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Wolff Fuss im Interview über den 1. FC Köln: “Die Frau wechselt, der Klub bleibt”

Foto: Mathis Wienand/Getty Images for 11 Freunde

Jeder Fußballfan in Deutschland kennt die Stimme von Wolff-Christoph Fuß, aber nur die wenigsten wissen, dass er dem 1. FC Köln die Daumen drückt. Wir trafen ihn zum Gespräch.

Er gilt als bekanntester und bester Fußball-Kommentator in Deutschland, der sich laut eigener Aussage als “Partycrasher” sieht, wenn es um Fußball geht. Mit seiner blumigen, aber dennoch authentischen Sprache hat sich Wolff-Christoph Fuss zu einer echten Marke entwickelt  – vor kurzem war er in Kiew beim Champions-League-Finale, bald wird es für ihn ernst, wenn die Fußball-WM in Russland beginnt.

Im Interview bei uns erzählt der Kommentator, wie er zum Sympathisanten des 1. FC Köln wurde, wie er das Auswärtsspiel in London erlebt hat und die Aussichten für die kommende Saison beurteilt. In einem zweiten Teil spricht Fuss mit uns über seine Arbeitsweise im Vorfeld der WM in Russland und seine Meinung zum Video Assistant Referee.

effzeh.com: Du hast dich in der Vergangenheit bereits mehrfach als „Sympathisant“ des 1. FC Köln zu erkennen gegeben – ist das noch aktuell?

Wolff Fuss: Ja, auf jeden Fall. „Fan“ ist jedoch zu viel, Fansein kann und will ich mir ehrlicherweise in meinem Beruf nicht mehr erlauben. Es ist auch nicht so, dass ich mir das abtrainieren musste, sondern ich kann eine Grundsympathie wahren und kann sagen, dass der effzeh der Verein ist, der sich mich als Kind ausgesucht hat. Die Frau wechselst du vielleicht, der Klub bleibt der gleiche.

Wolff Fuß und seine berühmte Geldbeutel-Geschichte

Du sagst, der Klub hätte dich ausgesucht – in diesem Zusammenhang musst du allerdings die berühmte „Geldbeutel-Geschichte“ noch einmal erklären. 

Als ich etwa drei Jahre alt war, haben meine Eltern im Österreich-Urlaub einen Geldbeutel mit voller Reisekasse gefunden. Wir haben ihn vorschriftsmäßig zurückgegeben. Der Geldbeutel gehörte einem Ehepaar, wo sie bei 4711 arbeitete und er als Funktionär beim 1. FC Köln. Wir reden über das Ende der 1970er Jahre und die große Zeit des 1. FC Köln. Als wir aus dem Urlaub zurückkamen, erreichte uns ein Päckchen. Meine Mutter bekam ein Fünf-Liter-Fässchen 4711 und ich vom Funktionär alles, was es damals an Fan-Devotionalien gab: Das war nicht viel, einen Wimpel, eine Fahne, Autogrammkarten und ein Trikot.

Der große Moment von Cordoba | Foto: Dan Mullan/Getty Images

Der Verein war erfolgreich, die Spieler hießen kindgerecht „Litti“ und „Toni“ und so, es gab ein lebendiges Maskottchen. Es gab jetzt nicht dieses eine Spiel, sondern es war in meinem Fall dieses Schlüsselerlebnis. Es gab dann mal Bestrebungen, diesen Funktionär ausfindig zu machen. Das war aber leider nicht möglich.

Wie er das Auswärtsspiel in London erlebt hat

Du bist dann als effzeh-Fan aufgewachsen und hast irgendwann den Kommentatoren-Beruf angefangen – das heißt, deine Bindung ist dann irgendwo zwischen professioneller Distanz und emotionaler Nähe?

Wenn ich an einem Wochenende bei einem anderen Spiel arbeite, schaue ich schon, wie der effzeh spielt oder gespielt hat. Es ist jetzt kein Mitreisen und kein hysterisches Abdrehen, wenngleich ich sagen muss, dass ich mir das erste Europapokal-Spiel seit 25 Jahren nicht habe entgehen lassen – auf Einladung des 1. FC Köln. Es gab da eine Wette zwischen Jörg Schmadtke und mir, er musste dann liefern. Ich bin mit dem Fanflieger geflogen und werde diesen Cordoba-Moment nie vergessen – es war etwas Besonderes. Meine Anzughose kann eine Geschichte davon erzählen.

