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Nachspiel

Von Ketchupflaschen, Schmetterlingen und Robin Hood

Es war zwar nicht sehr spektakulär, was der effzeh am Samstag in Hannover zu bieten hatte, allerdings wurde der Auftrag solide ausgeführt und die drei Punkte nach Kölle geholt.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Was war das ein Spektakel gegen den FC Schalke. Chancen hüben wie drüben, für beide Mannschaften Räume ohne Ende und ein Publikum, was sich gut unterhalten fühlen konnte. Leider fehlten für den effzeh die dringend benötigten drei Punkte am vorletzten Wochenende, was der Gemengelage insgesamt dann schon eine relativ große Brisanz verlieh. Schließlich trafen mit Hannover 96 und dem effzeh die beiden schlechtesten Mannschaften des Jahres 2016 aufeinander. Etwaige Europapokal-Träumereien zu Beginn dieses Jahres verflüchtigten sich in der Domstadt schnell durch Leistungen wie gegen Berlin oder Mönchengladbach, in denen folgerichtig keine Punkte geholt wurden. Dass es dennoch nicht an der Zeit war,Weltuntergangsszenarien rund um das Geißbockheim heraufzubeschwören, war auch Gegenstand der Diskussionen rund um das Real Madrid des Westens.

Für den Auftritt des effzeh beim Tabellenletzten ahnten die größten Pessimisten wieder Fürchterliches, ein eigentlich am Boden liegender Gegner würde doch bestimmt durch die Fehlleistungen des effzeh wieder aufgebaut werden. Der Narrativ von Robin Hood (von den Starken nehmen und den Schwachen geben) war durchaus präsent in dieser Saison, wenn man sich vor Augen führt, wie die Punkteausbeute gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendritten bislang ausgesehen hat. Niederlagen gegen Hannover, gegen Augsburg, in Frankfurt, dazu Unentschieden gegen Bremen und Darmstadt – diese mit dem Wort „inkonstant“ noch wohlwollend beschriebene Bilanz galt es vor dem Auswärtsspiel in Niedersachsen aufzupolieren, um einerseits das eigene Selbstverständnis zurück und andererseits mal wieder ein Spiel zu gewinnen. Die ersten Minuten des Spiels gaben dann aber nicht unbedingt Anlass zur Hoffnung, dass der effzeh mit drei Punkten aus der Messestadt zurückkehren würde.

In einem Spiel gegen das Tabellenschlusslicht ist es allerdings auch immer besonders schwierig, weil jeder mit einem Sieg rechnet und man eigentlich nur verlieren kann. Ein entscheidender Aspekt im Kampf um den Klassenerhalt ist die psychische Stärke und das Umgehen mit kleinen Schwächen des Gegners, der aufgrund des verständlich hohen Drucks, gewinnen zu müssen, eher anfällig dafür ist, in den entscheidenden Momenten zu verkrampfen und Fehler zu begehen. Dies sollte in diesem Spiel auch den Ausschlag für den effzeh geben, der zwar nicht brillierte, allerdings solide und unaufgeregt den Auftrag erfüllte. Es hätten wohl nur die kühnsten Optimisten vor dem Spiel darauf gesetzt, dass sich der effzeh eine Woche nach dem Schalke-Spiel wieder genauso viele quantitativ und qualitativ hochwertige Torchancen herausspielen würde. Das mag zwar weniger Unterhaltung bieten, ist aber für die Erreichung der Ziele völlig legitim und daher für uns momentan der richtige Weg. Die Leistung der Hannoveraner war an sich so schlecht nicht, sie tragen nicht auf wie ein abgeschlagener Fast-Zweitligist. Daran verdeutlicht sich erneut, dass in der Bundesliga wirklich Nuancen den Unterschied machen können.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Mit Vogt und Mavraj für Maroh und Mladenovic agierte die wohl durchschnittlichste Mannschaft in der Bundesliga (und das ist nicht despektierlich gemeint) in einem klaren 4-4-2, in dem die Maßgabe deutlich auf diszipliniertem Arbeiten lag. Die Abwehrarbeit war weitestgehend ordentlich, obwohl Hannover 96 in der ersten Hälfte schon zu einigen größeren Torchancen kam. Insbesondere Kiyotake stellte seine enorme Gefährlichkeit in einigen Szenen unter Beweis. Jörg Schmadtke, übernehmen Sie!

