Eine aufregende Reise steht dem 1. FC Köln und seinen Fans bevor: Am Donnerstag spielt der effzeh im weißrussischen Borisov – wir sprachen darüber mit einem Experten.
Manuel Veth ist ein echter Fachmann, wenn es um den osteuropäischen Fußball geht: Zusammen mit seinen Mitstreitern betreibt der Journalist das Fußballportal futbolgrad.com, auf dem in englischer Sprache alles Wissens- und Lesenswerte zum Fußball in Russland, auf dem Balkan, im Kaukasus und Vorder-Asien besprochen wird. Dabei spielt das Politische in der ehemaligen Sowjetunion ebenfalls eine besondere Rolle. Vor dem Auswärtsspiel des effzeh in Borisov sprachen wir mit Manuel (@ManuelVeth) über seine Dissertation, die Form von BATE Borisov und Geheimtipps in Weißrussland.
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effzeh.com: Manuel, deine Dissertation trägt den Titel: “Selling the People’s Game: Football’s transition from Communism to Capitalism in the Soviet Union and its Successor States”. Woher rührt deine Begeisterung für den post-sowjetischen Fußball?
Manuel Veth: Das ist eine sehr lange Geschichte. Fußballbegeistert war ich eigentlich schon immer, aber in meiner Masterarbeit ging es eigentlich um tiefere politische Themen im post-sowjetischen Raum. Als es aber darum ging, mich für verschiedene Unis für eine Doktorarbeit zu bewerben, habe ich zum Spaß dieses Thema entworfen, weil ich schon immer vom Fußball, den Oligarchen und der politischen Verbindung zwischen Sport und Politik fasziniert war. Am Ende konnte ich dann meinen Doktorvater auch für das Thema begeistern.
effzeh.com: Kannst du uns kurz schildern, womit sich deine Dissertation auseinandersetzt?
Manuel Veth: Thema ist natürlich der Wandel vom Kommunismus zum Kapitalismus in den späten 1980er Jahren zur jetzigen Zeit und wie der Fußball vom politischen Wandel beeinflusst wurde. Allerdings geht es auch ein wenig in die andere Richtung. Der Fußball zeigt uns auch, wie der Wandel in anderen Wirtschaftszweigen der Sowjetunion ablief. Zum Beispiel die Privatisierung eines Vereins wie Spartak offenbart, wie es in einzelnen Industriesparten auch gelaufen sein könnte. Des weiteren steht das Geflecht zwischen dem Oligarchen-Tum und dem Fußball auch stellvertretend dafür, wie einzelne Individuen sehr schnell sehr reich geworden sind. Letztlich geht es auch darum, den Einfluss von der Politik im post-sowjetischen Fußball aufzuzeichnen und ich glaube, das ist mir am Ende sehr gut gelungen.
effzeh.com: Wie steht es ein Jahr vor der Fußball-WM um den Fußball in der ehemaligen Sowjetunion? Wie würdest du die Situation des weißrussischen Fußballs beschreiben?
Manuel Veth: Das ist schwer zu verallgemeinern. Russland ist meiner Meinung bereit für die Weltmeisterschaft und der Liga-Fussball und die Nationalmannschaft haben sich gerade diese Saison verbessert – wovon man noch während des Confed Cups gar nicht davon ausgehen konnte. Um auf Weißrussland einzugehen: Der Fußball dort ist natürlich ganz anders als in der Ukraine und Russland. Im Allgemeinen haben Liga und Vereine dort sehr wenig Geld. Nichtsdestotrotz wird dort sehr gut gearbeitet. BATE Borisov zum Beispiel ist ein Musterverein im post-sowjetischen Raum.
BATE ist aber so ein wenig wie Mainz und Freiburg und schafft es, aus sehr wenig sehr viel zu machen.
