Eigentlich lief beim 1. FC Köln im Derby gegen Fortuna Düsseldorf 88 Minuten alles ziemlich erwartbar. 0:2 lagen die „Geißböcke“ wenige Augenblicke vor dem Abpfiff noch hinten und boten wenig Anlass zur Hoffnung, dass an diesem Sonntagabend noch ein Punkt eingefahren werden konnte. Kein ungewohntes Bild in einem Nachbarschaftsduell für den FC, dessen Derbymodus auch in dieser Partie über weite Strecken wieder einmal aus Lethargie und Unvermögen bestand.
Erwartungsgemäß, weil mit Timo Horn in der Woche vor dem Spiel ein Kölner Kicker die alte Platte von Wiedergutmachung auflegte. Erwartungsgemäß, weil der 1. FC Köln eine große Chance hatte, den Klassenerhalt bereits weit vor Saisonende praktisch unter Dach und Fach zu bringen. Erwartungsgemäß, weil die tabellarisch vor der Elf von Markus Gisdol einsortierte Konkurrenz im Vorfeld des Aufeinandertreffens der rheinischen Rivalen nahezu allesamt perfekte Vorlagen geliefert hatten. Dass es am Ende dennoch für einen Zähler reichte, war dann eine Mischung aus Qualität und Verzweiflung.
Probleme im Spielaufbau offenkundig
Bis in die Schlussphase hinein hatten die „Geißböcke“ große Sorgen, sich konstruktiv vielversprechende Abschlusspositionen zu erspielen. Früh störte die Fortuna den Spielaufbau der Kölner und deckte damit eine Schwäche der Gisdol-Elf gnadenlos auf. Immer wieder musste der FC in der ersten Halbzeit entweder den langen Schlag auspacken oder aber risikoreich aus der eigenen Defensive herauskombinieren. Dabei lenkten die Düsseldorfer das Spiel häufig auf Toni Leistner, der als Rechtsfuß in der linken Innenverteidigerposition anfällig für Pressingsituationen ist und sich gleich mehrere Fehlpässe leistete, oder auf die Außenverteidiger der Kölner.
“Es gilt, aus so einem Spiel zu lernen und andere Mechanismen entwickeln, um uns nicht verunsichern zu lassen.”
Das unterband den Offensivdrang der Gastgeber besonders in der ersten Halbzeit effektiv und sorgte für die beiden gefährlichsten Szenen vor dem Seitenwechsel. Erst scheiterte Karaman nach einem schlimmen Leistner-Fehlpass noch an Horn, nach einem ähnlichen Fauxpas von Katterbach klingelte es dann kurz vor dem Pausenpfiff doch noch im Kölner Tor. Im zweiten Durchgang zog sich die Fortuna dann zunehmend zurück, so dass der FC dann weniger Sorgen hatte, den Ball zumindest aus der eigenen Gefahrenzone herauszubringen. Für mehr offensive Durchschlagskraft sollte das allerdings nicht so recht sorgen.
Das Zentrum ist noch kein Faktor
Das lag auch daran, dass insbesondere Jonas Hector und Ellyes Skhiri von den Düsseldorfern lange Zeit in der Partie abgemeldet wurden. Die beiden defensiven Mittelfeldspieler mühten sich zwar nach Leibeskräften, sowohl das Angriffsspiel der eigene Mannschaft anzukurbeln als auch den Offensivdrang des spielstarken Fortuna-Zentrums um den auffälligen Kevin Stöger einzubremsen, doch letztlich gab das Duo wie schon in der Vorwoche gegen Mainz nur leidlich die ordnende Hand vor der FC-Abwehr. Ebenso unglücklich agierte Mark Uth auf der offensiven Zentrumsposition – nicht nur aufgrund seines verschossenen Elfmeters.
Foto: Witters/Pool/imago Images
Das offenbarte ein Gesicht, das der FC schon gegen Mainz zeigte. Schaffen die „Geißböcke“ es nicht, die eigenen Reihen in der Spielfeldmitte zu schließen und selber aus diesem Bereich Akzente zu setzen, tut sich die Mannschaft schwer, konstruktiv nach vorne zu agieren. Dafür sind im Spielaufbau die Außenverteidiger zu fehleranfällig, das Innenverteidiger-Duo nicht spielstark genug. Wenn dann die langen Bälle auf Cordoba nicht funktionieren, hat es jede Mannschaft der Welt schwierig, sich offensiv Chancen zu erspielen. Gerade im Mittelfeldzentrum muss sich Markus Gisdol also Gedanken machen, um den Druck des Gegners gegen den Ball ins Leere laufen zu lassen – und dabei gleichzeitig die eigene Ordnung nicht zu vernachlässigen.
