Jean-Philippe ist Fan von OGC Nizza und überrascht, dass sich Vincent Koziello tatsächlich dem 1. FC Köln angeschlossen hat – im Experteninterview beleuchten wir den Deal aus französischer Perspektive.
Es ist schon ein etwas überraschender Transfer, den der 1. FC Köln mit Vincent Koziello landen konnte. Nachdem wir ihn in unserem Porträt vorgestellt haben, ist es nun an der Zeit, mit einem Experten aus Nizza über ihn zu sprechen. Jean-Philippe twittert unter @pantalon_blanc mit Vorliebe über seinen Lieblingsverein und betreibt darüber hinaus noch einen Podcast mit dem Namen “La Voix des Niçois” (Die Stimme der Nizzaer) auf YouTube. Themen sind der bisherige Karriereverlauf, der Körperbau und der Charakter von Koziello.
effzeh.com: Koziello ist nicht mehr Teil des Kaders von Nizza, der Wechsel nach Köln ist fix. Seit einigen Tagen sprach man bereits darüber, jetzt ist es offiziell – wie ist deine erste Reaktion?
Jean-Philippe: In Anbetracht der aktuellen sportlichen Situation von Köln ist es schon eine erstaunliche Wahl von Koziello. Die ersten Gerüchte in diesem Winter haben sich eher mit Leganes oder der Fiorentina beschäftigt, Vereine, die sportlich besser platziert sind und darüber hinaus noch in Wettbewerben spielen, die eher seinen Qualitäten entsprechen.
Ein Spieler aus der Region, der die Jugendabteilung durchlaufen und für die französische U21-Nationalmannschaft gespielt hat, verlässt den Verein, bei dem er groß geworden ist und schließt sich einer Mannschaft an, die Schwierigkeiten haben wird, die Klasse zu halten – überrascht dich das?
Jean-Philippe: Ja, selbst wenn es nicht der erste Spieler ist, der in Nizza ausgebildet wurde und dann nach Köln wechselte – es gab ja schließlich noch Anthony Modeste! Aber auch mit Respekt gegenüber der großen Geschichte des 1. FC Köln, es ist sehr erstaunlich, dass Koziello keinen neuen Verein in der Ligue 1 gefunden hat.
“Koziello war immer ein Liebling des Publikums”
Zugegebenermaßen war Koziello zuletzt kein Stammspieler, aber Nizzas Trainer Favre ließ ihn trotzdem ohne großen Widerspruch ziehen. Machst du dem Schweizer Vorwürfe deswegen?
Jean-Philippe: Überhaupt nicht. Die Geschichte lief einfach dem Ende entgegen. Er hat eine überragende Saison vor zwei Jahren gespielt, mit Nampalys Mendy und Hatem Ben Arfa, aber nach der Ankunft von Lucien Favre hat er es nicht mehr geschafft, sich in der ersten Elf durchzusetzen. Obwohl er einer der Lieblinge des Publikums blieb, hat er nie mehr wieder zurück zu seinem Fußball gefunden. Dadurch, dass er er auch noch jung ist, ist es normal, dass er jetzt Einsatzzeiten woanders sucht. Er passte anscheinend offenbar einfach nicht mehr zu dem, was sich Nizzas Trainer für das Mittelfeld vorstellte: mehr Ausdauer, mehr Einfluss, mehr körperliche Präsenz, aber auch vertikales Spiel nach vorne.
Man hat also den Eindruck, dass sich Koziellos Entwicklung zuletzt ein wenig verlangsam hatte – stimmt das oder ist es eher dem Trainer zuzuschreiben, dass er weniger spielte?
Jean-Philippe: Das ist denke ich wirklich nur ein subjektiver Eindruck. Koziello hat uns alle beeindruckt mit seiner Aktivität im Mittelfeld. Trotz seiner geringen Körpergröße, war es sehr schwierig, ihn zu bedrängen und er war sehr stark in der Balleroberung. Danach hat er den Ball meistens schnell zu Hatem Ben Arfa, dem damaligen Impulsgeber in der Offensive, gepasst. Seit dem Abgang von Ben Arfa konnte es Koziello nicht schaffen, sich richtig in das von Favre entwickelte Konzept einzufügen. Seine Spielweise hat sich ein wenig eingeengt, er spielte auf einmal mit mehr Ballkontakten und Sicherheitspässen. Sein Einfluss auf das Spiel von Nizza hat stark nachgelassen, was zum Vorteil wurde für Spieler wie Jean-Michael Seri und Wylan Cyprien: Spieler, die etwas begabter und kompletter sind als Koziello.
Was kann Koziello nun also dem 1. FC Köln bringen? Wie kann er sich einfügen?
Jean-Philippe: Ich kenne unglücklicherweise nicht den Stil des 1. FC Köln. Aber ich bin mir sicher, dass Koziello, wenn er seine Form findet, das Mittelfeld verstärkt und als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive fungieren kann. Er hat eine außerordentliche Fähigkeit, Bälle zu erobern und diese dann sauber an seine Mitspieler weiterzugeben. Er versteht es, sich gut in den Räumen anzubieten, um Lösungen zu schaffen und das Kombinationsspiel aufrechtzuerhalten.
“Er gleicht seinen Körperbau mit großen Qualitäten aus”
Auf welcher Position, in welcher Zone des Spiels siehst du ihn?
Jean-Philippe: Im Mittelfeld vorrangig, im besten Fall als Achter – zwischen einem defensiven Sechser und einem kreativeren Spieler, der mehr zur Offensive beiträgt.
Kannst du noch kurz über seine Stärken und Schwächen informieren? Ist denn seine fehlende Körperlichkeit wirklich ein so großes Problem?
Jean-Philippe: Man sollte sich dadurch nicht täuschen lassen. Er hat es trotzdem geschafft, Profifußballer zu werden, von daher würde ich das nicht überbewerten. Er gleicht das aus mit großen Qualitäten, was das Ausweichen von Zweikämpfen angeht und ist ständig am Spiel beteiligt. Er ist ein Junge, der sich nicht versteckt, der nicht betrügt. Er hat darüber hinaus noch eine Stärke im Kurzpassspiel. Dem entgegen steht allerdings, dass ihm ein wenig die globale Sicht auf das Spiel fehlt, genauso die Durchsetzungsfähigkeit im offensiven Eins-gegen-Eins. Er kann sich aus diesen engen Situationen allerdings gut befreien und den Ball im Spiel halten, wenn seine Mitspieler sich dementsprechend anbieten.
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Wie verhält sich Koziello abseits des Platzes?
Jean-Philippe: Er ist ein beispielhafter Junge, sehr gut erzogen. Er hat in Nizza Englisch studiert. Wir haben ihm absolut nichts vorzuwerfen, selbst zuletzt, in dieser schwierigen Situation. Er hat bis zum Ende alles für Nizza getan.
Möchtest du noch ein kurzes Wort des Abschieds an ihn richten?
Jean-Philippe: Vincent, wir sind sehr froh darüber, dass du für unsere Farben gespielt hast. Jetzt trennen sich die Wege zwar, aber du wirst in Nizza immer zuhause sein. Wir wünschen dir das Beste für deine weitere Karriere und hoffen, dass wir uns irgendwann auf europäischer Bühne wiedersehen!