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Union Berlin: Der Vorzeigeverein aus der Hauptstadt

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Wenn der 1. FC Köln am Montagabend den 1. FC Union Berlin empfängt, gibt sich einer der angenehmeren deutschen Vereine in der Domstadt die Ehre. Im modernen kapitalistischen Fußballbetrieb nehmen die Eisernen eine Sonderstellung ein, wenn es um den Umgang mit Fans, Investoren und gesellschaftlicher Verantwortung geht. Nach vielen Spielen gegen Hoffenheim, Leipzig, Leverkusen und Co. in den vergangenen Jahren kommt nun also ein Verein nach Köln, der in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sein kann.

Der Verein aus dem Stadtteil Köpenick genießt in Deutschland Kultstatus und gehört zu denjenigen Vereinen, die überregional große Sympathien bei den Fans haben. Unions Wurzeln gehen bis ins Jahr 1906 zurück, in einer bewegten Geschichte war der Verein lange Zeit der Gegenentwurf zum Stasi-Verein BFC Dynamo, mit dem Union immer noch eine große Rivalität verbindet. Fun Fact: der effzeh trifft in der kommenden Woche im DFB-Pokal auf den Rivalen der Eisernen. Zur bekannten Folklore rund um die Eisernen gehören viele Aktionen, mit denen die Fans ihren Verein vor dem Aus retteten – die bekannteste Anekdote hat wohl mit der Modernisierung des Stadions zu tun, bei der 2000 Fans vor zehn Jahren Hunderttausende Arbeitsstunden leisteten.

Union Berlin: Sportlicher Erfolg nicht um jeden Preis

Mittlerweile geht Union in sein zehntes Zweitliga-Jahr in Folge, obwohl man schon seit längerem versucht, in die erste Bundesliga aufzusteigen. Das heißt natürlich auch, dass man dafür das nötige Geld aufwenden muss, denn ohne das funktioniert es nun einmal nicht im Profifußball. Doch bei Union hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass man in der Führungsspitze wenig dazu bereit ist, den schnellen sportlichen Erfolg gegen einen wertebasierten Umgang mit der Identität des Vereins und vor allen seiner Fans einzutauschen. Das liegt unter anderem daran, dass mit Dirk Zingler seit 2004 ein Mann das Sagen hat, der selbst aus der Fankurve kommt.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Er möchte dem Kommerz enge Grenzen setzen und vertritt die Meinung, dass Fußball in erster Linie ein lokales Geschäft ist. Im Interview mit dem “Berliner Kurier” sagte er: “Wir müssen aufpassen, dass der Zuschauer im Stadion der wichtigste Zuschauer bleibt. Das ist unser allererster und wichtigster Fußballkonsument oder wie auch immer er sonst genannt wird. Wir spielen in erster Linie für die Menschen Fußball, die zu uns ins Stadion kommen.”

Stadionumbau mit vielen neuen Stehplätzen

Diese seien am wichtigsten und die Bindung dürfe nicht durch die Internationalisierung verloren gehen. Während man an anderen Standorten in der Bundesliga willentlich den Status der Fans marginalisiert, profitiert Union davon, dass Dirk Zingler und seine Getreuen den Verein nach den Prinzipien eines nachhaltigen und wertebasierten Ideals führen. Hohe Zuschauerzahlen, eine überdurchschnittliche gute Stimmung und regelmäßig Tausende Zuschauer, die aus England nach Berlin reisen – während man bei Hertha verzweifelt nach der eigenen Identität sucht, ist Union authentisch und auch über die Stadtteilgrenzen hinaus beliebt.