Mit Glück und Horn hielt man allerdings die Null und man wusste, dass mit zunehmender Spieldauer das Risikoverhalten des Gastgebers steigen würde. Zusätzlich passte Stöger seine Mannschaft erneut während des Spiels etwas an die Herangehensweise des Gegners an, wozu die Nominierung von Sörensen als Rechtsverteidiger natürlich nützlich war. Der Däne ist ein eminent wichtiger Spieler des effzeh – in der öffentlichen Wahrnehmung nicht allzu präsent, aber dennoch ein enorm wichtiger Baustein. Sein absichernde Funktion ermöglichte Risse auf rechts und Hector auf links eine freiere Rolle und der Defensive des effzeh mehr Ruhe. Dennoch sollte es bis zur ersten ernstzunehmenden Aufbausituation etwas dauern, diese brachte allerdings gleich die Führung zum vielfach zitierten „psychologisch wichtigen Zeitpunkt“ kurz vor der Halbzeit. Ein, zwei vertikale Pässe gegen die in dieser Szene unorganisiert wirkenden Hannoveraner und Leo Bittencourt hatte es nicht mehr schwer, zum Führungstreffer einzuschieben. Für den Matchplan des effzeh war diese Führung zu jenem Zeitpunkt Gold wert.

Im zweiten Durchgang ging es folglich darum, Endverteidigung und die Arbeit in der zweiten Viererkette auf fehlerlosem Niveau zu halten, da man davon ausgehen konnte, dass sich aufgrund der taktischen Umstellungen Hannovers (mit Hugo Almeida kam eine zweite Spitze) zwangsläufig Räume ergeben würden, die man dann zum entscheidenden Konter nutzen könnte. Je weniger Zeit blieb, desto intensiver und verzweifelter wurden die Angriffsversuche des Gastgebers. Kurz nach der Einwechslung Almeidas verdoppelte der effzeh seine Führung auf 2:0, als Hector den Ball gut eroberte und anschließend Gerhardt den neuen Torjäger Bittencourt in eine aussichtsreiche Position brachte. Das war der game killer und Hannovers Mannschaft und Publikum ließen alle Hoffnung fahren. Den Rest des Spiels konnte man relativ entspannt verbringen, da die rot-weißen Götter defensiv kaum mehr etwas zuließen und das Spiel ohne größere Probleme nach Hause schaukelten.

Wie ordnet man nun einen solchen Erfolg nun ein? Nach der Schwächephase der vergangenen Wochen war es natürlich erst einmal positiv, wieder einmal drei Punkte anzuschreiben und damit die Furcht vor einem Abrutschen in der Tabelle wegzuwischen. Darüber hinaus tat es gut, endlich mal wieder kein Gegentor zu fangen, was letztmals im November in Darmstadt erreicht wurde. Dass Punktgewinne momentan nur über defensive Stabilität und geringes Risiko möglich sind, mag zwar dem ein oder anderen effzeh-Fan nicht genug sein – es ist allerdings das Mittel der Wahl.

Foto: PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

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Achja, dann wäre da auch noch Leonardo Bittencourt, über den wir erst vor ein paar Wochen schrieben, dass die Effizienz vor dem Tor sein größte Manko wäre. Dies scheint sich der Deutsch-Brasilianer zu Herzen genommen zu haben, nachdem er mit seinem Doppelpack gegen Hannover sein Torekonto in den letzten beiden Spielen auf drei Treffer schrauben konnte. Hätte man darauf gewettet, wäre man wohl sehr reich geworden. Sein Schmetterling-Jubel als Gruß an die Cousins in Brasilien ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, allerdings würden wir uns jetzt nicht dagegen wehren, ihn noch häufiger bei Spielen des effzeh sehen zu dürfen.

Schließen möchten wir in diesem Zusammenhang mit einem Zitat, das Cristiano Ronaldo zugeschrieben wird, der einmal gesagt haben soll, dass es „beim Toreschießen wie mit einer Flasche Ketchup“ sei, „erst komme lange nichts, dann alles auf einmal“. Das lassen wir in der Hoffnung auf ein Bittencourt-Tor am Samstag gegen den FC Bayern einfach mal so stehen.

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