag der belgischen Jupiler-League noch in der Startelf des RSC Anderlecht gestanden, heißt sein Arbeitgeber nur eine Woche später 1. FC Köln. Der U21-Nationalspieler seines Landes, der im Sommer noch bei der U21-EM für Belgien gespielt hatte, wechselt für eine kolportierte Ablösesumme von knapp sieben Millionen Euro zu den „Geißböcken“, wo er einen Fünfjahresvertrag erhält.
Viel Geld für einen Innenverteidiger, der in der vergangenen Saison als Eigengewächs beim erfolgsverwöhnten Renommierclub seinen Durchbruch schaffte. „Sebastiaan passt genau in unser Anforderungsprofil. Er ist ein junger Spieler, der auf dem Platz aggressiv agiert und sehr kopfballstark ist. Er ist nicht nur eine Verstärkung für unseren aktuellen Kader, sondern eine Investition in die Zukunft unseres Teams“, sagte effzeh-Geschäftsführer Armin Veh bei der Verkündung des Transfers, der sich erst zu Beginn der Woche abgezeichnet hatte.
„Wir bekommen einen jungen 20-jährigen, dynamischen, aggressiven, groß gewachsenen und körperlich schon recht starken Innenverteidiger, der das schon macht, was wir reinbringen wollen. Er attackiert nach vorne und ist mutig im Spielaufbau. Ich freue mich riesig, dass wir das realisieren konnten“, frohlockte FC-Coach Achim Beierlorzer. „Sebastiaan erfüllt alle Kriterien, die wir für diese Position vorgesehen haben. Das ist insgesamt ein Abschluss unserer Transferperiode, wie ich ihn mir hätte besser nicht wünschen können.“
Bornauw der Lichtblick in Anderlecht – Interesse aus Barcelona?
Die Lobeshymnen kommen nicht von ungefähr: Bornauw hatte in der vergangenen Spielzeit seine Qualitäten mehr als nur angedeutet. In einer schwierigen Saison für den belgischen Rekordmeister, der am Schluss sogar die Qualifikation für den Europapokal verpassen sollte, biss sich der 1,91 Meter große Abwehrhüne durch und zeigte sich in der Defensive der Violett-Weißen zunehmend als Fels in der Brandung.
„Ein Lichtblick in einer harten Saison“ – so titelten die Medien über die Leistungen des blutjungen Innenverteidigers, der angeblich auch vom FC Barcelona beobachtet wird. Auch eine Knie-Operation im Februar hielt seine Entwicklung nicht entscheidend auf, Bornauw war trotz seines jungen Alters Führungsfigur und Abwehrchef bei seinem Heimatverein. Dabei hatte der Youngster noch im vergangenen Sommer mit einem temporären Abschied aus Anderlecht geliebäugelt, eine Leihe nach Ostende zu seinem alten Trainer aus der U19-Nationalmannschaft stand im Raum.
“Mein Heimdebüt werde ich nie vergessen. Das ist doch das Ziel, auf das man hinarbeitet. Es ist ein wahr gewordener Traum.”
Doch Bornauw blieb beim Team aus dem Vorort der belgischen Hauptstadt Brüssel und schaffte, was er sich für die Spielzeit vorgenommen hatte. Sich weiterzuentwickeln, viel zu lernen: Das waren die Ziele des jungen Blondschopfes, der als Junioren-Nationalspieler als große Hoffnung bei dem auch als „Sporting“ bezeichneten Club galt. „Ich wollte meinen Traum nicht aufgeben“, betont Bornauw, der das Vertrauen des Anderlecht-Trainers Hein Verhaezebrouck genießt.
In Marokko zum Fußball gekommen
Nach seinem Debüt in der Auftaktpartie Ende Juli 2018 in Kortrijk, als er von Beginn für Anderlecht verteidigen durfte, folgte dann das vorläufige Highlight seiner Karriere: Gegen Mouscron stand Bornauw erstmals für die Profimannschaft der Violett-Weißen in einem Heimspiel auf dem Feld. „Das werde ich nie vergessen, weil ich schon sehr lange in der Jugendabteilung war. Das ist doch das Ziel, auf das man hinarbeitet. Es ist ein wahr gewordener Traum“, betonte das Eigengewächs nach seinem Debüt vor den eigenen Fans.