Generell hat der Verein nicht sehr viel Geld, wenn man ihn mit den von Oligarchen geführten Vereinen aus der Ukraine oder Russland vergleicht. BATE ist aber so ein wenig wie Mainz und Freiburg und schafft es, aus sehr wenig sehr viel zu machen. Das hat in den letzten Jahren dazu gereicht, die Liga zu dominieren, da die Konkurrenten wie Dinamo Minsk und Shakhtyor Soligorsk einfach nicht die Konstanz hatten, um BATE zu ärgern. Allerdings hat ein wenig ein Wandel stattgefunden und diese zwei Vereine haben das BATE-Modell kopiert, was insgesamt die Qualität der Liga erhöht hat.
effzeh.com: Kommen wir zum Gegner des 1. FC Köln am kommenden Donnerstag: BATE Borisov ist so ein bisschen die große Unbekannte in der Gruppe H der Europa League. In der heimischen Liga dominiert BATE, doch wie konkurrenzfähig ist die Mannschaft in Europa?
Manuel Veth: BATE darf man nicht unterschätzen. Klar, der Etat ist klein im Vergleich zu einer Bundesliga-Mannschaft. Aber der Verein ist strukturell sehr gut aufgestellt. BATE hat es geschafft, den weißrussischen Fußball zu dominieren, obwohl man eigentlich in einer eher kleinen Gemeinde spielt. Eine gute Jugendarbeit, und was noch viel wichtiger ist, eine hervorragende Trainerausbildung, bedeuten, dass der Verein unangefochten die Nummer 1 im Land ist. Trainingsmethoden und taktische Ausrichtung bedeuten auch, dass die Mannschaft es immer wieder mal schafft, große Gegner zu ärgern – wie zum Beispiel die Bayern 2012.
effzeh.com: Wie ordnest du die ersten beiden EL-Spiele gegen Belgrad und Arsenal ein? Gegen Belgrad erreichte BATE ein Unentschieden, das Heimspiel gegen Arsenal ging mit 2:4 verloren…
Manuel Veth: Gegen Arsenal kann man schon mal verlieren. Allerdings hat sich BATE da gut aus der Affäre gezogen und Arsenal zum Teil auch das Leben schwer gemacht. Crvena zvezda ist gerade auswärts ein schwerer Gegner und BATE hat dort gezeigt, dass sie Erfahrung haben. Insgesamt haben mich beide Ergebnisse nicht überrascht.
effzeh.com: Wie steht es derzeit um die Form der Mannschaft? Welche Spieler sind für dich die wichtigsten Bausteine?
Manuel Veth: In der Liga hat der Verein gerade den ersten Platz übernommen und wird wohl wieder Meister, obwohl man einen Durchhänger hatte. Zuletzt aber haben die Ergebnisse gestimmt und die Form scheint gut zu sein. Bester Spieler war zuletzt der Linksaußen Mikhail Gordejchuk, der in 24 Spielen 14 Tore geschossen hat. Ganz vorne ist Vitali Rodionov der Kapitän und Dauerbrenner. Er hat mal kurz für Freiburg gespielt, sich allerdings dort nicht durchgesetzt.
effzeh.com: Worauf legt Trainer Yermakovic Wert? Kannst du den Spielstil einigermaßen einordnen?
Manuel Veth: Kompakt mit Dreierkette, die ja im post-sowjetischen Raum schon lange praktiziert wird. Wie russische Mannschaften lieben weißrussische Mannschaften das schnelle Umschaltspiel. Ich denke, gegen Köln werden sie sogar noch ein wenig kompakter als sonst spielen.
effzeh.com: Hast du eventuell ein paar Geheimtipps für effzeh-Fans in Minsk oder Borisov parat? Was muss man unbedingt gesehen haben?
Manuel Veth: In Minsk auf jeden Fall das Monument zum Zweiten Weltkrieg. Minsk wurde im zweiten Weltkrieg komplett zerstört und danach wieder im stalinistischen Zuckerbrot-Stil aufgebaut. Interessant ist, wie in allen post-sowjetischen Städten, auch die Metro. In Borisov ist das Stadion wirklich das einzige Highlight.
effzeh.com: Was für ein Spiel erwartest du am Donnerstag in Borisov? Wie seht dein Tipp aus?
Manuel Veth: Ich glaube, die Kölner werden endlich ein Spiel gewinnen. Einfach wird es allerdings nicht, weil BATE kompakt stehen wird, was dem effzeh ja zuletzt Probleme bereitet hat. Ich tippe auf einen knappen 2:1-Sieg für Köln.