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Umgang von Grindel, Bierhoff und DFB mit WM-Aus: Der Türke war’s!

Foto: Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images

Dass Joachim Löw manchmal lieber Espresso trinkt, statt sich inhaltlich einzubringen, ist keine Überraschung. Nicht nur, dass der Bundestrainer sich nach dem WM-Aus bisher nicht weiter erklären oder öffentlich äußern will, auch während und vor der Weltmeisterschaft zeigte sich Löw eher schmallippig im Umgang mit dem “Skandal”, für den zwei seiner Spieler da gesorgt hatten.

Dass Oliver Bierhoff nach 14 Jahren öffentlicher Arbeit beim DFB die PR- und Marketing-DNA dermaßen verwirrt hat, dass er gar nicht mehr merkt, was er tut, auch irgendwie nicht. Anders ist es kaum zu begründen, dass der Teammanager sich erst öffentlich hinter seine Spieler stellt, dann in Gutsherrenart probiert ein Thema für “beendet” zu erklären, nur um es kurz nach dem Turnier selbst wieder auf schäbigste Art und Weise zu eröffnen – und das angeblich nicht einmal gewollt zu haben.

Und dass Reinhard Grindel die Welt schon durch AfD-Augen gesehen hat, als es die AfD noch gar nicht gab, haut auch keinen mehr vom Hocker. Schließlich ließ der jetzige Verbandsboss bereits 2004 wissen: “Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel” und warnte vor Masseneinwanderung, Überforderung des Staates und der Ausbeutung der Sozialsysteme. Ach und übrigens: Obwohl Grindel 2014 bereits die Funktion des DFB-Antikorruptionsbeauftragten inne hatte, stimmte er als einer von nur neun Bundestagsabgeordneten gegen ein Gesetz zur Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung. Aber das sei nur am Rande erwähnt.

Grindel-Taktik ist schäbig, aber nicht überraschend

Es fallen einem viele Worte für das Vorgehen der alten Herren des Deutschen Fußball-Bundes ein. Arm, schäbig, widerlich – zum Beispiel. Nur “überraschend” ist das alles eben nicht.

Während Löw zu eitel und Bierhoff zu inkompetent für eine öffentliche Debatte über das durchaus verwerfliche Treffen von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kurz vor der Weltmeisterschaft erscheinen, kommen bei Grindel nun offenbar einfach politische Ansichten zum Vorschein, die das CDU-Mitglied schon vor seiner Ernennung zum DFB-Präsidenten hatte.

Multi-Kulti und eine offene Gesellschaft – Grindels Ding war das schon früher nicht. Bis heute hat sich daran offenbar nichts geändert. Denn die Argumentation des DFB-Präsidenten ist derzeit so simpel wie erbärmlich: „Der Türke war’s!“

Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Bietet sich ja auch an, bei der ohnehin schon islamfeindlichen Stimmung, die derzeit bei so manchem in Deutschland herrscht. Als Fähnchen im Wind wird der DFB-Präsident von Weggefährten ohnehin gerne beschrieben. Der ehemalige Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu erklärt dazu im “Tagesspiegel” unlängst, Grindel habe sich im Parlament nicht nur als „Rechtsaußen“, sondern auch als „gewiefter Strippenzieher und absoluter Opportunist“ hervorgetan.

DFB-Präsident macht seinem Ruf alle Ehre

Nachdem Oliver Bierhoff in der Vorwoche mit einer angeblich nicht so gewollten Interview-Passage Mesut Özil öffentlich zum Abschuss freigab, machte Grindel seinem Ruf dann auch prompt alle Ehre und legte am Wochenende nach. Kritik an Bierhoff – warum denn? Die Sache sei doch ganz einfach: Özil muss öffentlich sagen, dass er Erdogan blöd und Deutschland super findet, damit die ganzen Gesinnungssachsen unter den Fans weiterhin Bock auf „Die Mannschaft“ haben – auch wenn sie ohnehin finden, dass sie gefälligst „Nationalmannschaft“ heißen und alle Spieler, die die Hymne nicht mitsingen, sofort abzuschieben sind. So einfach ist das nämlich.

