Kürzlich fiel mir auf, dass ich – trotz Überlegen – auf Anfrage nicht unbedingt die Stammelf des effzeh aufzählen konnte. Und das lag weder am massiven Bierkonsum noch an meiner mangelnden Kaderkenntnis, wie sich herausstellen sollte. Auf Nachfrage ging es meinen Redaktionskollegen zumindest in großen Teilen ähnlich. Grund genug sich ein wenig mit den Einsätzen und Einsatzzeiten des Profikaders auseinanderzusetzen.
Grundlagen
Zu Beginn sollten wir aber festlegen, nach welchen Kriterien wir das messen wollen. Spontan kommen mir folgende Varianten in den Sinn:
- Anzahl Spiele in der Startelf
Der Klassiker, hier werden Spieler so gezählt, wie der Trainer sie aufgestellt hat.
- Anzahl benotete Spieler (Kicker)
Benotet werden Spieler mit mindestens 30 Minuten Einsatzzeit. Da Stanislawski kein Freund früher Auswechslungen ist, werden aus 23 Spielen zusätzliche 11 Strichlistenstriche generiert, Adil Chihi verliert zwei davon durch frühe, verletzungsbedingte Auswechslungen
- Die meisten Spielminuten auf dem Feld
Ist letztlich deckungsgleich mit Startelfeinsätzen
- Einsätze insgesamt
Zählt auch späte Einwechslungen, mit weniger als 30 Spielminuten mit
Variante 1-3
Der einzige Unterschied in den ersten drei Varianten ist Adil Chihi, der als zwölfter Spieler nach Startelfeinsätzen gezählt wird, auf Augenhöhe mit Christian Eichner. Lassen wir Chihi mal außen vor, sieht die Aufstellung genau so aus:
Alleine schon vor dem Hintergrund, dass Christian Eichner von den letzten 11 Spielen gerade einmal anderthalb bestritten hat, fühlt sich das nicht wie ‚meine‘ Startaufstellung an. Auch ein Thomas Bröker, der mit Tobias Strobl und Mato Jajalo zuletzt um die Wette rotiert, wirkt nicht gesetzt. Und wo ist überhaupt der omnipräsente Daniel Royer?
Variante 4
Zählt man die Einwechslungen hinzu, verändert sich das Bild ein wenig: Eichner und Bröker fliegen aus der Mannschaft um von Daniel Royer und Mato Jajalo ersetzt zu werden. Hector rutscht somit auf die mittlerweile angestammte Linksverteidigerposition. Das sieht irgendwie schon eher nach dem aus, was man Woche für Woche auf dem Feld sieht.
Trotzdem fühlt es sich noch immer nicht so an, wie in früheren Spielzeiten, als man auf der Tribüne stand und überrascht und verwundert auf jede noch so kleine Veränderung in der Startelf reagiert hat. Die Aufstellung wirkt insgesamt variabler, lediglich drei Spieler bestritten alle Spiele über die komplette Zeit, zählt man Ujah dazu, der in der ersten Spielen noch kein Spieler beim effzeh war, sind es vier, die immer eingesetzt werden.
Fazit
Versucht man das Positive zu sehen, könnte man sagen, der effzeh macht es dem Gegner schwierig die eigene Taktik und Ausrichtung sicher einzuschätzen. Es gab ja immerhin erst vier Spiele (von 23!) in denen sich die Startelf zur vorangegangenen Partie nicht verändert hat. Das waren: das Heimspiel gegen Sandhausen am 2. Spieltag nach der 0:1 Niederlage in Braunschweig; das Heimspiel gegen Bochum nach dem 2:0 in München; das direkt auf diesen 3:1 Sieg folgende Auswärtsspiel bei der Hertha am 16. Spieltag und zuletzt das Spiel in Cottbus nach dem Jahresauftaktsieg gegen Aue. Viermal dieselbe Aufstellung wie im Spiel zuvor, vier Spiele zuvor, die spielerisch gut bis sehr gut gelaufen sind. Trifft auf die Spiele, die darauf folgten beinahe gar nicht zu, mal abgesehen vom Sieg über Bochum. Nach viermal hui kommt dreimal pfui. Muss der effzeh umstellen, damit es besser läuft?
Nein! Meiner Meinung nach sind die meisten Schwächen im Spiel immer noch der mangelnden Abstimmung geschuldet, das sieht man besonders in den letzten Spielen, in denen es erneut neues Personal gegeben hat. Und jetzt bitte nicht direkt an die 14 vergebenen Torchancen in Hamburg denken, lieber an den Spielaufbau, Pass- und Laufwege. Schwierig? Kein Wunder, gab es ja kaum. Ich bin ja grundsätzlich schon dankbar dafür, dass die Abwehrreihe keine großen Veränderungen erfährt und über längere Zeit unverändert bleibt.
