Der nächste Abstieg des 1. FC Köln steht unmittelbar bevor, es ist der vielleicht Unnötigste in der Geschichte des Vereins. Doch die Wut darüber hält sich überraschenderweise in Grenzen. Ein ganzer Verein hat einen Kloß im Hals.
Ich bin Jahrgang 1987. Als der glorreiche 1. FC Köln 1998 zum ersten Mal abstieg, war ich also ganz am Anfang meiner Laufbahn als glühender Anhänger. Ich bin aus der Generation, die sich selbst nie zugestehen wollte, dass ihr Verein eine Fahrstuhlmannschaft sei. Ein Club, der eigentlich zu gut für die 2. Bundesliga ist, der aber immer wieder erfahren muss, dass es für die 1. Bundesliga auch nicht reicht. Hoch und Runter. Immer wieder. Meinem Dasein als Fan des 1. FC Köln hat das nie geschadet, ganz im Gegenteil. Es war einmal ein treuer Husar.
Der erste Abstieg, beim Hamburger SV sollte man da mal genauer hinschauen, galt noch als Betriebsunfall, der schnellstmöglich korrigiert werden musste. Nach jedem weiteren hieß es stets, jetzt komme der langersehnte nötige vollständige Umbruch. Und jeder Abstieg war mit Wut verbunden. Wut auf zunehmend unfähigere Entscheidungsträger, Wut auf eine nicht aufopferungsvoll kämpfende Mannschaft, Wut auf sich selbst, weil man sich doch jeden Samstag aufs Neue an das letzte Fünkchen Hoffnung geklammert hatte.
Der 1. FC Köln: Erst in Europa, dann am Abgrund
In dieser Saison ist das alles ein wenig anders. Denn die Wut ist seltsam leise. Seltsam, weil die Anhänger des 1. FC Köln allen Grund dazu hätten, laut und wütend sein. Viel Zeit investieren sie, Geld ohnehin, emotional ist der Support Woche für Woche – trotz immer wieder katastrophaler Aussetzer und Niederlagen. Die effzeh-Fans haben in diesem Jahr eine bemerkenswerte Achterbahnfahrt mit ihrem Club mitmachen müssen. Denn die Saison startete mit der größten Euphoriewelle meines Fan-Daseins. Zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahrzehnten hatte sich der glorreiche 1. FC Köln für den Europapokal qualifiziert. Alles an meinem Körper vibriert noch immer bei dem Gedanken an das gemeinsame Singen im Stadion des großen Arsenal FC. Unser effzeh in Europa.
Foto: Richard Heathcote/Getty Images
Die Euphorie war grenzenlos und das war auch gut so. Zumindest dachte man das. Peter Stöger, Jörg Schmadtke und Alex Wehrle waren doch bekannt dafür, gerade mit zu großer Euphorie ob des Erreichten gut umgehen zu können. Bodenständig zu bleiben – “ruhig, ganz ruhig.” Die Ruhe, die Schmadtke damals voller Stolz und doch mit dem erhobenen Zeigefinger predigte, sie ist jetzt da. Es scheint nicht die Ruhe vor dem Sturm zu sein, schwarze Abstiegswolken dürfte es dieses Mal kaum geben. Der erneute Niedergang des 1. FC Köln ist nach menschlichem Ermessen nicht mehr aufzuhalten, wir werden erneut absteigen in die 2. Bundesliga.
Der schleichende Abstieg und nur ganz wenig Wut
Zu schlecht für die erste, die Hoffnung darauf, dass wir auch wieder zu gut für die zweite sein werden, wird kommen. Der Abstieg kommt diesmal nicht plötzlich, nicht überraschend, er hat sich eine ganze Saison lang abgezeichnet. Jedes Wochenende ein neuer Nackenschlag. Für die Fans, aber genauso für die Spieler. Die Unsicherheiten, die Angst weitere Fehler zu machen, sie war und ist jederzeit spürbar. So ist das bei einem Absteiger.
Auf der nächsten Seite: Warum ist es eigentlich so ruhig?
Doch warum ist es so ruhig? Es ist die Traurigkeit, die sich über die Fans gelegt hat. Denn eine Mannschaft, die sich im Vorjahr sensationell für Europa qualifizierte, darf doch nicht absteigen, kann gar nicht absteigen. Diese Gedanken könnten auch bei Spielern und Verantwortlichen eine Rolle gespielt haben. Lange sah man zu, vielleicht zu lange: “Wir spielen doch gar nicht so schlecht, nicht wie ein Absteiger. Die Tore werden kommen und dann auch die Punkte.”
So oder so ähnlich lautete das Mantra von Trainer Peter Stöger in einer historisch schlechten Hinrunde. Herausgekommen ist eine unlösbare Rettungsaufgabe für Trainer Stefan Ruthenbeck, der sich voll in den Dienst seines Clubs gestellt hat, der aber wohl kaum nachhaltig über Bundesliganiveau verfügen dürfte. Der Abstieg ist so lange absehbar in dieser Saison, dass es zum Verzweifeln ist. Die Wut darüber, dass man lieber Stadionplänen, Investorenträumen und persönlichen Kränkungen hinterhergejagt hat, sie ist da. Aber sie kann nicht raus. Es ist zu schlimm.
Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images
Der dicke Kloß im Hals
Jonas Hector, Leonardo Bittencourt, Dominique Heintz, Timo Horn, Marcel Risse, Yuya Osako: Mit diesen Leuten kann man Fußballspiele gewinnen. Das wissen alle, Verantwortliche wie Fans des 1.FC Köln. Und doch reicht es nicht. Ein dicker Kloß hängt im Hals des gesamten Vereins, der Stadt und auch in meinem, wenn ich daran denke. Wenn den Spielern selbst die Tränen in die Augen schießen und man weiß, sie können nicht genau sagen, woran es in dieser verdammten Saison gelegen hat. Der effzeh hatte mit dieser Spielzeit die wohl größte Chance seit dem ersten Abstieg 1998 endlich aus dem vermaledeiten Aufzug auszusteigen. Oben auszusteigen.
Und diese unfassbar wichtige Chance hat man nicht nur liegen lassen, man hat sie komplett gegen die Wand gefahren. Man könnte wahnsinnig werden. Es ist so traurig, dass man sich nicht mal aufregen möchte. Wo sind die Modeste-Millionen, wird es vielleicht bald heißen. Immerhin, Alex Wehrle scheint seinen Job als Einziger aus dem ehemaligen Triumvirat so gut gemacht zu haben, dass der effzeh nicht direkt wieder um seine Existenz fürchten muss. Soweit waren wir schon mal. Es geht also tiefer hinab. Vielleicht ein kleiner hoffnungsvoller Grund dafür, dass die Ruhe in Köln den Abstieg überdauern könnte.