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Spielerportraits

Vollgas auf der linken Spur

Dass das Fußballerleben ein Auf und Ab ist, das weiß Konstantin Rausch sehr genau. So schnell er auf dem Platz ist, so schnell ging es zuletzt neben dem Rasen. Das effzeh.com-Porträt.

Foto: fc-koeln.de
Foto: fc-koeln.de

KONSTANTIN RAUSCH

Geboren am 13. März 1990 in Koschewnikowo, Sowjetunion

Größe: 1,82 Meter

Position: Linkes Mittelfeld

Bundesligaspiele/-tore: 206/13

Bisherige Vereine: Darmstadt 98 (2015/16), VfB Stuttgart (2013-2015), Hannover 96 (2005-2013), SV Nienhagen (2003/04), TuS Lachendorf (1997-2003)

Plötzlich geht es bergab – ohne zu wissen, weshalb das so ist. Plötzlich funktioniert nichts mehr wie gewohnt. Plötzlich wird das Leichte schwer. Das alles musste Konstantin Rausch in Stuttgart erleben. Eben noch etablierter Bundesliga-Profi mit großen Ambitionen, nun nach nur vier Kurzeinsätzen abgeschoben zur Drittliga-Reserve. Statt vor 50.000 Zuschauern im Müngersdorfer Stadion muss Rausch vor weniger als 2.000 Anhängern im Südstadion antreten. Fortuna statt effzeh – das Sinnbild eines Karriereknicks. „Stuttgart war eine große sportliche Enttäuschung. Im ersten Jahr waren meine Spiele ordentlich. Irgendwann war ich nicht mehr wichtig. Ich weiß bis heute nicht so richtig, warum es so gekommen ist“, urteilt der Linksfuß im Interview mit der „Neuen Presse“: „Es fühlt sich natürlich nicht gut an, wenn man keine Rolle spielt und in der zweiten Mannschaft spielt. Sportlich ist das bitter und schade, das können Sie sich vorstellen.“

So schnell es bergab ging, so schnell geht es bei Rausch allerdings wieder bergauf. Neuanfang in Darmstadt – der Bundesliga-Aufsteiger sichert sich die Dienste des trotz seines Alters schon erfahrenen Profis. Bei Rausch drückt „Lilien“-Trainer Dirk Schuster erfolgreich den Reset-Button: Der heute 26-Jährige blüht unter dem ehemaligen effzeh-Verteidiger förmlich auf. Schon im ersten Gespräch habe Schuster ihm das absolute Vertrauen vermittelt: „Er hat angekündigt, mich wieder dorthin zu bringen, wo ich einmal war. Er hat Recht gehabt bis hierhin. Dafür bin ich ihm extrem dankbar“, unterstreicht Rausch auf „dfb.de“. Beim Sensationsaufsteiger habe er den Spaß am Fußball wiedergefunden. „In Darmstadt fühle ich mich wieder wichtig. Hier kann ich dem Team helfen, weil ich wieder das Selbstvertrauen habe. Es ist ja in gewisser Weise ein Geben und Nehmen. Der Trainer gibt mir das Vertrauen, das spüre ich und ich zahle es mit Leistung zurück“, erklärte der Flügelflitzer im „Spox“-Interview.

Schöne Momente auf internationalem Parkett

Daten und Fakten zu Konstantin Rausch Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images | Grafik: effzeh.com

Daten und Fakten zu Konstantin Rausch
Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images | Grafik: effzeh.com

Vertrauen – das kennt Rausch aus seiner Zeit bei Hannover 96. Hier wird er ausgebildet, hier schafft er den Sprung in die deutschen Jugend-Nationalmannschaften, hier wird er 2007 mit der Fritz-Walter-Medaille in Silber (Altersklasse U17) ausgezeichnet, hier debütiert er 2008 als bis dato jüngster Hannoveraner in der Profimannschaft. Eine glorreiche Zukunft stehe ihm bevor, urteilen Experten, das Eigengewächs gilt als Toptalent. „Ich habe in Hannover viele schöne Momente erlebt, an die ich gerne zurückdenke“, betont Rausch: „Ich habe dort die Chance bekommen, Bundesliga zu spielen, und habe alles mitgemacht: sowohl die Rettung vor dem Abstieg als auch die Qualifikation für die Europa League, die uns kaum jemand zugetraut hat.“