Von da an ging es sehr schnell für Bornauw: Denn auch wenn es sportlich für Anderlecht nicht gut läuft in der vergangenen Saison, beim Abwehrspieler aus dem eigener Nachwuchs geht die Entwicklung steil nach oben. Eine Entwicklung, die an einem für einen Belgier ungewöhnlichen Ort begann. Seine ersten fußballerischen Schritte unternimmt der junge Sebastiaan nämlich in Casablanca beim dortigen Spitzenclub Wydad AC.
Auf der nächsten Seite: der familiäre Hintergrund und die Entwicklung zum Abwehrchef.
“Mein Vater musste für seine Arbeit viel umziehen und wir sind ihm gefolgt. Zum Beispiel habe ich zwei Jahre in Paris gelebt, danach sind wir für zwei Jahre nach Marokko gezogen, wo ich mit Fußball begonnen habe”, erklärte Bornauw einst in einem Interview und fügte mich einem Lachen hinzu: „Der Trainer hat einfach einen Ball gegeben, zwei Tore auf den Platz gestellt und gesagt, wir sollen nun anfangen zu spielen“, so der Belgier, der die Zeit in Casablanca trotz seiner jungen Jahre als prägend empfand: „In Marokko habe ich gelernt, dass man hart arbeiten muss, um etwas zu erreichen. Eine solche Auslandserfahrung bereichert dich.“
Doch nicht nur die Zeit im Ausland bereichert den Erfahrungsschatz des jungen Fußballers, auch im Sport geht Bornauw ungewöhnliche Wege. Ist er zu Beginn seiner Fußballkarriere auch nach der Rückkehr in sein Heimatland noch als Stürmer unterwegs, kommt er seit seinem 14. Lebensjahr in der Abwehr zum Einsatz. „Ich spiele lieber weiter hinten, dort habe ich mehr Übersicht und Kontrolle und kann die Mannschaft dirigieren. Das passt mir sowieso besser”, erklärt der Abwehrhüne, der nach einem kurzen Gastspiel beim FCV Dender EH in den Nachwuchs des RSC Anderlecht wechselt, die Hintergründe seines Positionstausches.
Bornauw: “Ich habe die Anderlecht-DNA”
Sein Wechsel in die Defensive zahlt sich für Bornauw aus: In den belgischen Junioren-Nationalmannschaft ist er gesetzt, spielt für sein Heimatland bei U17- und U19-Europameisterschaften und verteidigt für den RSC Anderlecht in der Youth League auf höchstem Niveau. Die Karriere scheint vorgezeichnet für den talentierten Abwehrspieler: Beim Rekordmeister ausgebildet gilt Bornauw, der durch den ehemaligen Bundesliga-Verteidiger Daniel van Buyten („Sebastiaan hat enorme Qualitäten“) beraten wird, als zukünftiger Abwehrchef in Anderlecht.
“Ich bin kein Großmaul. Nie abheben, immer mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und immer hart arbeiten – so bin ich erzogen worden.”
Eine Prophezeiung, die sich 2018 erfüllen sollte. Der baumlange Innenverteidiger überzeugt mit seiner abgeklärten Spielweise, ist im Zweikampf schwierig zu überwinden und besonders in der Luft defensiv wie offensiv eine Waffe. Für einen Abwehrspieler seiner Größe ist Bornauw dazu erstaunlich schnell im Antritt und der Endgeschwindigkeit. Die rasante Entwicklung scheint ihn daher nicht zu irritieren: „Die Umstände haben die Dinge vorangetrieben, aber ich mag es, wenn es schnell geht. Wenn mein Glück nur langsam eintreffen würde, würde ich ungeduldig werden. Ich bin erst 19 Jahre alt, aber das Alter spielt keine Rolle, es ist nur eine Zahl“, betont das Defensivtalent nach seinem Durchbruch.
