Es ist geschafft: Der 1. FC Köln hat nach drei Niederlagen zum Bundesliga-Start die Negativspirale vorerst gestoppt. Durch das hart erkämpfte 1:1 gegen Eintracht Frankfurt, das Ondrej Duda (52.) mit seinem Ausgleichstreffer nach dem Seitenwechsel sicherstellte, können die „Geißböcke“ im vierten Spiel den ersten Punktgewinn der neuen Saison verbuchen. Doch zur vollen Wahrheit zählt auch: Der FC wartet nun seit 14 Spielen in der höchsten deutschen Spielklasse auf einen Sieg, so dass das Remis gegen die Hessen keinen kompletten Befreiungsschlag darstellt.
Ist das Kölschglas nun also halbvoll oder halbleer? Die Optimisten unter den FC-Fans dürfen die offenkundige Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit für sich verbuchen, als die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol durch hohe Intensität und einer klareren Spielweise die Partie gegen die zuvor gut gestarteten Frankfurter auf Augenhöhe bestritten. Die Pessimisten im Kölner Anhang dagegen dürfen mit Fug und Recht auf die schwachen ersten 45 Minuten verweisen, als den „Geißböcken“ besonders im Spiel nach vorne nichts gelang und auch der Abwehrverbund abermals einen individuellen Bock schoss.
Defensiv verbessert, aber längst noch nicht gut
So blieb auch trotz des erstmaligen Punktgewinns in dieser Saison ein fader Beigeschmack, denn neben etlichen Mutmachern waren erneut die üblichen Probleme im Kölner Spiel offen zu Tage getreten. Nach einem eigentlich defensiv äußerst soliden Auftritt war es abermals ein individueller Fehler, der zu einem Gegentor führte. Sebastiaan Bornauw kam gegen Frankfurts auffälligen Spielmacher Daichi Kamada im Strafraum einen Hauch zu spät in den Zweikampf, Schiedsrichter Sven Jablonski entschied nach Ansicht der TV-Bilder auf Elfmeter, den Andre Silva souverän verwandelte (45.+2). 0:1 quasi mit dem Pausenpfiff: Ein echter Nackenschlag für den 1. FC Köln, der gegen die SGE zwar nicht gut in der ziemlich niveauarmen Partie war, aber die Gäste ebenfalls nicht in den Rhythmus kommen ließ.
“Es ist nicht nur Pech, wenn man bereits drei Elfer gegen sich bekommen hat.”
– Sebastiaan Bornauw
Der dritte leichtfertig verschuldete Strafstoß in dieser Saison übrigens gegen die Gisdol-Elf, der fünfte grobe individuelle Schnitzer beim achten Gegentor dieser Spielzeit. Vor 15 Bundesliga-Partien spielten die „Geißböcke“ letztmals zu Null (beim 3:0 gegen den FC Schalke 04), seitdem kassierte der FC satte 35 Gegentreffer. Erschreckende Zahlen – gerade im Abstiegskampf, wo eine solide Defensive zumeist den Rettungsanker darstellt. Dass es bei den 35 Gegentreffern blieb, hatten die Kölner neben der soliden Endverteidigung durch den zweikampfstarken Innenblock Bornauw/Czichos, der sowohl Silva als auch Bas Dost über die nahezu komplette Spielzeit im Griff hatte, auch der Leichtfertigkeit der Eintracht zu verdanken, die keinesfalls im oberen Segment ihrer offensiven Leistungsfähigkeit agierte.
Welcher Plan? Der FC auf der Suche nach Balance
Wie unangenehm die Hessen dennoch zu bespielen sind, musste der FC in der ersten Halbzeit leidvoll erfahren. Gegen den Ball zeigte sich die SGE hervorragend organisiert, setzte die „Geißböcke“ immer wieder weit in deren Hälfte unter Druck und zerstörte so jedweden geordneten Spielaufbau der Kölner. Deren Antwort gegen das Frankfurter Pressing: Viele lange Bälle aus der Not, viele technische Fehler und Unsauberkeiten selbst in „sicheren“ Situationen. Welchen Plan die Gisdol-Elf auf dem Weg nach vorne verfolgte, war abseits des aus der Kreisliga bewährten „Hoch und weit bringt Sicherheit“ über lange Strecken einer spielerisch enorm schwachen ersten Hälfte nicht zu erkennen. Gerade im Passspiel zeigte der FC bis zum Seitenwechsel die altbekannten Schwächen, geriet bei einfachsten Pressingsituationen ins Schwimmen und konnte aufgrund einer Vielzahl an unpräzisen Zuspielen die sich bietenden Räume nicht nutzen.
