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Kolumnen

WM-Serie: “Aragones würde sich im Grabe herumdrehen”

Zwei Spiele, zwei Niederlagen: Der Titelverteidiger ist raus. Wir sprachen mit FC-Anhängerin Susanne über Spaniens Aus.

© Susanne Offermann

Die Fußballweltmeisterschaft ist neben den Olympischen Spielen das größte Sportereignis der Welt. Für die Vereinsmannschaften bedeutet das vor allem eines: Ruhe. Wir verweilen währenddessen aber nicht in den Liegestühlen und erinnern uns an FC-Helden oder Nicht-Helden aus den jeweiligen WM-Nationen. Heute sprechen wir mit Susanne, einer FC-Anhängerin, deren Herz für Spanien schlägt.

Spanien– Australien, 23.06.2014, 18 Uhr, Arena da Baxaida, Curitiba, Gruppe A

Susannes Herz schlägt rot-weiß. Das ist für einen FC-Fan jetzt noch nichts Besonderes. Aber Susannes Herz schlägt gleich für zwei rot-weiße Teams. Neben dem glorreichen 1. FC Köln verfolgt sie die Geschehnisse rund um den aktuellen spanischen Meister Atlético Madrid mit großer und sehr impulsiver Leidenschaft, wenn man ihre Tweets verfolgt. Wie es dazu kam, erklärte sie schon bei der #SektionTwitter ausführlich. Mit effzeh.com sprach sie über das Aus der Spanier, ihre Sympathie zur “Furia Roja” und dem Erbe von Luis Aragones.

effzeh.com: Dass du großer Atlético-Fan bist, ist bekannt. Aber wie sieht es mit der spanischen Nationalmannschaft aus?

Susanne: Nun ja, die spanische Nationalelf war damals der Grund, wie ich überhaupt zu Atlético gekommen bin. Ein gewisser Nationalspieler mit der 9 (Fernando Torres, Anm. d. Red.) hat mich dann einfach mit zu den Rot-Weißen genommen. Von daher hege ich schon eine große Sympathie für die Truppe. Dazu kommt, dass mit Diego Costa, David Villa, Koke und Juanfran dieses Mal gleich vier Rojiblancos nominiert wurden.

 © Susanne Offermann

© Susanne Offermann

effzeh.com: Wie ist die Lage bei den spanischen Fans? Ist die Nationalmannschaft da sehr beliebt?

Susanne: Da hat man in Spanien schon eine Veränderung in den letzten Jahren gesehen. Als Aragonés damals Trainer der Nationalelf wurde, war es noch eher fast verpönt, ein Trikot der Spanier zu tragen. Es ging eigentlich immer nur um die Frage: Wer bringt mehr Spieler in den Kader – Real oder Barca? Sind genug Basken und Katalanen dabei? Jeder kochte quasi sein eigenes Süppchen. Das hat sich mit dem Gewinn der Titel schon stark verändert. Inzwischen mögen die Spanier die Nationalelf. Ich erinnere mich noch daran, in der spanischen Presse einmal gelesen zu haben, wie sehr der Absatz von Trikots nach dem Gewinn der Titel in die Höhe schnellte.

effzeh.com: Zwei Spiele, zwei Niederlagen. Wie wurde das Aus des EuropaWeltEuropameisters aufgenommen?

Susanne: Begeistert war man über die Spanier natürlich nicht. Von den Reaktionen, die ich auf Twitter von meinen spanischen Freunden und Bekannten aufgefangen habe, scheint es, als hätten alle gewusst, dass der Tag einmal kommen würde. In Anbetracht der Tatsache, dass es schon vor der WM Aussagen gab, der Mannschaft fehle der Hunger, haben vielleicht auch schon einige damit gerechnet. Klar haben sich alle aufgeregt, aber schon einen Tag später schlug das schon in Dankbarkeit für die Zeit davor um. Natürlich hat aber auch jeder schon seinen persönlichen Sündenbock gefunden. Für die Real-Fans sind das die Barca-Spieler, für die Barca-Fans die Real Spieler und für die Presse ist natürlich die ganze Mannschaft fürchterlich. Auch wenn sie – im Vergleich, zu dem, was man im Ligaalltag gerne einmal liest – sogar mit ihrer Kritik noch sehr “nett” sind. Erkennbar ist auf jeden Fall, dass der Verband auch sehr aktiv versucht, gewisse Spieler aus dem Kreuzfeuer der Presse zu halten. So schicken die irgendwie nur Ersatzspieler zu der Pressekonferenz. Gestern Juanfran und Reina, davor Koke.

effzeh.com: Es fällt auf, dass trotz der starken Saison inklusive Meisterschaft und Champions-League-Finale kein Atlético-Spieler in der Stammelf steht. Woran liegt das?