Mit 19 Jahren Abwehrchef bei Anderlecht
Bornauw, der Abwehrchef. Auch weil der baumlange Innenverteidiger sich nicht scheut, trotz seiner jungen Jahren bereits Verantwortung zu übernehmen. „Ich kommuniziere so viel wie möglich, weil ich in der Umkleidekabine bin und Französisch, Niederländisch und Englisch spreche. Ich fühle mich bereit, diese Rolle des Abwehrchefs zu übernehmen, wenn der Trainer mich fragt“, gab sich Bornauw, in der Jugend oft als Mannschaftskapitän in Aktion, bereits in seiner Debütsaison selbstbewusst.
Foto: JEAN-FRANCOIS MONIER/AFP/Getty Images
Dass er zu diesem Zeitpunkt erst 19 Jahre alt ist, stört ihn dabei wenig: „Alter ist nur eine Zahl. Außerdem ist in diesem Zusammenhang jeder Spieler verpflichtet, seine Verantwortung zu übernehmen, egal ob sie 19, 28 oder 37 Jahre alt sind“, so der Youngster, der kurz darauf trotz der sportlichen Krise beim Rekordmeister öffentlich vom Titel spricht. „Ich habe die Anderlecht-DNA“, erklärt Bornauw. Das heißt übersetzt: Für ihn gibt es als Eigengewächs des Renommierclubs nur ein Ziel – und das ist der größtmögliche Erfolg.
Trainerlaufbahn nach der aktiven Karriere angestrebt
Solch große Töne sind allerdings Mangelware in der Karriere des Sebastiaan Bornauw. Das Abwehrtalent gilt als reflektierter, intelligenter Kerl, der auf dem Boden geblieben ist. „Ich bin kein Großmaul. Nie abheben, immer mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben und immer hart arbeiten – so bin ich erzogen worden“, betont Bornauw. „Ich denke, dass es zu einem großen Teil an meiner Persönlichkeit liegt, aber der Club hat dabei natürlich auch geholfen“, lobt der Abwehrspieler seine Ausbildung in der Nachwuchsabteilung des RSC Anderlecht, wo er als Teil der „Purple Talents“ enorm gefördert wurde. Dennoch ging das Top-Talent währenddessen weiter mit Nicht-Fußballern auf eine normale Schule.
Doch seine Gedanken kreisen zunehmend um das Spiel. „Taktik fasziniert mich. Über das bestmögliche System nachzudenken hat mich schon immer interessiert. Ich habe vor, nach meiner Karriere Trainer zu werden“, erklärt der als äußerst selbstkritisch geltende Bornauw, der jedes seiner Spiele intensiv analysiert, zu seinen Zukunftsplänen nach der aktiven Karriere. Um sich auch neben dem Sport anderweitig zu beschäftigen, beginnt er mit Klavierstunden. „Es ist wichtig, nicht den ganzen Tag an Fußball oder PlayStation zu denken“, erläutert er seine Beweggründe für das eher ungewöhnliche Hobby.
Auf der nächsten Seite: ein Traum, der sich erfüllt und ein schneller Wechsel.
Gewöhnlicher dagegen die Wahl seiner Vorbilder. Zum einen Carles Puyol. Ein Anführer mit Herz, eine große Persönlichkeit, wie Bornauw sagt. Und natürlich Vincent Kompany, der belgische Vorzeige-Verteidiger. Wie Bornauw aus der Jugend des RSC Anderlecht. „Eine unglaubliche Persönlichkeit, auf und neben dem Platz ist er ein echter Anführer. Auch auch sein Spielstil gefällt mir sehr gut“, erklärt das Eigengewächs der Violett-Weißen.
Wie der Zufall will, kreuzen sich die Wege der beiden belgischen Verteidiger, wenn auch nur für wenige Wochen. Kompany übernimmt nach seinem Abschied von Manchester City die Rolle als Spielertrainer in Anderlecht, soll mit all seiner Erfahrung und all seiner unbestrittenen sportlichen Qualität den Neuaufbau beim Rekordmeister vorantreiben. An der Seite seines Idols spielen – das ist für Sebastiaan Bornauw eine riesige Herausforderung.