Wer die Mannschaft von 1974 wohl aufgenommen hätte? Na ja, wen interessiert das heute noch. Der Türke, er soll endlich sprechen. So wie der andere, der mit dem Döner-Verkäufer-Bart. Das ist, was jetzt wirklich wichtig ist. Also finden zumindest Bierhoff, Grindel und die “BILD”.

Tatsächlich hat sich Mesut Özil nicht direkt und auch nicht umfassend zum Treffen mit Erdogan und dem entstanden Eindruck in der Öffentlichkeit geäußert. Tatsächlich ist das Foto an sich ungefähr so dumm wie der Umgang von Gündogan und Özil mit ihrer Aktion danach unzureichend war. Nach dem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde der Nationalspieler immerhin wie folgt zitiert: „Ich bin hier aufgewachsen und stehe zu meinem Land.“ Dass Özil mehr bisher nicht verkündet hat und am Medientag des DFB-Teams demonstrativ nicht teilnahm, ist zudem maximal ungeschickt.

Dass das Larifari-Geschwätz, das Gündogan bei dieser Gelegenheit von sich gab, nun als Maßstab für Özil gelten soll, ist allerdings gleichfalls merkwürdig. Schließlich war man nach Gündogans Äußerungen nun auch nicht wirklich schlauer. Höflichkeit, kein politisches Statement, Ende. Doch um eine inhaltliche Auseinandersetzung scheint es ohnehin niemand zu gehen. Viel mehr braucht der DFB offenbar einfach einen SNDNBCK. Entschuldigung: Sündenbock.

Keine Statements von Beckenbauer und Matthäus nötig?

Schließlich wartet die Menschheit immer noch auf eine Erklärung von Franz Beckenbauer zu seiner Verwicklung in die Vergabe der WM 2006. Aber hey, don’t touch the Sommermärchen. Eine persönliche Erklärung Beckenbauers hat der DFB oder sein Präsident jedenfalls noch nie gefordert. Am Treffen von Lothar Matthäus mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Zuge der WM scheinen Grindel und Co. ebenfalls nichts auszusetzen haben. Dabei gab es dort neben einem Trikot auch noch sehr warme Worte vom Ehrenspielführer der Nationalmannschaft („Bin halber Russe“) für den zweifelhaften russischen Machthaber.

Warum das so ist? Wer weiß das schon. Aber während Putin und Erdogan durchaus vergleichbar sind, fällt direkt auf: „Türken“ sind Beckenbauer und Matthäus nicht. Özil, der vom DFB nun im Einklang mit verwirrten Rechten und freundlicher Unterstützung der “BILD”-Zeitung zum Hauptverantwortlichen des historischen Ausscheidens in der WM-Vorrunde erklärt wird, ist das übrigens auch nicht. Özil ist Deutscher. Geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen, ausgebildet bei Schalke 04 – mit türkischen Vorfahren.

 

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Und der Mittelfeldspieler hatte sich schon für die deutsche Nationalmannschaft entschieden, da kannte Reinhard Grindel in der Fußballwelt noch keine Sau. Seit fast zehn Jahren schnürt der Arsenal-Spieler nun bereits die Schuhe für den DFB – und stieg im Club-Fußball zu einem der besten Regisseure der Welt auf.

Dass dieser Spieler, der bei der diesjährigen Weltmeisterschaft keineswegs schlechter spielte, als Thomas Müller, Joshua Kimmich oder andere – obwohl in seinem Heimatland eine Kampagne gegen ihn angezettelt wurde – nun von Bierhoff und Grindel „sportlich“ in Frage gestellt wird, ist vollkommen absurd. Und zwar so absurd, dass man die beiden DFB-Offiziellen wenn nicht für ihren schlechten Stil, dann wenigstens für die sich in dieser Einschätzung offenbarende sportliche Inkompetenz rauswerfen müsste.