Aber das Mittelfeld? Ein gutes, technisch versiertes Aufbauspiel beim effzeh zu sehen (und ja, ich halte die Spieler grundsätzlich alle für fähig dazu) scheint so wahrscheinlich wie ein Kniffel im ersten Wurf. Ja, es gibt einige gleichwertige Spieler im Kader, ja, irgendwie muss man auch signalisieren, dass jeder seine Chance bekommen kann, ja, auch ein Einstellen auf den Gegner ergibt durchaus Sinn. Zu irgendeinem Zeitpunkt sollte man aber versuchen, nein, erreichen, dass sich die Spieler gut genug miteinander verstehen, dass Spielzüge auch bis zum Ende vorgetragen werden können. Dass Tore erzielt werden, ohne dass sich vorher beide nominellen Stürmer gegenseitig über den Haufen rennen müssen.
Dass 13 von 23 Spielen, 1.125 von 2.070 Minuten ausreichen um einer der elf meistspielenden Profis zu sein, einer der vier Mittelfeldspieler mit den meisten Einsätzen, den meisten Minuten auf dem Feld, das kann nicht sinnvoll sein, um flüssiges Spiel und Kombinationssicherheit zu erreichen. Und sollte der Aufstieg irgendwann in dieser Saison kein Thema mehr sein, ich vermute spätestens dann wird die nächste große Umstellung kommen, die zweite Garde, der Nachwuchs sollte (spätestens dann) auf dem Feld stehen und sich auf die kommende Saison vorbereiten, mit mehr Einsatzzeit.
Das andere Fazit – eine Gegendarstellung (von Gero Dieckmann)
Wenn etwas scheint, dann die Sonne – und das im Frühling über Köln. Die Wahrscheinlichkeit eines Kniffels im ersten Wurf liegt bei 1:1296, was wiederum mit Blick auf das obige Fazit bedeuten würde, dass der effzeh alle 38 Jahre (Berechnungsgrundlage 34 Liga-Spiele pro Saison) ein “gutes technisch versiertes Aufbauspiel” zeigt. Das mag dem ein oder anderen so vorkommen, ist aber natürlich vollkommener Quatsch!
Der gleiche Datenpool (Kicker) wirft aus, dass es bislang 16 Spieler gibt, die eine zweistellige Einsatzzahl aufzuweisen haben – genau betrachtet hat jeder dieser Spieler sogar mindestens 13 Einsätze. Die aktuell spielschwächste Mannschaft Deutschlands, der FC Bayern München ist gemeint, hat derweil bis jetzt bereits 18 Spieler mit einer zweistelligen Einsatzzahl. Eine gewisse Variabilität führt also letztendlich wohl doch eher auf direktem Wege zum Erfolg!
“Am Montag nehme ich mir vor, zur nächsten Partie zehn Spieler auszuwechseln. Am Dienstag sind es sieben oder acht, am Donnerstag noch vier Spieler. Wenn es dann Samstag wird, stelle ich fest, daß ich doch wieder dieselben elf Scheißkerle einsetzen muß wie in der Vorwoche.” (John Toshack)
Zeiten, aus denen solche Zitate auch auf den 1. FC Köln zutreffen könnten, sind glücklicherweise vorbei. Viele Spieler drängen in die Stammelf – dazu gehört der (oben ausgeklammerte) Adil Chihi nach seiner Genesung, aber allen voran aktuell auch Stefan Maierhofer.
Konstanten wie Timo Horn, Miso Brecko und Dominic Maroh hinten zu haben, ist in dieser Saison ein Garant für wenige Gegentore und die “stehende Null” in den letzten Partien.
Neun Mittelfeldspieler im Kader zu haben, die sich alle mit Recht als Stammspieler bezeichnen können, muss man erst einmal haben – eine solche Flexibilität, ein so starkes Aufdrängen an Qualität hat kaum ein weiterer Club im deutschen Profi-Fussball.
Nicht nur der Wettbewerb wird auf diese Weise geschürt, sondern auch die fehlende Berechenbarkeit des effzeh für unsere Gegner. Das wird erst dadurch unterstrichen, dass der effzeh nun zuletzt zweimal mit einem überraschenden 4-4-2 aufgelaufen ist. Den Ansatz, dass sich “beide nominellen Stürmer gegenseitig über den Haufen rennen”, um Christian Clemens den freien Weg zum Tor zu ebnen, halte ich immer noch für einen grandiosen strategischen Schachzug unseres Trainerteams.
Zu der Situation, dass “der Aufstieg irgendwann in dieser Saison kein Thema mehr” ist, wird es übrigens nicht kommen, so dass sich obiges Fazit quasi wie von selbst pulverisiert.
Come on, effzeh!