Susanne: Als Atlético-Fan könnte ich jetzt mit einem ellenlangen Elaborat über Del Bosque und seine Real Madrid Vergangenheit anfangen. Die Tatsache, dass Del Bosque schon seit Jahren Atléticos Spieler eher ignoriert, stellt uns alle vor ein Rätsel. Insbesondere nach dieser Saison. Es fing eigentlich schon lange vor der WM an mit der Tatsache, dass Del Bosque die Leistungen von Gabi nicht sieht. Der ist das Herz des Vereins, hat eine tolle Saison gespielt und wird dennoch ignoriert. Für ein Testspiel im letzten Jahr hatte Del Bosque sogar einmal stattdessen Mario Suárez, Gabis Gegenpart im defensiven Mittelfeld Atléticos, nominiert. Der ist zwar eigentlich mein Lieblingsspieler, hatte es aber noch lange nicht so verdient wie Gabi. Und das alles OBWOHL Del Bosque immer wieder öffentlich erklärt, er nominiere nach Leistung und nicht nach persönlichem Gusto.

In der zweiten Hälfte des Spiels gegen Chile hat man ganz deutlich gesehen, dass Koke die Mannschaft nach vorn gebracht hat. Außerdem war er der Top-Vorbereiter von Diego Costas Toren in Spanien. Mit ihm hätte Costa sich vielleicht eher verbinden können. Und Juanfran ist einer der Spieler der diese Saison in Spanien mit die meisten Spielminuten absolviert hat. Böse Zungen sagen, dass er halt nur Leute nominiert, die irgendwo eine Vergangenheit bei Real Madrid hatten.

effzeh.com: Unter dem Anfang Februar verstorbenem Luis Aragones, mehrfach Atlético-Trainer, holte Spanien den ersten großen Titel seit 1964. Ist das etwas, was auch Atlético-Fans stolz macht?

Susanne: Natürlich tut es das. Luis ist für alle Atlético-Fans eine der größten Legenden der Vereinsgeschichte und wird für alle Ewigkeiten vom dritten Rang auf das Vicente Calderón herabblicken. Leider wird Aragonés’ Leistung meiner Meinung nach oftmals viel zu wenig gewürdigt. Aragonés ist der Vater des spanischen Systems. Aragonés hat damals aus dieser Ansammlung guter Einzelspieler ein Team formiert und ein funktionierendes System geschaffen. Das hat Del Bosque nur übernehmen müssen. Bei den Leistungen der ersten beiden Spiele würde Luis sich im Grabe herumdrehen beziehungsweise er hätte den Spielern in der Halbzeit so richtig eins aufs Dach gegeben. Denn darin war er immer gut.

effzeh.com: Zum Abschluss: Der Titelverteidiger ist draußen. Wer wird nachfolgen – und wie weit kommt das deutsche Team?”

Susanne: Ich muss sagen, dass ich es in der Berichterstattung in den letzten Tagen doch durchaus unterhaltsam fand, wie sie alle den Tod Spaniens vermeldeten und teilweise erklärten mit dem Abgang der Generation Xavi käme nichts mehr nach. Das ist bei weitem nicht so. Spanien hat eine hervorragende Jugendarbeit und auf vielen Positionen gibt es herausragende junge Spieler die in ihren Vereinen absolute Leistungsträger sind, nennen wir hier nur mal Isco als Beispiel. Zu Deutschland: Ich gehe schon davon aus, dass Deutschland es bis ins Halbfinale schafft. Ob es auch zum Titel reicht, kann ich nicht sagen. Mein Bauchgefühl sagt mir immer noch, dass es eine südamerikanische Mannschaft wird.

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