Ein Traum geht in Erfüllung – wenn auch nur für ein Spiel
„Das ist ein ganz besonderer Moment“, sagte der junge Abwehrspieler nach der Verkündung der Verpflichtung des legendären Innenverteidigers. „Ich war so glücklich, weil ich immer zu ihm aufgeschaut habe. Das sind die Top-Nachrichten für den Verein – und besonders für die jungen Spieler. Wir können viel von ihm lernen“, schwärmte Bornauw, der allerdings auch um den erhöhten Konkurrenzkampf wusste: „”Es liegt an mir, den Platz neben ihm zu erkämpfen. Neben Vincent zu spielen, wäre ein Traum“, betonte er noch im Sommer.
“Ich werde Anderlecht immer dankbar sein, aber das war eine großartige Gelegenheit. Köln wollte mich wirklich und das ist besser für meine Entwicklung!”
Dieser Traum – er sollte sich für den Blondschopf noch einmal vor seinem Abschied aus Anderlecht erfüllen. Bei der 1:2-Heimniederlage gegen Ostende zum Auftakt der Saison verteidigte er neben Kompany in der Innenverteidigung der Violett-Weißen. Es sollte Bornauws letztes Spiel für seinen Heimatverein bleiben – eine Woche später stand der Abwehrhüne nicht mehr im Kader. Angeblich, so wird aufgrund seiner Ausbootung kolportiert, soll der Rechtsfuß aufgrund von fußballerischen Schwächen nicht in das neue System, das Kompany in Anderlecht spielen lassen will, passen.
Foto: 1. FC Köln
Es konkretisieren sich Gerüchte um einen Wechsel zum 1. FC Köln, bevor am Dienstag der Transfer schließlich perfekt gemacht wird. “Ich habe in den letzten Tagen gezweifelt”, sagte er nach seiner Verpflichtung durch den Bundesliga-Aufsteiger zur belgischen Tageszeitung „Het Laatste Nieuws“, betonte aber nochmals ausdrücklich: “Anderlecht ist nach wie vor die Mannschaft meines Herzens und der Verein, der mich geprägt hat. Ich musste auf keinen Fall gehen und hatte ein perfektes Verhältnis zu Kompany. Ich werde Anderlecht immer dankbar sein, aber das war eine großartige Gelegenheit. Köln wollte mich wirklich und das ist besser für meine Entwicklung. ”
“Der FC ist ein Club mit Tradition und tollen Fans”
Eine Entwicklung, die in der vergangenen Saison so rasant verlief wie nun sein Abschied aus Anderlecht. Eine Entwicklung, die nun beim 1. FC Köln in der Bundesliga weitergehen soll. „Das ist eine unheimlich starke und populäre Liga, die ich natürlich auch schon in Belgien verfolgt habe. Der FC ist ein Club mit Tradition und tollen Fans, die im Stadion für eine großartige Atmosphäre sorgen. Das mag ich sehr und darauf freue ich mich“, betonte Bornauw bei seiner Verpflichtung.
Er tritt dabei in große Fußstapfen: Vom RSC Anderlecht wechselte niemand Geringeres als der einstige effzeh-Verteidiger und -Trainer Morten Olsen in die Domstadt. Und die Rückennummer 33, die der Blondschopf in der kommenden Spielzeit tragen wird, gehörte bis zum Sommer noch Matthias Lehmann. Viel Zeit zur Eingewöhnung wird der 20-jährige Belgier nicht bekommen – schließlich steht schon in zehn Tagen der Auftakt in die Bundesliga beim VfL Wolfsburg auf dem Programm, zuvor bekommt es der effzeh im DFB-Pokal mit Zweitliga-Aufsteiger Wehen Wiesbaden zu tun. Doch mit Geschwindigkeit, da kennt sich Sebastiaan Bornauw in seiner Karriere wahrlich sehr gut aus.