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Meinung

Die Kind-Methode: Wie die Führung des 1.FC Köln seine Anhänger spaltet

Sportlich in der zweiten Liga, dazu mit den eigenen Fans auf Kriegsfuß – unser Autor macht sich Sorgen, ob die Führungsriege des 1. FC Köln die Fans spaltet und sich dabei auf Hannoveraner Techniken verlässt. Ein Kommentar. 

Spinner Schumacher
Toni Schumacher und Werner Spinner | Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Auch wenn in Köln noch keine Zustände wie in Hannover herrschen, sollte ein Blick nach Niedersachsen jedem effzeh-Fan eine ernste Warnung sein. Die Anzeichen dafür, dass sich hier eine ähnliche Entwicklung vollzieht, sind unübersehbar. Eine gravierende Parallele sieht man im Umgang, den der effzeh seit langem mit der organisierten Fanszene an den Tag legt. Erst im Februar veröffentlichte der Verein einen Text unter dem Titel “Zusammen fair bleiben”. In dieser langen Attacke auf die Ultras, in der sogar zwei Akteure namentlich genannt wurden, erhob der effzeh zahlreiche unverschämte Vorwürfe, wie etwa das mantraartig wiederholte, “Teile der FC-Ultras” hätten “die erste sportliche Krise seit Jahren genutzt, um gegen den Vorstand mobilzumachen. Und zwar nicht wegen der sportlichen Krise, sondern mit rein politischen und Ultra-spezifischen Themen.”

Ein Keil in der Fanszene des 1. FC Köln

Dass diese Behauptung angesichts der fast schon unverschämt loyalen Unterstützung der Mannschaft, zahlreichen diskreditierenden Äußerungen des Präsidenten gegenüber Vereinsmitgliedern, Anbiederei an eine brutale Diktatur aus China sowie diversen halbherzigen Aussagen zu 50+1, Investoren und der Stadionfrage, grotesk daherkommt, ist irrelevant: Entscheidend ist, dass die Fans, die sich nicht als Ultras verstehen, gegen jene aufgehetzt werden sollen – und, dass alle, die den Vorstand kritisch sehen, als Ultras abgestempelt werden. So macht es zumindest den Anschein.

Der Klub, der mit dem Schreiben “literweise Öl ins Feuer” goss, schürt jedoch nicht nur Ressentiments gegen Ultras, sondern inszeniert sich auch als jemand, der dem Rest der Fans Gehör verschafft – und zwar ganz oben. Als der effzeh im Dezember einem historisch schlechten Hinrundenende entgegen taumelte und ein Fan einen vielfach honorierten Facebookpost verfasste, verschuf ihm der Verein Gehör. In einem beispiellosen PR-Stunt “stellte” sich Alexander Wehrle den “kritischen” Fragen des Fans, das Interview wurde sogar auf der Homepage veröffentlicht. Es sollte zeigen: Hey, wir sind volksnah, nehmen eure Bedenken ernst und reden gerne mit euch.

COLOGNE, GERMANY - MAY 23: (L-R) Toni Shcumacher, vice-president, chairman Alexander Wehrle, Markus Ritterbach, vice-president of Koeln and president Werner Spinner of Kolen sing the anthem prior to the Bundesliga match between 1. FC Koelan and VfL Wolfsburg at RheinEnergieStadion on May 23, 2015 in Cologne, Germany. (Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Nur wenige stellten sich die Frage, weshalb ein einzelner Fan so viel Aufmerksamkeit erhält. Denn dieses Stück Propaganda zeigte noch etwas anderes: Kritische Fragen sind nur dann genehm, wenn die richtigen Leute sie stellen (der Fan ruderte später deutlich zurück und lobte alles in höchsten Tönen) und die Fans, die schon seit Jahren Fragen stellen, aber dabei nicht genügend Facebookreichweite besaßen, sind egal. Von so viel PR-Cleverness könnte sich sogar Martin Kind etwas abschauen.

Nicht nur Ultras kritisieren den Vorstand

Die Reaktionen der vom FC ins Visier genommenen Fans sind wenig überraschend: Vergangene Woche veröffentlichten zahlreiche Fanclubs ein Schreiben, in dem sie den Vorstand zum Rücktritt aufforderten. Im Stadion sah man beim Spiel gegen die Bayern außerdem zahlreiche Banner, die diese Botschaft unterstützten. Wohlgemerkt: Nicht nur Ultragruppen waren unter denen, die entsprechende Banner hoch hielten. Die Adressierten kümmerte dies alles jedoch nicht. Sie registrierten dagegen sehr zufrieden, dass es vereinzelte Pfiffe gab, als “Vorstand raus”-Rufe laut wurden. Das wiederum ist für sie ein klares Signal: Die Kind-Methode funktioniert auch in Köln. Sie dürfte dementsprechend auch in der zweiten Liga noch weiter verstärkt werden.

>>>Nach dem 1:3 des 1. FC Köln gegen Bayern München: Für et Hätz un jäjen d’r Kopp

Denn wie auch der Hannoveraner Despot, scheint die Vereins- und Geschäftsführung vor allem eines zu wollen: an der Vereinsspitze zu überleben. Längst werden viele Bande innerhalb des Klubs nur noch zusammengehalten, weil der Machterhalt des Führungspersonals grundsätzlich in Frage steht. Werner Spinner stand nach undementierten Angaben des Express kurz vor dem Rücktritt, Alexander Wehrle drohte in diesem Zuge, ebenfalls hinzuschmeißen, Jörg Schmadtke und Peter Stöger sind bekanntlich schon weg. Viele Entscheidungsträger in Vorstand, Geschäftsführung und Aufsichtsrat eint hingegen vor allem die Verachtung für den Mitgliederrat und dessen Befugnisse. Er ist das einzige, das der totalen Herrschaft noch im Weg steht. Erst dann können die Verantwortlichen wieder wie im Elfenbeinturm schalten, walten und das Geld mit beiden Händen ausgeben – wie etwa für einen der am besten bezahlten Trainer der Vereinsgeschichte, Markus Anfang.

Das einzige Ziel? Der Machterhalt!

Spätestens wenn der Aufstieg wider erwarten misslingen sollte oder das Geld weg ist, werden es auch die Verantwortlichen sein. Das gilt für den Präsidenten bis zum Pressesprecher. Das war schon bei Wolfgang Overath und Dietmar Artzinger-Bolten der Fall. Was bleibt, sind, wie so oft, die Fans. Diese werden jedoch in einer Intensität gespalten sein, die nicht ansatzweise mit dem Status 2012 vergleichbar sein wird. Dazu hat der Klub selbst in vollem Bewusstsein viel beigetragen. Und die Kind-Methodik wird mit dem Saisonabschluss vermutlich nicht enden: Auf der nächsten Mitgliederversammlung wird schließlich ein neuer Mitgliederrat gewählt. Es wäre nicht überraschend, wenn vorstandsnahe Kandidaten dort installiert, vorstandsferne jedoch rausgehalten werden sollen.

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