Dann traf Cordoba und die kölsche Abordnung – der Tünn war dabei, der Präsident war dabei, Wehrle war dabei, alle mit Familien, aber auch Großsponsoren und damit Leiter von großen Unternehmen – ist komplett ausgerastet.

Bist du auf Knien durch die Ränge gerutscht oder weshalb?

Ich saß in der Präsidenten-Loge, wo auch nur wirklich ausgewählte Sponsoren und Menschen sitzen, die zum Gastverein gehören. Dort herrscht eine gewisse Etikette, unter anderem Krawattenpflicht – du kommst nicht rein, wenn du keine Krawatte trägst. Da gehört auch dazu, dass darum ersucht wird, angemessen zu jubeln. Dann traf Cordoba und die kölsche Abordnung – der Tünn war dabei, der Präsident war dabei, Wehrle war dabei, alle mit Familien, aber auch Großsponsoren und damit Leiter von großen Unternehmen – alle sind komplett ausgerastet. Die Engländer haben uns angeguckt und gesagt: „Was ist denn eigentlich jetzt mit euch los?“ Meine Hose jedenfalls wurde arg in Mitleidenschaft gezogen.

“…und dann macht der Cordoba das Tor”

Wie hast du diesen Tag sonst so erlebt?

Zwischendurch war ja nicht klar, ob das Spiel würde stattfinden können, von Blocksturm war die Rede, dazu die Massen an Fanbussen und Fanfliegern aus Köln – und dann macht der Cordoba das Tor. Man wusste ja nicht, dass es sein einziges bleiben würde, man dachte ja zu diesem Zeitpunkt noch, der 1. FC Köln hätte für ganz schmales Geld einen überragenden Modeste-Nachfolger verpflichtet.

Auf der nächsten Seite: Der effzeh im Unterschied zu anderen Vereinen.


Also auch für dich ein Highlight in der jüngeren Vergangenheit.

Aus Sicht des 1. FC Köln, ganz sicher. Ich bin der Meinung, es wäre mehrheitsfähig gewesen, wenn vor anderthalb Jahren in Köln jemand gesagt hätte, dass man in den Europapokal kommt, aber im Jahr danach absteigt. Jetzt wartet man halt wieder 25 Jahre, aber es gibt zumindest wieder eine Generation, die sagen kann, dass sie mit dem effzeh in Europa war.

Wie ist es denn, wenn du Spiele des effzeh kommentieren musst?

Neutral und professionell. Im Saisonfinale hatte ich das ein oder andere, und da muss ich mich auch nicht dazu zwingen, neutral zu bleiben. Ich bin nicht persönlich beleidigt, wenn der effzeh ein Gegentor bekommt. Dafür ist es mein Job. Als der effzeh allerdings 2008 gegen Mainz aufgestiegen ist, habe ich zusammen mit Bodo Illgner kommentiert und nach dem Spiel kam Christoph Daum auf die Tribüne und hat uns beide umarmt – da habe ich gedacht: „Schön!“

Wolff Fuß über den 1. FC Köln: Beste Arbeitsbedingungen und viele Emotionen

Was unterscheidet denn den effzeh von anderen Bundesligavereinen?

Die eigene Identität. Ich weiß auf jeden Fall, dass es stimmungs- und hingebungsvoll wird. Von den Arbeitsbedingungen her ist es optimal. Das Stadion hat top Kommentatoren-Plätze. Es gibt den richtigen Steigungswinkel der Tribüne, es gibt die richtige Draufsicht, man ist weit genug weg, um alles überblicken zu können, aber auch immer noch nah genug dran, um das Geschehen auf den Trainerbänken zu verfolgen. Da ich viele Leute im und um den Klub herum kenne, freue ich mich immer darauf, dorthin zu kommen. Man hat eine volle Kurve und viele Emotionen. Mit Ausnahme der letzten Saison hatte man in den letzten Jahren immer eine Mannschaft, die nicht nur alles gegeben, sondern sich auch meist belohnt hat. Es gibt keine Ausreden für mich als Kommentator.

Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass es selten einen vermeidbareren Abstieg gegeben hat.

Kommen wir mal auf die letzte Saison zu sprechen. Wie hast du den effzeh im Saisonfinale erlebt?

Ich habe die Spiele gegen Stuttgart und Schalke kommentiert. Als das Spiel gegen Stuttgart verloren wurde, war im Grunde genommen klar, dass es vorbei ist. Die Summe an 1:0-Führungen, die leichtfertig abgegeben wurden, war am Ende zu groß. Ich bin auch deshalb nach wie vor der Meinung, dass es selten einen vermeidbareren Abstieg gegeben hat. Beim HSV war die Zeit reif, alles Glück war aufgebraucht. Deshalb darf sich in Hamburg keiner beklagen, dass es in die zweite Liga geht. In Köln war es einfach unnötig.

“Persönliche Eitelkeiten haben eine große Rolle gespielt”

Woran genau machst du das fest?

Ich kann und will die Interna nicht beurteilen, aber ich fand die Trennung von Schmadtke überflüssig. Da hat sich etwas zugespitzt. Wenn man so lange so erfolgreich zusammenarbeitet, muss man einen Weg finden, im Sinne des Klubs, sich wieder zusammenzuraufen. Ich glaube, dass da persönliche Eitelkeiten eine große Rolle gespielt haben, die in Köln lange Zeit zurückgestellt wurden. In den letzten drei, vier Jahren war es ein vollkommen normaler Verein. Als Schmadtke ging, habe ich mir gedacht: „Jetzt wird’s schwierig!“

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Und dennoch hatte der effzeh noch die Möglichkeit, die Klasse zu halten.

Wer die Rückrunde gesehen hat, muss festhalten, dass der Klassenerhalt absolut drin war. Klar, gegen Gladbach gewinnt der effzeh mit Glück, aber zum Rückrundenstart war das Glück, was in der Hinrunde ein wenig fehlte, wieder da. Aber nichtsdestotrotz, wenn ich diese Summe an 1:0-Führungen sehe, die über die Wupper gegangen sind, ist der Abstieg die logische Konsequenz.

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Fuss über das Duo Schmadtke und Stöger

Die Trennung von Jörg Schmadtke hast du bereits erwähnt, von Peter Stöger trennte man sich dann einige Wochen später – das Duo war dann komplett gesprengt.

Ich habe auch den Zeitpunkt der Stöger-Trennung nicht verstanden. Wenn man nach ein paar Wochen in einer Saison zu dem Urteil kommt, dass ein Trainer die Mannschaft nicht mehr erreicht, dass es zu viele Verletzungen gibt, die Doppelbelastung zu viel Substanz kostet und der Trainer es inhaltlich nicht mehr gestemmt bekommen sollte, dann ist es nur logisch, sich von einem Trainer zu trennen. Offenbar war dem aber nicht so. Sich dann Anfang Dezember, nach einem 2:2 auf Schalke zu trennen, ist schwer nachzuvollziehen. In jenem Moment haben ein starker Sportdirektor und eine klare Analyse gefehlt.

Ich kann nicht beurteilen, was im Binnenverhältnis zwischen Stöger und Schmadtke passiert ist. Aber als Duo haben sie dem effzeh in den vergangenen Jahren sehr gut getan. Das Ende ging dann zu hastig und zu einfach. Selbst in der Winterpause hätte man sich zusammensetzen können, um zu überlegen, ob es eine sportliche Neuausrichtung braucht und gegebenenfalls da auf der Trainerposition noch tauschen können. Aber bei voller Fahrt – das kann ich bis heute nicht verstehen.

Auf der nächsten Seite: Was Wolff-Christoph Fuss über die kommende Saison denkt.


Und dann kam Stefan Ruthenbeck als neuer Trainer.