Passieren wird das aber vermutlich nicht. Es scheint in Deutschland derzeit ohnehin nicht en vogue zu sein, Leute rauszuwerfen, die es verdient haben. Ob Bundesinnenminister oder DFB-Präsident – die wandelnden Peinlichkeiten der Republik dürfen der Menschheit weiter munter auf die Nerven gehen. Und so werden vermutlich auch Löw, der seinem Vorgesetzen mit dröhnender Stille nicht widerspricht, sondern lieber abtaucht, als auch Bierhoff, der vermutlich niemand etwas Böses will, aber nicht mehr Herr der Lage ist, sowie Grindel, der nun einfach nur sein politisches Gesicht zeigt, aus der Nummer irgendwie raus kommen.

Özil: Nächstes Mal besser Lothar Matthäus schicken

Das liegt aber natürlich nicht daran, dass Mesut Özil weiterhin schweigt. Ob ein Statement jetzt noch viel für die Nummer Zehn der Nationalelf ändern würde, ist aber ohnehin fraglich. Mittlerweile wäre es vor allem ein Einknicken vor all denjenigen, die glauben, sie hätten ein Recht darauf, dass Özil öffentlich bekennt, ein ganz toller Alman zu sein und verspricht bei der nächsten Einladung türkischer Politiker lieber mit „Darf nicht, aber kann Lothar oder Gerd vorbei schicken, amk“ zu antworten.

Keine Frage, liebe Leser und Leserinnen: Erdogan vertritt eine Politik, die mit freiheitlichen Grundwerten nicht mehr zu vereinen ist. Da sind wir uns einig. Genauso wie die bei Matthäus so beliebten Wladimir Putin in Russland oder Viktor Orban in Ungarn. Und übrigens: In Saudi-Arabien dürfen Frauen erst seit diesem Sommer Auto fahren – das hinderte die DFB-Delegation aber keineswegs daran, den saudi-arabischen Kollegen beim Freundschaftsspiel vor der WM, brav Geschenke zu überreichen. Sport verbindet doch, weiß man ja. Dass der FC Bayern, der die meisten Spieler der Nationalmannschaft stellt, für einen Flughafen eines Landes, das Terror mitfinanziert, Werbung macht, stört beim DFB und auch sonst in der Fußball-Branche übrigens ebenfalls niemanden.

Dabei haben all diese Grindels, Bierhoffs und Matthäus‘ weder Wurzeln in Russland, Ungarn oder Saudi-Arabien, noch eine Familie, die aus diesen Ländern stammt oder teilweise noch in ihnen lebt. Ihre einzige Beziehung zu diesen fragwürdigen Gestalten ist wirtschaftlicher Natur: Es geht um Geld, es geht um Macht.

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Was sagt uns der Verband damit? Sich mit dubiosen Figuren zu treffen, ist vollkommen in Ordnung, solang es um Kohle, Macht oder beides geht. Da unterscheiden sich Wirtschaftsministerium und DFB übrigens auch kaum.

“Erdogate”: Unterm Strich nur bigotte Heuchelei

Aber wenn Özil und Gündogan den Präsidenten eines ihrer Heimatländer (ja, das gibt es auch im Plural) treffen, dann ist Großalarm. Dann ist das auf keinen Fall einfach nur ziemlich dumm und ungeschickt, sondern natürlich ein riesiger Skandal und oben drauf der Grund für das sportliche Versagen der ganzen Mannschaft bei der WM. Was für eine Kartoffel-Logik.

Der Tiefpunkt ist das aber leider noch nicht: Es gibt schließlich rund zwanzig Personen in Deutschland, die diesen Spuk beenden und den Verbands-Vertretern den Wind aus den Segeln nehmen könnten. Ohne sie ist die Anzugetage beim DFB schließlich völlig macht- und wertlos. Doch Özils Mitspieler, manche von ihnen sind zusammen mit dem 29-Jährigen in Brasilien Weltmeister geworden, schweigen eisern. Schöne Grüße aus dem Urlaub oder kryptische, sinnlose Tweets von Mats Hummels – mehr ist von dieser Truppe, die „Die Mannschaft“ genannt wird, nicht zu hören, während einer ihrer Mitspieler von Verband, Boulevard und rechten Hetzern öffentlich demontiert wird. „Die Lappen“ wäre da wohl der passendere Name gewesen.

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