Foto: imago images / Herbert Bucco
Das lag schlichtweg an mehreren Faktoren: Zum einen nutzte die Eintracht die Unsicherheiten im Spielaufbau bei einzelnen Kölner Kickern wie Kingsley Ehizibue oder dem über die komplette Spielzeit sehr fahrig agierenden Elvis Rexhbecaj, um sich die für ihr Offensivspiel notwendigen Ballgewinne zu organisieren. Andererseits gelang es den Gästen, die aus Ellyes Skhiri als tiefer Sechser und dem offensiv im Zehnerraum agierenden Ondrej Duda bestehende FC-Schaltzentrale zur Wirkungslosigkeit zu verdammen. Insbesondere der slowakische Spielmacher konnte einem angesichts des Hagels an langen Bällen in den ersten 45 Minuten leid tun, aber auch seine vereinzelten Aktionen litten wie die seiner Mitspieler an der notwendigen Klarheit und Präzision. Dass sich etwas ändern muss, schien allen Kölner Beteiligten zur Pause klar zu sein. Nur was, in Anbetracht der hoffnungs- und harmlosen Spielanlage?
Auf der nächsten Seite: Der Kopf kann auch beim 1. FC Köln das dritte Bein sein
Wie dicht Freud und Leid im Fußball beieinanderliegen können und wie oft Analyse doch nur Ex-Post-Erklärung ist, wurde dann nach Wiederbeginn klar: Erst ließ Kamada für die gut aus der Kabine gekommene SGE das 2:0 liegen, fast im Gegenzug kombinierten sich die „Geißböcke“ zum Ausgleich. Ehizibue ließ nach Doppelpass mit Marius Wolf Frankfurts Sechser Sebastian Rode aussteigen und flankte mustergültig ins Zentrum, wo Duda heranrauschte und mit seinem ersten Treffer im FC-Dress das 1:1 erzielte (52.). Die erste konsequente durchgespielte Angriffsaktion der Kölner führt direkt zum Erfolg, auch weil sich die Gisdol-Elf zunehmend dem Zugriff der Eintracht entziehen und die Partie nach dem Seitenwechsel dementsprechend deutlich offener und deutlich offensiver gestalten konnte.
Wie sehr dieser Ausgleich die labile Gemütslage der sichtbar angeknockten „Geißböcke“ aufhellte, war in der zweiten Halbzeit dann auch spielerisch wahrnehmbar. Nach einem weiteren Angriff mit dem notwendigen Tempo konnte Frankfurts Keeper Dudas Kopfballtorpedo gerade noch so eben entschärfen. Frei nach Christoph Daums Motto „Wenn der Kopf richtig funktioniert, ist er das dritte Bein“ spielten sich die Kölner nun frei und waren in einer mit offenem Visier geführten Hälfte auf Augenhöhe mit den Frankfurtern, die allerdings dadurch auch zu einigen aussichtsreicheren Gelegenheiten kamen. Almamy Toure kam gleich doppelt gefährlich zum Kopfball, Dost und Amin Younes hatten ebenfalls Abschlusschancen. Aber, anders als in der ersten Hälfte, konnte auch der FC vorne Gefahr erzeugen: Ismail Jakobs hatte etwas kurios im Liegen das 2:1 auf dem Fuß, in der Nachspielzeit verzog der eingewechselte Anthony Modeste aus der Distanz nur knapp.
