Am Deadline-Day verzichtet der 1. FC Köln auf einen weiteren Transfer. In der Rückrunde setzen die “Geißböcke” damit auf wichtigen Positionen auf das altbekannte Motto “Mut zur Lücke”. Ein Kommentar.
Wer sich jemals auf eine Prüfung vorbereitet hat, die einer Herkulesaufgabe glich, kennt wahrscheinlich diese bohrenden Fragen im Kopf: Ist dieses Themengebiet wirklich relevant für die Klausur? Muss ich jenen Bereich abdecken, um erfolgreich zu sein? Manchmal ist einfach nicht alles realisierbar: Entweder erschließt sich einem ein Komplex nicht und würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen, die an anderer Stelle fehlt. Oder die schiere Masse der Informationen macht eine Selektion notwendig, eine Fokussierung auf vermeintlich wichtigere Segmente. Kurz: Mit Mut zur Lücke in die Prüfung.
Ähnliches gilt, das muss nach der Winter-Transferperiode festgehalten werden, auch für den 1. FC Köln. Zweimal schlugen die „Geißböcke“ auf dem Transfermarkt zu, sicherten sich für knapp 7,5 Millionen Euro die Dienste von Simon Terodde und Vincent Koziello. Ersterer hat seinen Wert als Stoßstürmer in seinen bisherigen Einsätzen bereits nachhaltig unter Beweis gestellt: Als robuste Anspielstation am Boden und in der Luft, als laufstarker Störenfried in vorderster Front und als eiskalter Abnehmer für die Vorarbeit seiner neuen Mitspieler – der vom VfB Stuttgart gekommene Terodde ist nach drei Treffern in drei Spielen bereits vollends angekommen beim effzeh. Seine Qualitäten noch zeigen muss dagegen der junge Franzose Koziello: Mit vielen Vorschusslorbeeren vom OGC Nizza in die Domstadt gelockt wartet der spielstarke 22-Jährige noch auf seine ersten Einsatzminuten im effzeh-Dress.
Terodde und Koziello: Zwei sinnvolle Deals
Durch diese Transfers hat das Bundesliga-Schlusslicht Schwächen behoben, die nach der desaströsen Hinrunde offensichtlich waren: Im Angriff fehlte es nach dem Abschied von Top-Torjäger Anthony Modeste Richtung China an Körperlichkeit, an Torriecher und an Routine. All das behebt die Verpflichtung von Simon Terodde, wie bereits nach drei Einsätzen zu verzeichnen ist.
Im Spielaufbau dagegen haperte es oftmals an Ballsicherheit und Passgenauigkeit, an Kreativität und Dynamik: Das soll der quirlige 1,68-Meter-Mann Koziello beheben, der in seiner Heimat Frankreich hohes Ansehen genießt und als geschickter Ballverteiler gilt. Stellt der Neuzugang dies auch in der Bundesliga unter Beweis, dann wird er eine enorme Verstärkung für den effzeh darstellen, die über das Wirken in der Rückrunde hinausgeht. Zwei Deals also, die durchaus als sinnvoll einzustufen sind.
Und doch regiert beim näheren Hinsehen auf die Bemühungen, den effzeh rettungstauglich zu bekommen, das alte Studentenmotto „Mut zur Lücke“. Denn: Auch in dieser Transferperiode ließen die Verantwortlichen am Geißbockheim offene Baustellen im Kader unbearbeitet. Auf der Position des Rechtsverteidigers werden die „Geißböcke“ in der Rückrunde weiterhin verwundbar sein: Frederik Sörensen ist gelernter Innenverteidiger und aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen gerade gegen schnelle, wendige Außenbahnspieler oft im Nachteil.
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Seine Kontrahenten stehen dagegen aus verschiedenen Gründen im Abseits: Lukas Klünter hatte in der Hinrunde insbesondere in der Abwehrarbeit große Schwierigkeiten und wurde unter dem neuen Trainer Stefan Ruthenbeck bevorzugt für offensivere Aufgaben gebraucht. Pawel Olkowski spielt derweil gar keine Rolle mehr in den sportlichen Plänen der Kölner: Der polnische Rechtsverteidiger könnte den Verein sogar noch verlassen, das Transferfenster in seiner Heimat ist beispielsweise noch lange geöffnet.
Handlungsbedarf auf den Außenbahnen
Die offene Flanke in der effzeh-Defensive ist natürlich auch den Gegnern nicht verborgen geblieben: Sowohl in Hamburg als auch gegen Augsburg versuchte die Konkurrenz vermehrt über die rechte Kölner Seite zum Erfolg zu gelangen. Ein Mittel, das der Ruthenbeck-Elf aufgrund der Kadersituation selten zur Verfügung steht, denn die offensive Außenbahn ist auch nach dieser Transferperiode weiterhin verwaist.
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Marcel Risse und Leonardo Bittencourt sind nach ihren Verletzungen im Aufbautraining – wann sie wieder zum Einsatz kommen können, steht noch in den Sternen. So bleiben die offensiven Außen eher suboptimal besetzt: Milos Jojic, aufgrund seiner Spielweise eher im Zentrum ansässig, agiert auf der linken Seite quasi als spielmachender Flügelspieler, auf der rechten Flanke kommt bevorzugt Christian Clemens zum Einsatz. Alternativen als gelernte Kraft auf der Außenbahn: Mangelware.
So geht der effzeh in die verbleibenden 14 harte Prüfungen, zusätzlich vielleicht sogar noch in zwei zusätzlich angesetzte Nachprüfungen, mit dem Mut zur Lücke. Sei es nun die ideale Besetzung der Rechtsverteidigerposition, eine weitere Option auf der offensiven Außenbahn oder gar eine schon etwas länger angestrebte Lufthoheit in der Defensiv- und/oder Mittelfeldzentrale: Es wird für den effzeh bei der angestrebten Aufholjagd darauf ankommen, dass die richtigen Aufgaben im richtigen Moment gestellt werden. Und dass ihn in den entscheidenden Situationen auch bei nicht optimaler Präparation die Improvisationskünste nicht verlassen. Studenten dürften wissen, wovon die Rede ist.