Ruthenbeck ist Kölner, es war für ihn eine große Ehre, das Amt zu übernehmen. Es fehlte ihm in dieser Gemengelage aber an Erfahrung und an Stärke. Trotzdem hat Ruthenbeck die Mannschaft wieder in die Situation gebracht, dass einzelne Spiele wieder wichtig wurden, dass der effzeh noch mal schnuppern durfte. In der ganz heißen Schlussphase hatte er dann allerdings nicht nur glückliche Händchen bei der Wahl von Personal und Taktik.

Hector und Co.: “Ein fantastisches Signal!”

Der Abstieg war dann irgendwann fix, man musste sich neu aufstellen und dann gab es mit dem Verbleib von Hector, Horn, Höger und Risse ungewöhnliche Entscheidungen, die für viel Anerkennung gesorgt haben. Auch bei dir?

Grundsätzlich ist das ja bei allen ein Zeichen dafür, wie wohl sie sich fühlen und wie sehr sie dieser Abstieg persönlich getroffen hat. Dass sie bleiben, ist auch deshalb so besonders, weil so etwas so selten vorkommt. Dass Profis eine derartige Identifikation und Verbundenheit mit einem Verein spüren und sagen, wir machen das Jahr in Liga zwei mit, ist außergewöhnlich. Es sind Spieler, deren lange Ausfallzeiten mit dazu beigetragen haben, dass der Verein in diese Situation gekommen ist. Aber es sind auch die Spieler, die nach ihrer Rückkehr mit dem Verein abgestiegen sind.

Mathis Wienand/Getty Images for 11 Freunde

Es ist nichtsdestotrotz ein fantastisches Signal, das zeigt, dass der Verein etwas ganz Besonderes ist, für die Fans und auch für die Spieler – aber das allein als Signal für den direkten Wiederaufstieg in die erste Liga zu sehen, greift zu kurz. Spiel- und Arbeitsweise werden sich in Köln umstellen müssen, um in der zweiten Liga bestehen zu können. Die letzte Zweitliga-Saison ist gefühlt Ewigkeiten her. In der letzten Saison hat man sich für Spiele gegen Arsenal motiviert, jetzt muss man sich für Spiele gegen Sandhausen motivieren. Das ist eine völlig neue und andere Herangehensweise.

“Der Kutter ist nur von der Route abgekommen”

Aktuell läuft die Kaderplanung, die letzten Baustellen werden geschlossen. Wie siehst du die Mannschaft aufgestellt für die neue Saison?

Gut. Die zweite Liga ist besonders, deswegen kann man sagen, dass die Verpflichtungen passen. Auch die, die bereits m Winter in vorauseilendem Gehorsam getätigt wurden. Koziello ist wie ich finde eine echte Granate, er muss aufpassen, dass sie ihn in der zweiten Liga nicht kaputttreten. Er wird sich eine gewisse Härte aneignen müssen, aber vielleicht ist er den meisten auch technisch so überlegen, dass jede Grätsche zu spät kommt. Der Kader müsste stark genug sein für den Wiederaufstieg, nur nochmal: Es wird viel davon abhängen, wie die Spieler die zweite Liga annehmen. Einer wie Horn, der gefühlt kurz vor der Nationalmannschaft stand, Hector, der jetzt bei der WM dabei ist, Höger und Risse, die zurecht das Selbstverständnis erste Liga haben – auch diese Vier müssen es schaffen, sich in der neuen Gemengelage zurechtzufinden.

Mit Markus Anfang kommt auch ein neuer Trainer – deine Meinung dazu?

Er hat noch nie einen Verein von dieser Größe trainiert, aber ich will da auch nicht den Mahner geben. Er ist ein hervorragender Trainer, der sich in dem Umfeld zurechtfinden wird und mit Armin Veh einen starken Sportdirektor an seiner Seite hat, der ihn verpflichtet hat, was ihm den Rücken stärkt. Die Strukturen, die geschaffen wurden, sind betoniert. Es ist eine ganz andere Situation als beim letzten Abstieg, wo man wirklich dachte, dass der Kutter Schieflage hat und in schwerer See ist. Jetzt im Moment ist der Kutter von der Route abgekommen und man muss ihn zurück in die Fahrrinne bringen. Das klingt nach einem „nur“, aber es ist kein kleines „nur“.

>>>Wolff Fuss über die Nationalmannschaft: „Jonas Hector hat internationales Niveau“

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