Gisdols goldenes Händchen trotz fragwürdiger Umstellungen
Wie das ins Auge gehen kann, bekam der Aufsteiger gleich mehrfach vorgeführt. Vor dem 0:1 war es ein simpler Ballverlust, der die eigene Defensive in Unordnung brachte. Beim zweiten Gegentreffer durch Erik Thommy musste sich der FC nach einem Dreifachwechsel und der Umstellung auf Dreierkette noch sortieren. Gisdol hatte mit Anthony Modeste, Jorge Meré und Dominick Drexler drei Spielertypen gebracht, die auf dem Feld in verschiedenen Ansätzen für Veränderungen sorgen sollten. Modeste in vorderster Front sollte seine Wucht in die Waagschale werfen, Drexler zwischen den Linien der Fortuna Unruhe stiften und Meré mit seiner fußballerischen Qualität als Mittelmann der Dreierkette spielerische Impulse aus der Defensive bringen.
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sich aufmerksam, die Umstände machen den “Geißböcken” zu schaffen
Eigentlich aber waren es Veränderungen, die gegen die Spielweise der Düsseldorfer in der ersten Halbzeit geeignet gewesen wären. Zwei Stoßstürmer für die langen Bälle, Meré für den gepflegten Spielaufbau und Drexler als geeignete Relaisstation – das hätten Optionen sein können, um das hohe und laufintensive Pressing der Gäste aus der Landeshauptstadt verpuffen zu lassen. Dennoch darf sich FC-Coach Gisdol rühmen, das richtige Näschen gehabt zu haben. Drexler bereitete von der rechten Seite zunächst den Anschlusstreffer durch Modeste vor, danach zeichnete er für die Vorlage zu Cordobas 2:2 verantwortlich. Kopfballtreffer 13 und 14 in dieser Saison übrigens für den 1. FC Köln – das ist Bundesliga-Bestwert.
Die Bank macht auf sich aufmerksam
Und obwohl der FC 88 Minuten eigentlich alles schuldig geblieben war, was ein Team im Derby auf den Rasen bringen sollte, konnten alle Beteiligten neben dem Punktgewinn noch so einige positive Aspekte aus der Partie mitnehmen. Nicht nur die Moral stimmt bei den „Geißböcken“, die eine Woche nach einer verschenkten 2:0-Führung einen 0:2-Rückstand innerhalb weniger Minuten aufholen konnten und so den Abstand zu den Abstiegsrängen konstant halten konnten. Auch die Bank machte im Derby auf sich aufmerksam: Drexler konnte in den zwei Geisterspielen nach der Fortsetzung der Bundesliga-Saison als Einwechselspieler gleich drei Vorlagen verbuchen und dürfte damit ein heißer Kandidat für die Startelf bei den anstehenden Aufgaben sein.
Das gilt auch für jemanden, den selbst viele Hardcore-Anhänger schon beinahe abgeschrieben hatten. Anthony Modeste war nicht nur aufgrund seines Treffers zum 1:2 (sein erster seit dem 3. Spieltag in Freiburg) ein belebendes Element im Kölner Spiel, der Franzose war mit großer Einsatzfreude und weiteren Abschlüssen in vorderster Front präsent wie in besten Zeiten. Gerade im Hinblick auf den eng getakteten Spielplan kann ein formstarker Modeste dem FC nur gut tun. Auch Jorge Meré konnte nach einer bislang wenig glücklichen Saison aufzeigen, dass er wie beispielsweise der ebenfalls eingewechselte Elvis Rexhbecaj eine wertvolle Alternative für die „Geißböcke“ ist.
Der 1. FC Köln vermisst die Fans
Nach dem zweiten Heimspiel in Serie ohne Zuschauer darf ein Faktor allerdings nicht zu kurz kommen. Die Anpassung an die ungewohnte Atmosphäre im Müngersdorfer Stadion scheint dem FC-Team noch nicht gelungen zu sein. „Ohne Fans ist es nicht dasselbe“, erklärte Mark Uth bereits nach dem 2:2 gegen Mainz, als die „Geißböcke“ eine 2:0-Führung herschenkten. Auch eine Folge der fehlenden Unterstützung von den Rängen, wie Toni Leistner freimütig zugab. Ähnliches ließ sich auch im Derby gegen Düsseldorf beobachten: Die vor der Corona-Pause gerade im Heimspiel noch hochemotionalisierte Mannschaft wirkte seltsam leblos und blutleer, die Leichtigkeit aus Partien wie gegen Freiburg oder Schalke war wie weggeblasen.
“Wir merken, dass es uns schwer fällt, mit diesen Umständen umzugehen.”
„Es ist menschlich, mit dieser Situation Probleme zu haben. Es sind keine Roboter, die da auf dem Platz stehen. Sich damit auseinander zu setzen und einen Weg zu finden, damit umzugehen, ist das große Thema für uns“, gab auch FC-Sportgeschäftsführer Horst Heldt am Tag nach dem Last-Minute-Remis unumwunden zu. „Wir wurden vor Corona von den Fans getragen. Man konnte es kaum abwarten ins Stadion zu kommen. Die Atmosphäre war so positiv. Man hat sich wie ein kleines Kind auf das Stadion und die Fans im Rücken gefreut“, betonte der 50-Jährige und sieht die Situation als Herausforderung für die Mannschaft: „Wir merken, dass es uns schwer fällt, mit diesen Umständen umzugehen. Aber sie sind, wie sie sind. Jetzt müssen wir uns Lösungen erarbeiten, damit uns das leichter fällt.“