Spätestens unter Mirko Slomka wird Rausch Leistungsträger einer erfolgreichen Mannschaft, die sogar den Sprung aufs internationale Parkett schafft und dort für Furore sorgt. Mit 96 marschiert der Flügelspieler bis in Viertelfinale und scheitert erst an Atletico Madrid. Seine Highlights sind allerdings schon früher – in den Playoffs setzt sich Hannover gegen Sevilla durch: „Wir waren klarer Außenseiter gegen eine Truppe, die unheimlich stark besetzt war. Das war der schönste Tag für mich, für den Verein, für die Mannschaft, für mich selbst“, erinnert sich Rausch gern an diese Spiele zurück. In Slomkas Kontersystem ist seine Rolle klar definiert: Blitzschnell kombinierte sich Hannover nach vorne, gerade über die beweglichen Außen, die den Ball dann nach innen bringen sollen. Links offensiv – da sieht sich Rausch selbst, dort macht er seine besten Spiele. Das funktioniert eine Zeitlang exzellent, der Flügelflitzer spielt sich zunehmend in den Fokus anderer Vereine. Nach 148 Bundesligaspielen für 96 bricht er seine Zelte ab und schließt sich dem VfB Stuttgart an. Dort folgt nach einer ordentlichen Debütsaison der große Karriereknick. „Daran sieht man, wie schnelllebig unser Geschäft ist. Erst lief alles unglaublich gut, auf einmal ist man kurz von der Bildfläche verschwunden und dann wird es schwierig“, sagt Rausch.

Die russische Heimat nicht vergessen

Dass es auf und neben dem Platz nicht immer leicht ist, das weiß der in Koschewnikowo (Russland) geborene Fußballer allerdings. Als der kleine Konstantin fünf Jahre alt ist, verlässt seine Familie die sibirische Heimat und zieht nach Deutschland. „Wirklich große Erinnerungen habe ich an diese Zeit aber nicht mehr, dafür war ich noch zu klein. Mit 13 Jahren war ich mit meiner Familie noch einmal dort und konnte mir dadurch ein Bild machen, wo meine Familie gelebt hat, bevor wir 1995 nach Deutschland gezogen sind“, erinnert sich Rausch. Ein trostloser Ort, der dennoch prägend für ihn ist: „Wer dort war, dort gelebt hat, die Sorgen und Nöte der Menschen kennt, der weiß, wie gut man es hier in Deutschland hat“, weiß Rausch, der sich auch dank des Fußballs schnell in seiner neuen Heimat zurechtfand: „Ich hatte das Glück, dass ich gleich in den Kindergarten kam und lernte dadurch die Sprache sehr schnell. Wenn man jeden Tag mit Freunden kickt, hat man schnell Zugang zur Kultur und zur Sprache. Das hätte ich in keinem Deutschkurs gelernt“, erklärt er. Über den TuS Lachendorf (1997 bis 2003) und den SV Nienhagen findet er den Weg in die Jugendabteilung von Hannover 96 – der Bundesligist wird seine sportliche Heimat.

Konstantin Rausch | Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Konstantin Rausch | Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Freunde, Familie, Fußball – das alles sind für den bodenständigen Rausch enorm wichtige Wohlfühlfaktoren. Den Kontakt zu seinen Liebsten in Celle hält er stets aufrecht, in der Darmstädter Zeit nutzte der Deutsch-Russe freie Tage gerne für einen Trip nach Hause. „Ich habe die Familie gerne um mich herum. Das Fußballleben ist halt einfach so, dass man Wege einschlägt, die zur Trennung von Familie und Wohnort führen. Ich lege aber sehr viel Wert darauf, meine Familie so oft wie möglich zu sehen“, erklärt der passionierte Serien- und Kinofan. Neben der Familie spielt Religion für den gläubigen Protestanten eine große Rolle: „Meine Eltern waren da sehr prägend, meine Mutter besonders. Sie hat mir immer sehr viel von Respekt und Glaube und wie man sich anderen Menschen gegenüber zu verhalten hat, beigebracht“, erklärt Rausch. Auch heute noch bete er jeden Abend vor dem Einschlafen. Auch seine Tätowierungen haben dem eigenen Bekunden zufolge allesamt mit Glaube und Familie zu tun.

Vollgas für die Heim-WM 2018

Eine enge Verbundenheit, die er demnächst auch sportlich mit seiner Heimat pflegen möchte. Nachdem er bis zur U21 alle deutsche Jugendnationalmannschaften durchlief, erscheint der Weg in die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw sehr unrealistisch. Rausch träumt dennoch von der Weltmeisterschaft 2018 in seinem Geburtsland – für Russland will der Linksfuß dort auflaufen. „Das wäre für mich durchaus eine Option, immerhin liegen meine Wurzeln in Russland“, bekundete er. Einen russischen Pass beantragte er 2015, nachdem der Verband ihn kontaktiert hatte. „Ich denke, dass es nicht unrealistisch ist, dass ein Spieler wie ich das packen kann. Ich werde natürlich Gas geben, um das zu schaffen – auch in Hinblick auf das große Turnier 2018 im eigenen Land“, macht sich Rausch berechtigte Hoffnungen auf die WM. Damit das klappt, schließt er sich dem großartigsten Verein der Welt an: Beim effzeh will Rausch derart auftrumpfen, dass auch in Russland niemand an dem dynamischen Außenbahnspieler vorbeikommen kann. Dass das nicht zwangsläufig sein muss, das hat er schmerzlich erfahren müssen. Das schnelllebige Fußballgeschäft hat er nun von beiden Seiten kennenlernen dürfen.

 

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