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Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass es in der Vereinsgeschichte auch schwierige Phasen gab: Das Missmanagement in den 90ern führte den Verein fast in die Pleite. Heutzutage ist man wenigstens so realistisch, dass man eine Politik der kleinen Schritte verfolgt und den Aufstieg nicht um jeden Preis durchprügeln will. Langfristig geplant wird jedoch trotzdem: Bis 2020 soll das Stadion An der Alten Försterei am Ortseingang von Köpenick fit für die Bundesliga gemacht werden. Der Umbau am selben Standort soll 15.000 neue Plätze bringen, von denen 10.000 Stehplätze sein sollen. Präsident Zingler sagte gegenüber “11Freunde” über die Ausbaupläne: “Uns war es wichtig, dass dieser für unseren Verein historische Ort mit den Anforderungen der Zukunft wächst und dabei charakteristisch und einzigartig bleibt: Ein enges Stehplatzstadion, das unser Fußballherz höher schlagen lässt.”

Präsident Dirk Zingler: Ein Mann aus der Kurve

In anderen Städten des deutschen Fußballbetriebs fokussiert man sich bei einem Umbau eher auf die Logen und teureren Sitzplätze, während Union darauf hofft, durch ein Mehr an Stehplätzen im größten reinen Fußballstadion der Stadt Berlin die einzigartige, oft als “englisch” beschriebene Atmosphäre beizubehalten. Der ureigene Charakter dieses ganz besonderen Stadions soll allerdings erhalten bleiben – ähnlich sozialverträglich plant auch Eintracht Frankfurt den Ausbau des einstigen Waldstadions.

Doch auch in anderer Hinsicht positioniert sich Unions Präsident Dirk Zingler gerne wohltuend, was die Belange von Fans betrifft. Er ist ein klarer Befürworter der Beibehaltung der 50+1-Regelung, steht im ständigen Dialog mit seiner eigenen Fankurve und kann deren Kritik an den Fußballverbänden in Deutschland nachvollziehen. Ihm ist es auch nicht zu krass, offen anzuprangern, dass die meisten Funktionäre sich nicht in die Welt der Fans hineinversetzen können, weil sie niemals Auswärtsfahrer waren.

Union Berlin: Der willkommene Gegenentwurf

Daraus folgt dann – ähnlich wie in Köln – ein ganz besonderes Gefühl, das man bekommt, wenn man über Union Berlin spricht. Die Filmemacher Rouven Rech und Frank Marten Pfeiffer versuchten vor einigen Jahren, dieses Gefühl in ihrem Dokumentarfilm “Union fürs Leben” einzufangen. Rech beschrieb das Besondere an Union Berlin gegenüber der “Berliner Morgenpost” wie folgt: “Ausgehend von unseren Entdeckungen würde ich sagen: Das sind Leute mit einer sehr starken Bindung zu ihrem Kiez, zu ihrer Herkunft. In den Medien gilt Berlin als die hippe Stadt. Da wird über die Klubszene gesprochen oder die Start-ups. Aber für die Leute in Köpenick spielt dieses Image überhaupt keine Rolle. Dort hat sich eine andere Identität gebildet. Natürlich, weil sie auch eine andere Geschichte und Sozialisierung hat.”

Frank Marten Pfeiffer ergänzt: “Was auffällig ist von außen: Die Fans lassen dem Verein nicht alles durchgehen. Das gibt es wahrscheinlich nicht oft, dass eine Vereinsführung sehr genau überlegen muss, wie weit sie gehen kann. Was ist kommerziell angebracht und was ist politisch angebracht.” Union Berlin ist also aus vielen Perspektiven ein willkommener Gegenentwurf zu den vielen seelenlosen Vereinen, die mittlerweile im deutschen Profifußball ihr Unwesen treiben. Während der effzeh sich nach wie vor auf eine stabile und aktive Fanszene verlassen kann, haben die Diskussionen der letzten Jahre dennoch ihre Spuren hinterlassen: das China-Thema, ein Präsidium, das sich offen gegen die eigenen Fans stellt sowie hochtrabende Pläne für ein neues Stadion sorgen bei vielen Fans für Bauchschmerzen.

Bei Union Berlin wird seit Jahren bewiesen, dass es auch anders geht.

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