Tempo als entscheidender Faktor im Kölner Spiel
Gerade die vielversprechenden Situationen im zweiten Durchgang zeigen, wie sehr der FC auf Geschwindigkeit als entscheidenden Faktor angewiesen ist. Jakobs bewies bei seinem Saisondebüt, wie wichtig er durch seine Athletik und seinem Zwei-Wege-Spiel, um einen Begriff aus dem Eishockey zu entlehnen, für die Stabilität der Mannschaft von Trainer Markus Gisdol ist. Zwar harmoniert der Linksaußen auf seiner Seite noch nicht optimal mit seinem defensiven Konterpart Jannes Horn, doch durch sein Tempo fügte das von einer Oberschenkelverletzung wiedergenesene Eigengewächs dem Team eine weitere Dimension hinzu. Diese Qualitäten durch schnelles und präzises Umschaltspiel in die Waagschale zu werfen, davon hängt offenbar das sportliche Wohl und Wehe des 1. FC Köln ab. Und diese Intensität über 90 Minute zu zeigen wird die primäre Aufgabe für die kommenden Wochen werden.
“Wir haben den Fight angenommen und alles reingeworfen. Da können wir uns keinen großen Vorwurf machen.”
– Marius Wolf
Dass das ein Erfolgsrezept sein kann, dafür müssen die Verantwortlichen am Geißbockheim nicht einmal in die starke Phase zu Beginn des Jahres gucken. Insbesondere der Auftritt im zweiten Durchgang gegen unangenehm zu bespielende Frankfurter sollte den „Geißböcken“ Mut machen. Exemplarisch dafür steht sicherlich Torinitiator Kingsley Ehizibue, der nach einer vor allem fußballerisch schwachen ersten Hälfte nach dem Seitenwechsel aufdrehte. Neben der Vorlage zu Dudas Ausgleichstreffer bereitete der Niederländer durch seine Flankenläufe noch zwei weitere Torschüsse vor, dazu biss sich der Rechtsverteidiger mit zunehmender Spieldauer auch defensiv in die Partie und hatte mit 75 Prozent gewonnenen direkten Duellen die beste Zweikampfquote aller Spieler. Es sind auch die kleinen Mutmacher, die nach diesem Punktgewinn im Fokus stehen dürften.
Die Aufgabe für die anstehenden Aufgaben: 90 Minuten auf Sendung sein
Dennoch: Es bleibt weiterhin viel Luft nach oben für die Gisdol-Elf. Der FC zeigte gegen die Eintracht einmal mehr zwei Gesichter, kam erneut nicht gut in die Partie und hatte auch das nötige Quäntchen Glück, dass sich diese Schwächephase nicht deutlicher auf der Anzeigetafel bemerkbar machte. Über 90 Minuten „auf Sendung sein“, wie es Markus Gisdol immer wieder formuliert, das gelang den „Geißböcken“ auch an diesem Bundesliga-Sonntag nicht. Deshalb reichte es gegen die Eintracht zwar zum ersten Schritt aus der Krise, aber noch nicht zum erhofften Befreiungsschlag. Und auch wenn sich die Kölner im Vergleich zum desaströsen Derby vor allem defensiv deutlich verbessert präsentieren konnten: Besser ist für den 1. FC Köln derzeit schlichtweg noch nicht ausreichend.
Foto: imago images / Moritz Müller
Doch der Punktgewinn gegen formstarke Frankfurter sollte nicht unterschätzt werden, zumal er besonders durch die Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit für die „Geißböcke“ auch verdient daherkam. Das 1:1 war über 90 Minuten hinweg dann wohl ob der höheren Intensität nach dem Seitenwechsel mehr eine Willenssache, auch der Nackenschlag vor der Pause ließ das instabile Gebilde der neu zusammengestellten FC-Mannschaft letztlich nicht einstürzen. Und nicht nur der Blick in die vergangenen Saison, sondern auch die 120 Sekunden nach Wiederbeginn zeigen: Es kann im Fußball schnell in die andere Richtung gehen. Besonders, wenn das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten langsam zurückkehrt. Ist das Kölschglas nun also halbvoll oder halbleer? Vermutlich wird sich das schon am Freitag beim VfB Stuttgart zeigen.